Finanzlexikon Dogs of the Dow
Die Börsenwelt kennt viele Strategien, aber nur wenige sind so schlicht, traditionsreich und zugleich überraschend effektiv wie die sogenannte Dogs of the Dow-Strategie. Ihr Konzept ist einfach: Anleger investieren jeweils zu Jahresbeginn in die zehn dividendenstärksten Aktien des Dow Jones Industrial Average – und halten diese ein Jahr lang. Am Ende des Jahres wird das Portfolio überprüft und gegebenenfalls neu zusammengestellt.
Der Name „Dogs of the Dow“ stammt aus den USA und verweist augenzwinkernd auf die Idee, dass es sich bei den betreffenden Titeln um die „langweiligsten“ oder „abgeschlagensten“ Aktien im Index handelt – also um jene Unternehmen, die derzeit unbeliebt sind oder schwächer performt haben, aber dennoch solide Dividenden zahlen.
Die Strategie kombiniert Elemente des Value-Investing mit einem regelbasierten, emotionsfreien Auswahlverfahren – und erfreut sich unter disziplinierten Anlegern nach wie vor großer Beliebtheit.
Ursprung und Idee hinter der Strategie
Die Dogs-of-the-Dow-Strategie wurde in den 1990er-Jahren durch den US-amerikanischen Autor Michael O’Higgins populär gemacht. Sie geht davon aus, dass die dividendenstärksten Blue Chips des Dow Jones häufig unterbewertet sind, aber dennoch stabile Geschäftsmodelle besitzen und regelmäßig Dividende zahlen.
Die Logik dahinter ist einfach: Eine hohe Dividendenrendite entsteht entweder durch eine sehr großzügige Ausschüttungspolitik – oder durch einen deutlich gesunkenen Aktienkurs. Letzteres deutet oft auf eine gewisse Marktverunsicherung hin, nicht zwangsläufig aber auf eine strukturelle Schwäche des Unternehmens.
Wer nun in genau diese Aktien investiert, spekuliert darauf, dass sich die Marktwahrnehmung wieder normalisiert und der Titel überdurchschnittlich aufholt – bei gleichzeitig laufender Dividendenzahlung.
So funktioniert die Auswahl
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Die Umsetzung der Strategie ist unkompliziert, was sie besonders attraktiv für private Anleger macht. Jedes Jahr erfolgt die Selektion nach folgendem Schema:
- Man nimmt den aktuellen Dow Jones Industrial Average, bestehend aus 30 US-Schwergewichten.
- Aus diesem Index wählt man die zehn Titel mit der höchsten Dividendenrendite zum Jahreswechsel.
- In diese zehn „Dogs“ wird zu gleichen Teilen investiert.
- Nach einem Jahr erfolgt ein Rebalancing – die neuen zehn Titel werden übernommen, die alten abgestoßen.
Die Strategie funktioniert damit automatisch, regelbasiert und ohne subjektives Eingreifen. Ihre Einfachheit macht sie transparent und leicht nachvollziehbar – ein Vorteil gegenüber vielen komplexen Ansätzen mit schwer messbaren Auswahlkriterien.
Die Philosophie dahinter: Rückkehr zur Mitte
Zentrales Element der Strategie ist der sogenannte Mean Reversion-Effekt – die Annahme, dass sich unterbewertete oder schwache Aktien im Zeitverlauf wieder ihrem fairen Wert annähern.
Die Dogs sind typischerweise Unternehmen mit temporären Problemen oder aus der Mode geratenen Geschäftsmodellen, die dennoch solide Dividenden zahlen. Wer sie zum richtigen Zeitpunkt kauft, erwirbt Substanz zu einem vergleichsweise günstigen Preis – und profitiert sowohl von der Dividendenrendite als auch von möglichen Kurssteigerungen bei einer Normalisierung der Bewertung.
Es handelt sich also nicht um eine Spekulation auf schnelle Turnarounds, sondern um eine konservative Wette auf Erholung – getragen von Geschäftsmodellen, die durch ihre Dividendenfähigkeit ihre Resilienz bereits unter Beweis gestellt haben.
Chancen und Vorteile
Die Dogs-of-the-Dow-Strategie ist kein spektakulärer, aber ein solider und konsequenter Investmentansatz. Sie setzt auf Substanz, Disziplin und die Kraft der Rückkehr zur Normalität – Eigenschaften, die besonders in volatilen oder überbewerteten Märkten wertvoll sein können."
Die Dogs-of-the-Dow-Strategie hat in der Vergangenheit häufig eine vergleichbare oder sogar bessere Performance als der Gesamtindex erzielt – bei gleichzeitig geringerer Schwankung.
Ihre Stärken liegen in:
- Kosteneffizienz: Durch das jährliche Rebalancing entstehen nur geringe Handelskosten.
- Disziplin: Die feste Regel verhindert emotionale Fehler oder hektisches Umschichten.
- Dividendenfokus: Die Strategie liefert laufende Erträge, was sie besonders attraktiv für Einkommensinvestoren macht.
- Zugänglichkeit: Sie kann ohne Spezialwissen oder technische Analyse umgesetzt werden.
Auch psychologisch ist der Ansatz vorteilhaft: Anleger investieren gezielt in Titel, die vom Markt gemieden werden – und schulen damit eine antizyklische Haltung, die langfristig oft erfolgreicher ist als Trendfolge.
Kritik und Risiken
Trotz ihrer Beliebtheit ist die Dogs-of-the-Dow-Strategie nicht ohne Schwächen. Ihre Einfachheit kann auch zur Schwäche werden, wenn fundamentale Probleme einzelner Unternehmen nicht berücksichtigt werden.
Ein hoher Dividendenertrag kann ein Warnsignal sein – etwa wenn der Kurs stark gefallen ist, die Ausschüttung aber (noch) nicht gekürzt wurde. In solchen Fällen besteht das Risiko, in „Value Traps“ zu investieren – also in scheinbar günstige, tatsächlich aber strukturell schwache Unternehmen.
Zudem ist der Dow Jones Index selbst vergleichsweise eng gefasst und enthält nur 30 Aktien – schwerpunktmäßig aus dem Industrie- und Finanzsektor. Eine Diversifikation über Sektoren oder Länder hinweg ist mit dieser Strategie nicht gegeben.
Nicht zuletzt kann sich die Methode in Phasen stark wachstumsorientierter Märkte als zäh erweisen, da sie keine dynamischen Tech- oder Trendtitel bevorzugt, sondern eher etablierte Dividendenzahler mit moderatem Wachstum.
Fazit: Einfach, robust und beständig
Die Dogs-of-the-Dow-Strategie ist kein spektakulärer, aber ein solider und konsequenter Investmentansatz. Sie setzt auf Substanz, Disziplin und die Kraft der Rückkehr zur Normalität – Eigenschaften, die besonders in volatilen oder überbewerteten Märkten wertvoll sein können.
Für Anleger, die klare Regeln schätzen, gerne dividendenorientiert investieren und keine übermäßige Komplexität suchen, bietet die Strategie eine attraktive Ergänzung oder Grundlage eines US-lastigen Portfolios.
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