IFO-Präsident Prof. Sinn Europa funktioniert nicht
Im März 2016 wird Prof. Sinn, Präsident des IFO-Instituts und einer der bekanntesten deutschen Ökonomen, in den Ruhestand gehen.
Kurz vor dem Ende seiner Berufslaufbahn hat sich der gebürtige Westfale und Wahl-Münchener noch einmal zu den wirtschaftlichen Aussichten in Deutschland und Europa geäußert. Sein Resümee fällt dabei recht skeptisch aus, insbesondere was die Euro-Zone betrifft. Viele Probleme der europäischen Einheitswährung seien nach wie vor ungelöst und würden nur übertüncht. Dies sei ein Risiko für die an und für sich positiven Perspektiven der deutschen Wirtschaft.
Autorenbox (bitte nicht verändern)
Deutsche Ausgangsbasis und Aussichten positiv
Das IFO-Institut rechnet im nächsten Jahr mit einem Wirtschaftswachstum von 1,8 Prozent und ist damit sogar optimistischer als andere Konjunkturforschungs-Institute und die Bundesbank. Positiv wirkten vor allem der drastische Ölpreis-Verfall und der schwache Euro, so der Ökonom. Durch beide Faktoren verbessere sich die Wettbewerbsposition der heimischen Wirtschaft auf den internationalen Märkten nachhaltig. Der Export läuft dabei schon jetzt sehr gut. Dank der niedrigen Arbeitslosigkeit und höherer Löhne werde auch die deutsche Binnennachfrage sich weiter auf hohem Niveau bewegen. Die niedrigen Zinsen führten überdies zu einem Bauboom, der für die Binnenkonjunktur noch mehr Rückenwind bedeute.
Differenzierter fällt das Urteil zu den Auswirkungen des Flüchtlingsstroms aus. Hier sieht Prof. Sinn zwar einen kurzfristigen positiven Konjunktureffekt durch notwendige Staatsausgaben zur Integration der Neuankömmlinge. Dies gehe aber zu Lasten des Schuldenabbaus und werde später die finanziellen Spielräume entsprechend einschränken. In Europa sei niemand da, der Deutschland bei der Bewältigung von Schuldenproblemen helfen könne und der Schuldenstand sei mit 70 Prozent der Wirtschaftsleistung schon heute viel zu hoch. Die Flüchtlingskrise verschärfe die Situation zusätzlich.
Viele Probleme der europäischen Einheitswährung sind nach wie vor ungelöst und werden nur übertüncht."
Europa - ungelöste Probleme sind ein Risiko
Die größten Gefahren sieht der Präsident des IFO-Instituts aber in einer möglichen chinesischen Rezession und einer neuen Euro-Krise. Europa funktioniere mit der Gemeinschaftswährung nicht richtig. Die Geldpolitik der EZB trage dazu bei, dass Frankreich und die südeuropäischen Länder überfällige Strukturreformen verschleppten. Die Folgen seien eine chronische Krise und anhaltende Massenarbeitslosigkeit in diesen Euro-Staaten.
Über die reine ökonomische Wirkung hinaus befürchtet Prof. Hans-Werner Sinn eine wachsende Radikalisierung und ein Auseinanderdriften in Europa. Es seien vor allem diese politischen Unwägbarkeiten, die die Entwicklung in Deutschland und in der EU gefährden könnten. Prof. Sinn fordert vor diesem Hintergrund von seinen Kollegen mehr Mut, öffentlich Position zu beziehen und früh auf die langfristig, negativen Konsequenzen verfehlter Politikentscheidungen aufmerksam zu machen.