Wo geht die Zinsentwicklung hin? Zinsprognosen für Spar- und Kreditzinsen

Die Zinsentwicklung und auch die Zinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) geben in den letzten Jahren immer wieder Anlass zu Diskussionen. Die EZB argumentiert damit, durch die niedrigen Zinsen die Volkswirtschaften in der Eurozone zu stützen, während gerade in Deutschland die Sparer und auch Volksvertreter immer wieder erklären, dass eine Enteignung in großem Ausmaß stattfindet. Doch wie sieht es eigentlich auf den Zinsmärkten in Deutschland aus und was ist für die nahe Zukunft zu erwarten?

Gute Nachrichten für Kreditnehmer: Darlehen werden günstig vergeben

Ein präziser Blick auf die Zinsstatistik der Bundesbank zeigt eines ganz klar: Die Kreditzinsen sind in den letzten 10 Jahren kontinuierlich und signifikant gesunken. Die folgende Zusammenstellung gibt einen klaren Überblick über die jeweils gültigen Zinssätze in den Jahren von 2011 bis 2019 (jeweils Oktoberwerte dargestellt):

Jahr

durchschnittlicher Kreditzins für Ratenkredite

2011

5,80%

2012

5,10%

2013

5,02%

2014

4,71%

2015

4,88%

2016

4,52%

2017

4,30%

2018

4,60%

2019

4,39%

Tabelle 1: Durchschnittliche Kreditzinsen für Ratenkredite von 2011 bis 2019, Quelle: Bundesbank.de

Wer also einen Ratenkredit aufnehmen möchte, zahlt heute durchschnittlich ca. 1,5% Prozentpunkte weniger Zinsen als noch vor 10 Jahren. In den letzten Jahren halten sich die Zinsen auf einem sehr niedrigen Grundniveau. Auf Kreditvergleich24.com zeigt sich jedoch sehr deutlich, dass es Kreditanbieter gibt, deren Zinssätze deutlich unter diesem Durchschnitt liegen. Wer also eine günstige Finanzierung in Anspruch nehmen möchte, findet heute ungeachtet der jeweiligen individuellen Bedingungen beste Voraussetzungen.

Bauzinsen auf historischem Tiefststand

In Bezug auf die Bauzinsen scheinen die Fachmedien sich regelmäßig zu wiederholen, denn immer wieder ist von einem historischen Tiefststand des Zinsniveaus die Rede. Hierbei spielt jedoch nicht nur die Lust nach Sensationen mit rein, denn die Bauzinsen befinden sich langem tatsächlich im Sinkflug.

Berechneten Banken 2011 für Baukredite mit einer Zinsbindung zwischen 5 und 10 Jahren noch durchschnittlich 3,85% Zinsen pro Jahr, ist dieser Durchschnittszins mittlerweile auf 1,12% pro Jahr abgesunken. Gerade das Jahr 2019 hat ein nochmaliges Absinken des ohnehin schon niedrigen Zinsniveaus mit sich gebracht.

Sparer haben es schwer: Kaum noch Renditen möglich

Die Sparer in Deutschland bekommen jedoch die andere Seite der Medaille zu spüren. Das niedrige Zinsniveau sorgt dafür, dass es für Zinseinlagen wie Tagesgeld oder Festgeld kaum noch nennenswerte Zinsen gibt.

Auch hier zu einige Beispiele von der Bundesbank:

Durchschnittliche Zinssätze für Einlagen mit einer Laufzeit von mehr als 2 Jahren (Festgeld):

  • Anfang 2003: 3,33%
  • Anfang 2008: 2,52%
  • Anfang 2015: 1,82%
  • Anfang 2019: 1,21%

Durchschnittliche Zinssätze für Einlagen mit einer Laufzeit bis zu 2 Jahren (Tagesgeld und kurzfristiges Festgeld):

  • Anfang 2003: 2,65%
  • Anfang 2008: 4,04%
  • Anfang 2015: 0,66%
  • Anfang 2019: 0,23%

Hier zeigt sich also ganz deutlich, dass sich Zinseinlagen nicht mehr lohnen. Wer heute Geld auf einem Tagesgeldkonto deponiert, erhält in den meisten Fällen weniger als den Inflationsausgleich und zahlt somit drauf. Der einzig sinnvolle Grund, noch ein Tagesgeldkonto zu führen, liegt in seiner Nutzung für eine finanzielle Notreserve. Im Notfall kann schnell auf das Geld zugegriffen werden und es gibt immer noch bessere Renditen also beim Parken auf dem Girokonto.

