Gravierende Veränderungen Globalisierung auf dem Rückmarsch
Globalisierung war in den vergangenen Jahren eines der zentralen Themen in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens. Jetzt signalisieren sinkende Welthandelszahlen eine Trendwende. Stehen wir am Beginn einer neuen Ära?
Die Zahlen, die die Welthandelsorganisation (WHO) Ende September 2016 vorlegte, lassen aufhorchen. Während der Welthandel nach dem Ende des Kalten Krieges jedes Jahr durchschnittlich um 6 % wuchs, betrugen die jährlichen Zuwachsraten der Weltproduktion lediglich 3 %. Der Welthandel wuchs doppelt so schnell wie die Produktion. Mit der Krise des Finanzmarktes 2008/2009 begann ein schleichender Prozess, der von manchen Fachleute als Anfang der DE-Globalisierung gedeutet wird. Seit 2008 schwächt sich die Entwicklung des Welthandels zunehmend ab. Im Zeitraum zwischen 2012 und 2015 lagen die Zuwachsraten von Welthandel und Weltproduktion mit einem Wert von etwas mehr als 2 % annähernd auf gleichem Niveau. Mittlerweile entwickelt sich der Welthandel langsamer als die weltweite Produktion.
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Tendenz zu stärkerer Abgrenzung
Die nachlassende globale Handelstätigkeit ist nur ein Indiz für eine grundlegende Veränderung. Wer die Nachrichten verfolgt, beobachtet in vielen Ländern wachsenden Nationalismus und stärkeren Drang zur Abgrenzung. Ängste vor Überfremdung und ausländischer Konkurrenz wachsen. Im wirtschaftlichen Bereich wird der Trend zur De-Globalisierung durch die Entwicklung innovativer Technologien begünstigt. Es ist nicht mehr zwingend nötig, die Produktion immer weiter zu zentralisieren, um die Kosten weiter zu senken. Der 3D-Drucker ist ein Beispiel dafür, dass die Produkte in Zukunft direkt vor Ort produziert werden könnten. Fachleuten sehen nicht nur den Kostenvorteil, sondern gehen darüber hinaus davon aus, dass die dezentrale Fertigung beim Endverbraucher für mehr Vertrauen und Kundenzufriedenheit sorgen wird.
Auswirkungen der De-Globalisierung auf die Logistik
Die Digitalisierung leistet ebenfalls einen entscheidenden Beitrag zur wachsenden Dezentralisierung. Datenströme werden immer wichtiger, während die Bedeutung der Warenströme schwindet. Für einige Wirtschaftsbereiche hätte das weitreichende Konsequenzen. Sorgen leistungsfähige Rechner und künstliche Intelligenz für sinkende Produktionskosten, braucht bald niemand mehr in fernen Ländern mit niedrigem Lohnniveau eine verlängerte Werkbank. Heute transportieren riesige Containerschiffe Waren über die Ozeane. Je größer die Schiffe, desto niedriger die Transportkosten - dieser Zusammenhang sorgte für einen Gigantismus, der kaum Grenzen kannte.
Mittlerweile entwickelt sich der Welthandel langsamer als die weltweite Produktion."
Weitreichende Konsequenzen
Welche Auswirkungen diese Entwicklungen auf unser Leben haben könnten, lässt sich kaum ermessen. Länder wie Deutschland, deren Wirtschaft stark auf den Export ausgerichtet ist, wären von der De-Globalisierung besonders betroffen. Die Verhandlungen über die Freihandelsabkommen CETA und TTIP zeigen, dass viele Fragen noch offen sind und neu bewertet werden müssen. Doch die zunehmende Abschottung gegen Produkte aus anderen Ländern wird auch Auswirkungen auf die Freizügigkeit der Menschen haben.
Autor: Jürgen E. Nentwig, juergen.nentwig@gfmsnentwig.de