Selbst Kreditverlängerungen werden zum Problem Die neuen Bonitätsregeln
Die Bauzinsen bewegen sich auf historisch niedrigem Niveau und die EZB flutet die Märkte weiter mit Geld, um die Kreditvergabe zu stimulieren. In solchen Zeiten sollte es kein Problem sein, einen Baukredit zu erhalten. Doch die Realität sieht etwas anders aus. Tatsächlich stoßen Kreditinteressenten, die sich eine Baufinanzierung wünschen, in letzter Zeit verstärkt auf Schwierigkeiten. Selbst Kreditverlängerungen können zum Problem werden.
Das hat einen Grund. Er heißt: EU-Richtlinie über Wohnimmobilienkreditverträge. Dieses Regelwerk ist bereits 2014 im EU-Amtsblatt veröffentlicht worden. Bis zum 21. März 2016 hatten die Mitgliedsstaaten Zeit, die Vorgaben umzusetzen. In Deutschland ist das pünktlich mit einem Gesetz erfolgt. Seither gelten neue Regeln für die Kreditvergabe, die den Banken zusätzliche Fesseln anlegen.
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Verbraucher sollen besser geschützt werden
Die EU-Richtlinie will den Verbraucherschutz verbessern. Insbesondere sollen Verbraucher künftig vor "wackeligen" Baufinanzierungen besser geschützt werden. Damit sind Finanzierungen gemeint, die bis an die Belastungsgrenze führen und bei unvorhergesehenen Ereignissen schnell in Schieflage zu geraten drohen. Dem EU-Gesetzgeber standen dabei wohl die geplatzten Immobilienblasen in einigen südeuropäischen Ländern vor Augen, die ihre Ursache unter anderem in der oft leichtfertigen Kreditvergabe von Banken hatte.
Die Regeln treffen in Deutschland auf die Kreditinstitute, die seit jeher auf Absicherung von Baufinanzierungen bedacht gewesen sind. Dies ist ein wesentlicher Grund, warum Baukredite als risikoarm gelten und daher zu günstigeren Konditionen angeboten werden als andere Kreditformen. Ausreichende Sicherheiten spielen auch bei den EU-Vorgaben eine Rolle, dennoch findet eine Schwerpunktverlagerung bei der Bonität statt. Die Banken müssen jetzt stärker als früher berücksichtigen, ob sich ein Kreditnehmer die Baufinanzierung auch tatsächlich leisten kann.
Kreditinteressenten stoßen in letzter Zeit verstärkt auf Schwierigkeiten."
Über das Ziel hinaus geschossen?
Dabei ist nicht nur der Status quo zum Zeitpunkt der Kreditaufnahme zu betrachten, die Bank muss auch auf mögliche künftige Entwicklungen und alternative Zinsszenarien achten. Inwieweit eine solche "Prognose" wirklich realistisch und zielführend ist, mag dahin gestellt sein. Sie zwingt die Banken auf jeden Fall zu mehr Recherchen im Vorfeld der Kreditvergabe und zu verstärkter Vorsicht. Die Sicherheiten müssen bei dieser Prüfung außer Acht gelassen werden, ebenso Ersatzsicherheiten wie Bürgschaften oder Verpfändungen aus dem Familienkreis. Eine Bank, die nicht die erforderliche "Sorgfalt" bei der Kreditbeurteilung nachweisen kann, gefährdet ihre Ansprüche, wenn es zu Zahlungsstörungen kommt. Dass die Institute sich jetzt bei mancher Kreditvergabe zurückhaltender zeigen als früher, überrascht vor diesem Hintergrund kaum.
Noch ist es vielleicht zu früh, eine Bewertung der Auswirkungen der EU-Richtlinie vorzunehmen. Dass die Vorgaben tatsächlich zu mehr Verbraucherschutz führen, daran gibt es allerdings bereits jetzt erhebliche Zweifel.
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