Die Zinsprognose: Alles hängt an der EZB-Politik

Um eine sinnvolle Zinsprognose abgeben zu können, ist es erforderlich, sich zunächst die Ursachen für die aktuelle Zinsentwicklung anzuschauen. Diese sind hauptsächlich in der wirtschaftlichen Entwicklung und der damit verbunden Zinspolitik der EZB zu finden.

Die EZB kann als Notenbank der EU die Leitzinsen bestimmen und damit die Geldmenge steuern. Das Steuerungselement existiert vor allem zu dem Zweck, eine ausufernde Inflation zu vermeiden. Doch niedrige Zinsen sorgen zusätzlich dafür, dass Betriebe leichter an Geld kommen und auch bei finanziellen Schwierigkeiten noch Luft zum Atmen haben. Zudem lohnt sich Sparen weniger, was den Konsum und damit das Wirtschaftswachstum fördert.

Refi-Zinssatz und Einlagefazilität als Steuerungselemente der EZB

Die beiden ausschlaggebenden Zinssätze sind hierbei der Refinanzierungszinssatz und die Einlagefazilität. Der erste Zinssatz beschreibt die Kosten, zu denen sich Geschäftsbanken von der EZB Geld leihen können. Da sich der Zinssatz aktuell bei 0% befindet, kommen Bank jederzeit an frisches Kapital. Dies hat zwei große Auswirkungen:

1.    Geschäftsbanken brauchen keine Zinseinlagen von Privatkunden

Da die Banken frisches Kapital jederzeit von der EZB kostenfrei bekommen können, ist es für sie nicht sinnvoll, Privatkunden hohe Zinsen für ihre Einlagen zu zahlen. Dies ist ein Grund für die niedrigen Renditen von Zinseinlagen.

2.    Die Gewinnmarge erlaubt Spielräume bei der Kreditvergabe

Das Hauptgeschäft einer Bank besteht darin, sich Geld zu beschaffen und dieses zu höheren Zinsen weiter zu verleihen. Da frisches Kapital dank dem Refi-Zinssatz aktuell gar nichts kostet, haben die Banken eine recht hohe Gewinnmarge. Dies eröffnet Spielräume bei den Kreditzinsen, die deshalb auch deutlich abgesunken sind.

Die Einlagefazilität beschreibt hingegen den Zinssatz, den Banken erhalten, wenn sie Einlagen bei der EZB parken. Dies geschieht automatisch, wenn eine Bank über Kapital verfügt, welches sie nicht in Bankgeschäfte investiert hat. Dieser Zinssatz lag lange bei -0,4% und wurde zuletzt sogar auf -0,5% abgesenkt. Die Banken müssen also für nicht genutztes Kapital Strafzinsen zahlen. Dies gilt auch für:

  • Guthaben der Kunden auf ihren Girokonten
  • Sparguthaben der Kunden

Aus diesem Grund haben Banken aktuell so gut wie kein Interesse daran, Einlagen von Kunden zu erhalten und erheben in Einzelfällen sogar selbst Strafzinsen. Gleichzeitig haben sie ein hohes Interesse daran, möglichst viele Kredite zu vergeben, um das Kapital renditeträchtig arbeiten zu lassen. Dies senkt wiederum die Kreditzinsen, weil niedrige Zinseinnahmen für Banken immer noch besser sind als die Zahlung von Strafzinsen an die EZB.

Wie könnte es weitergehen?

Möglichst viele Informationen sammeln.

Da eine wirtschaftliche Erholung aktuell nicht in Sicht ist, hat die EZB auch kein Interesse daran, etwas an ihrer Zinspolitik zu ändern. Im Gegenteil: Die neue EZB-Chefin Christine Lagarde ließ sogar durchblicken, dass für sie die Grenze bei den Minuszinsen für sie noch nicht erreicht sei, wie auf handelsblatt.com berichtet wurde. Demnach müssen sich Sparer renditeträchtige Alternativen suchen, während Kreditnehmer sich auch weiterhin über günstige Konditionen freuen können.

Größere Änderungen sind aktuell nicht zu erwarten

Die Zinspolitik der EZB hat in den letzten Jahren dafür gesorgt, dass die Renditen von Zinseinlagen mehr und mehr zurückgingen. Als Hauptgrund führt die EZB die Stützung der Wirtschaft in der Eurozone an. Konsumenten können sich dagegen auch weiterhin auf niedrige Kreditzinsen freuen. Größere Änderungen dieser Entwicklung sind aktuell nicht zu erwarten. Und wenn, dann könnte die abkühlende Konjunktur eher noch für eine Verschärfung sorgen, wie EZB-Chefin Lagarde schon erklärte.