ESG braucht klare Fundamente

ESG-Expertin: ESMA-Leitlinien bekämpfen Greenwashing

Neue Maßstäbe für Transparenz und Glaubwürdigkeit nachhaltiger Fonds.

Die wachsende Nachfrage nach nachhaltigen Geldanlagen hat in den vergangenen Jahren zu einem regelrechten Boom sogenannter ESG-Fonds geführt. Doch mit der Dynamik kam auch die Kritik: Zu oft waren Produkte als „grün“, „nachhaltig“ oder „impactorientiert“ vermarktet, ohne dass eine klare inhaltliche Substanz erkennbar war. Die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) hat darauf reagiert – mit neuen Leitlinien, die Greenwashing erschweren und den Markt transparenter machen sollen.

Ophélie Mortier, Chief Sustainable Investment Officer bei Degroof Petercam Asset Management (DPAM), begrüßt diese Entwicklung ausdrücklich. Aus ihrer Sicht liefern die Leitlinien einen dringend notwendigen Ordnungsrahmen für ein Segment, das durch überzogene Marketingversprechen an Glaubwürdigkeit zu verlieren drohte.

Klare Vorgaben für klare Begriffe

Kern der ESMA-Leitlinien ist eine einfache, aber wirkungsvolle Forderung: Wenn ein Finanzprodukt mit ESG- oder Nachhaltigkeitsbegriffen im Namen auftritt, muss der inhaltliche Kern des Produkts auch diesem Anspruch gerecht werden.

Das betrifft sowohl die Investmentstrategie als auch die Kriterien zur Titelauswahl, das Engagement bei Unternehmen sowie die Berichtspflichten gegenüber Anlegern.

Begriffe wie „nachhaltig“, „ESG“, „grün“ oder „Impact“ sollen künftig nur dann verwendet werden dürfen, wenn der Fonds eine entsprechend strenge Methodik anwendet – und dies auch öffentlich nachvollziehbar dokumentiert.

Für viele Anbieter bedeutete dies in den vergangenen Monaten: Produktüberarbeitung, Umbenennung oder Rückstufung in eine weniger ambitionierte ESG-Kategorie.

Ophélie Mortier: ESG braucht klare Fundamente

Für Ophélie Mortier ist dieser Schritt längst überfällig. Sie verweist auf die Verantwortung der Branche, dem Vertrauensvorschuss nachhaltiger Anleger gerecht zu werden. Greenwashing untergrabe nicht nur das Vertrauen in einzelne Produkte, sondern schade der gesamten ESG-Bewegung. „Wenn der Markt nicht mehr unterscheiden kann, was ernst gemeint ist und was nicht, verlieren wir auf lange Sicht die Glaubwürdigkeit von nachhaltigem Investieren“, so Mortier.

DPAM zählt zu den Asset Managern, die früh eigene ESG-Richtlinien etabliert und ein internes Nachhaltigkeitskomitee aufgebaut haben. Die neuen Vorgaben der ESMA sieht Mortier daher weniger als Bürde denn als Bestätigung eines anspruchsvollen Selbstverständnisses.

Auswirkungen auf Fondslandschaft und Marktkommunikation

Die neuen ESMA-Leitlinien markieren einen entscheidenden Schritt hin zu mehr Ehrlichkeit und Klarheit im ESG-Investment. Für Anleger entsteht dadurch ein verlässlicheres Umfeld, in dem Begriffe wie „nachhaltig“ oder „Impact“ wieder Bedeutung gewinnen. Für Fondsanbieter ist es ein Signal, dass Nachhaltigkeit kein bloßes Marketingthema bleiben darf."

Die neuen Leitlinien haben konkrete Folgen für die Branche. Zahlreiche Fonds wurden in den vergangenen Monaten umbenannt, um Begriffe wie „nachhaltig“ oder „grün“ zu vermeiden, da sie die formalen Anforderungen nicht mehr erfüllen. Gleichzeitig intensivieren viele Häuser die ESG-Prüfung ihrer Portfolios und überarbeiten ihre internen Klassifizierungsmodelle.

Diese Neuausrichtung bringt laut Mortier nicht nur Klarheit für den Markt, sondern fördert auch einen Wettbewerb um Qualität. Fondsanbieter, die wirklich nachhaltige Ansätze verfolgen, erhalten nun ein regulatorisches Umfeld, das ihre Position stärkt und glaubwürdiger macht.

Herausforderung: Umsetzung mit Augenmaß

Trotz ihrer grundsätzlichen Zustimmung weist Mortier auf die Notwendigkeit hin, die Leitlinien mit Augenmaß umzusetzen. Denn nicht jeder Fonds, der ESG-Aspekte integriert, kann sofort alle formalen Schwellen überschreiten. Es brauche Raum für Entwicklungsprozesse, ohne sofort Sanktionen oder öffentliche Rücknahmen zu provozieren. Transparenz, nicht Strenge um der Strenge willen, müsse im Vordergrund stehen.

Wichtig sei zudem, zwischen verschiedenen Nachhaltigkeitsniveaus zu differenzieren – etwa zwischen ESG-Integration, Best-in-Class-Strategien und wirkungsorientierten Impact-Fonds. Die ESMA-Vorgaben könnten dabei helfen, diese Unterschiede künftig klarer zu kommunizieren.

Fazit: Weniger Etikett, mehr Substanz

Die neuen ESMA-Leitlinien markieren einen entscheidenden Schritt hin zu mehr Ehrlichkeit und Klarheit im ESG-Investment. Für Anleger entsteht dadurch ein verlässlicheres Umfeld, in dem Begriffe wie „nachhaltig“ oder „Impact“ wieder Bedeutung gewinnen. Für Fondsanbieter ist es ein Signal, dass Nachhaltigkeit kein bloßes Marketingthema bleiben darf.

Ophélie Mortier bringt es auf den Punkt: „Was als ESG verkauft wird, muss auch ESG sein – alles andere schadet der Sache.“ Die Branche steht vor der Chance, verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen. Nicht durch größere Versprechen, sondern durch belastbare Standards und ehrliche Kommunikation.

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