Köpfe und Konzepte der Finanzwelt

Wirtschaftsdenker: Daniel Kahneman (1934–2023) & Amos Tversky (1937–1996) Prospect Theory

Warum Verluste schwerer wiegen als Gewinne.

Viele Menschen kennen das Gefühl: Ein kleiner Verlust schmerzt stärker als ein gleich großer Gewinn Freude bereitet. Man hält zu lange an fallenden Anlagen fest, verkauft Gewinner zu früh oder scheut Entscheidungen, die eigentlich sinnvoll wären. Die Prospect Theory liefert eine Erklärung dafür. Sie beschreibt, wie Menschen unter Risiko tatsächlich entscheiden – und warum unser Verhalten oft nicht zum nüchternen Zahlenwerk passt. Weitere Aphorismen und Konzepte sind hier.


Das Konzept im Kern: Wie wir Gewinne und Verluste verzerren

Kahneman und Tversky zeigen, dass Menschen Entscheidungen nicht rein logisch treffen, sondern nach einem inneren Bild von Gewinnen und Verlusten.

Verluste wiegen psychologisch stärker als Gewinne – und beeinflussen Entscheidungen stärker als Zahlen."

Kernpunkte:

  • Verluste schmerzen stärker als Gewinne gleicher Größe freuen. Diese Verlustaversion führt dazu, dass Menschen riskanter werden, wenn sie Verluste ausgleichen wollen, und vorsichtiger, wenn sie Gewinne sichern möchten.
  • Wahrscheinlichkeiten werden verzerrt wahrgenommen. Kleine Chancen werden überbewertet („Vielleicht klappt es doch“), große Chancen werden unterschätzt.
  • Der Bezugspunkt zählt. Menschen beurteilen Veränderungen relativ zu einem Ausgangspunkt – nicht in absoluten Zahlen.

Die Konsequenz: Entscheidungen können systematisch von dem abweichen, was rein rechnerisch optimal wäre. In der Finanzwelt zeigt sich das zum Beispiel darin, dass Anleger Verluste „aussitzen“, riskante Wetten eingehen oder Gewinne zu früh realisieren.

Nicht berücksichtigt im Modell sind langfristige Lernprozesse oder bewusste Strategien, die sich gegen diese Tendenzen richten. Die Theorie beschreibt vor allem spontane Entscheidungen unter Unsicherheit.


Der Kopf hinter der Idee: Zwei Forscher, eine gemeinsame Linie

Daniel Kahneman, Psychologe, und Amos Tversky, ebenfalls Psychologe, arbeiteten eng zusammen. Ihre Forschung entstand in den 1970er- und 1980er-Jahren und stellte zentrale ökonomische Annahmen infrage.

Die damals verbreitete Sicht: Menschen entscheiden rational, bewerten Wahrscheinlichkeiten korrekt und maximieren ihren Nutzen.

Die beiden Forscher zeigten anhand vieler Experimente, dass das selten zutrifft. Ihre gemeinsame Arbeit führte zu einer neuen Sicht auf wirtschaftliche Entscheidungen und legte den Grundstein für die spätere Verhaltensökonomie. Kahneman erhielt später den Wirtschaftsnobelpreis für diese Forschung.


Bedeutung und Grenzen heute

Die Prospect Theory gehört heute zu den wichtigsten Grundlagen der Verhaltensökonomie und prägt viele Bereiche der Finanzwelt.

Ihre Wirkung zeigt sich unter anderem bei:

  • der Gestaltung von Spar- und Vorsorgeprodukten, die Entscheidungsfehler berücksichtigen,
  • der Einschätzung von Anlegerverhalten in Krisen,
  • der Analyse von Marktphasen, in denen Emotionen Kursbewegungen verstärken.

Gleichzeitig gibt es Grenzen:

  • Die Theorie erklärt Verhalten, sagt aber nicht immer zuverlässig vorher, wie Menschen sich in komplexen Situationen verhalten.
  • Sie betrachtet einzelne Entscheidungen – ganze Marktprozesse sind deutlich vielschichtiger.
  • Nicht jeder Mensch reagiert gleich; Erfahrung, Wissen und Umfeld beeinflussen Entscheidungen.

Trotzdem bleibt ein zentraler Gedanke relevant: Wer seine eigenen Denkfehler kennt, kann bewusster handeln – und manche typischen Stolperfallen vermeiden.


Fazit und Merksätze

Die Prospect Theory beschreibt, wie Menschen Risiken und Chancen wahrnehmen – oft anders, als man nach rein logischen Überlegungen erwarten würde. Sie erklärt typische Verhaltensmuster, die in Finanzentscheidungen eine große Rolle spielen. Gleichzeitig zeigt sie, dass Menschen nicht „irrational“ sind, sondern nach inneren Maßstäben handeln, die sich im Laufe der Zeit entwickelt haben.

Drei Merksätze:

  1. Verluste wiegen psychologisch stärker als Gewinne – und beeinflussen Entscheidungen stärker als Zahlen.
  2. Menschen verzerren Wahrscheinlichkeiten und hängen an Bezugspunkten, die nichts über den tatsächlichen Wert aussagen.
  3. Wer diese Muster kennt, kann bewusster entscheiden und emotionale Kurzschlüsse vermeiden.

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