Eine neue Generation von Indexfonds Die Faktor-ETF
"Klassische" ETFs bilden einen Index 1 : 1 nach - das ist die Grundidee des passiven Investierens. Mancher Anleger mag sich damit nicht begnügen. Das ist die Erklärung, warum Faktor-ETFs auf reges Interesse stoßen. Doch was bedeutet Investieren mit Faktor-ETFs konkret? Damit wollen wir uns etwas näher befassen.
Derzeit sind Faktor-Fonds noch eine Marktnische. In wenigen Jahren könnte sie schon jeder sechste private Fonds-Anleger im Bestand halten - in der Hoffnung, damit bessere Renditen als im Marktschnitt zu erzielen. Mit Faktor-ETFs soll passives Investieren ein Stück weit aktiv werden. Anstelle eines aktiven Fondsmanagements tritt ein aktives Konstruktionsprinzip unter Beibehaltung der Indexorientierung - allerdings in modifizierter Form
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Welche Faktoren den Ursprungs-Index schlagen sollen
In herkömmlichen ETFs sind alle Index-Werte entsprechend der Zusammensetzung im Referenz-Index enthalten. Darunter sind naturgemäß Gut-, Mittel- und Schlecht-Performer. Bei Faktor-ETFs wird der Index mit dem Ziel modifiziert, den Anteil der Gut-Performer über den Schnitt hinaus zu erhöhen bzw. den Anteil der Schlecht-Performer zu senken. Dadurch soll entweder die Renditeerwartung verbessert oder das Risiko geringer werden - im Idealfall beides. Die Index-Modifikation erfolgt anhand bestimmter Faktoren - daher die Bezeichnung Faktor-ETFs. Gängige Faktoren sind:
- (Small) Size: die Modifikation fokussiert sich auf Unternehmen mit vergleichsweise geringer Marktkapitalisierung (Small Caps). Untersuchungen belegen für solche Titel eine mögliche Über-Performance.
- Value: der Index konzentriert sich auf Aktien mit - an Fundamentaldaten gemessen - niedrigen Kursen. Auch hier ist eine potentielle Über-Performance belegt.
- Momentum: bei der Index-Zusammensetzung bevorzugt man Werte mit der besten Kursentwicklung in einem Zeitraum. Dies in der Erwartung, dass sich ein positiver Trend weiter fortsetzen wird.
- Quality: präferiert werden Aktien von Unternehmen mit soliden Bilanzen und stabilen Erträgen. Die Hoffnung ist, dass sich solche Titel "nachhaltig" positiver entwickeln als der Gesamtmarkt.
- (Low) Volatility: man wählt Werte mit geringen Kursschwankungen aus und setzt darauf, dass diese in volatilen Zeiten besser performen als der Rest.
Timing ist gefragt
Im Gegensatz zum rein passiven Investieren kann man bei Faktor-ETFs nicht einfach abwarten und liegen lassen. Hier ist der aktive Investor gefragt, der zum "richtigen" Zeitpunkt ein- und wieder aussteigt. Jeder Faktor hat "seine Zeit", in der er mal besser, mal schlechter zur Geltung kommt. So empfehlen sich Low Volatility-ETFs vor allem dann, wenn die Kurse stark schwanken oder fallen. Bei stetiger Kursentwicklung nach oben bringen sie wenig. Momentum-ETFs eignen sich in Märkten mit stabilem Aufwärtstrend und dynamischem Wachstum, nicht in der "Baisse". In Small Size- und Value-ETFs sollte man im frühen Stadium eines Konjunkturaufschwungs investieren, wenn die Aktien noch besonders "günstig" sind, nicht in der Rezession.
Multi-Faktor-ETFs - in guten wie in schlechten Zeiten
Ideal wäre die Strategie, die jeweils den aktuell relevanten Faktor-ETF nutzt und entsprechend "umswitcht", wenn sich die Zeiten ändern. Dass dies nicht ohne weiteres gelingt und eine ganze Menge an Erfahrung und Know How benötigt, leuchtet unmittelbar ein. Außerdem verursacht häufiges Umswitchen Kosten zu Lasten der Performance. Diese Nachteile wollen Multi-Faktor-ETFs vermeiden. Im Gegensatz zu Single-Faktor-ETFs werden hier bei der Index-Konstruktion gleich mehrere Faktoren berücksichtigt - in der Regel drei bis vier und zwar sowohl zyklische als auch antizyklische. Mit diesem Mix sollen Multi-Faktor-ETFS in guten wie in schlechten Zeiten überdurchschnittlich performen.
Jeder Faktor hat "seine Zeit", in der er mal besser, mal schlechter zur Geltung kommt.
Den Beweis dafür müssen sie allerdings noch antreten. Multi-Faktor-ETFs sind zu neu am Markt, als dass schon aussagefähige Zeitreihen existieren. Small-Size- und Value-ETFs können sich immerhin auf das Fama-French-Dreifaktorenmodell berufen, das mit mathematisch-statistischen Untersuchungen unterlegt ist. Single-Faktor-ETFs sind etwas teurer als Standard-ETFs - die jährliche Verwaltungsgebühr liegt im Schnitt um etwa 8/100-Prozentpunkte höher, in gleicher Größenordnung ist noch mal mit einem Zuschlag bei Multi-Faktor-ETFs zu rechnen. Hier liegt die Managementgebühr in einer Bandbreite von 0,40 bis 0,50 Prozent p.a.. Deutlich billiger als ein "normaler" aktiver Fonds ist das immer noch.
Beispiele für Faktor- und Multi-Faktor-ETFs
- Small Size: SPDR MSCI World Small Cap UCITS ETF (WKN: A1W56P; ISIN: IE00BCBJG560)
- Volatility: iShares Edge S&P 500 Minimum Volatility UCITS ETF (WKN: A1J784; ISIN: IE00B6SPMN59)
- Quality: AMUNDI MSCI EUROPE QUALITY FACTOR ETF (WKN: A2H59G; ISIN: LU1681041890)
- Multi-Faktor-ETF (Value, Momentum, Small Size, Quality): iShares Edge MSCI EMU Multifactor UCITS ETF (WKN A2H7FK; ISIN IE00BF2PG656)
- Multi-Faktor-ETF (Value, Quality, Momentum, Volatility, Size, Yield): UBS ETF (IE) MSCI World Select Factor Mix UCITS ETF (USD) A-dis (WKN: A2JHA4; ISIN: IE00BFWMMG89)
Ein Artikel von Andreas Glogger.