Mit dem Brexit hat Großbritannien einen historischen Schritt vollzogen, dessen Folgen noch immer sichtbar und spürbar sind

Schulden, Wachstum und die Rolle der City Großbritannien nach dem Brexit

Großbritannien nach dem Brexit zeigt ein zwiespältiges Bild.

Mit dem Brexit hat Großbritannien einen historischen Schritt vollzogen, dessen Folgen noch immer sichtbar und spürbar sind. Politisch ging es um Souveränität, wirtschaftlich um neue Chancen jenseits der EU. Doch die Realität ist nüchterner: schwaches Wachstum, wachsende Schulden und eine Finanzmetropole, die ihre Rolle im globalen Wettbewerb neu definieren muss. Mehr als drei Jahre nach dem endgültigen Austritt bleibt die Frage: Wo steht das Vereinigte Königreich wirtschaftlich – und wohin führt der Weg?

Schuldenlage unter Druck

Die britische Staatsverschuldung ist in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Ursachen sind nicht nur die Folgen des Brexit, sondern auch die Pandemie, umfangreiche Energiehilfen und die hohe Inflation, die zu kräftigen staatlichen Stützungsmaßnahmen führte.

Mittlerweile liegt die Verschuldung bei rund 100 % des Bruttoinlandsprodukts – ein Wert, der zwar unter dem von Frankreich oder Italien liegt, für Großbritannien aber eine historische Belastung darstellt. Hinzu kommt, dass die Zinslast gestiegen ist, da die Bank of England die Leitzinsen kräftig angehoben hat, um die Inflation zu bekämpfen. Damit fließt ein immer größerer Teil des Haushalts in die Schuldendienstkosten.

Wachstumsschwäche und strukturelle Probleme

Noch problematischer als die Schuldenlast ist die schwache wirtschaftliche Dynamik. Großbritannien hinkt im Wachstum seit Jahren hinter anderen Industrieländern zurück.

  • Der Brexit hat die Handelsbeziehungen zur EU, dem wichtigsten Partner, erschwert. Höhere Kosten, Bürokratie und Zollformalitäten bremsen Exporteure.
  • Produktivitätszuwächse bleiben seit der Finanzkrise niedrig.
  • Ein Fachkräftemangel, der durch verschärfte Einwanderungsregeln noch verstärkt wurde, belastet Unternehmen.

Die Folge ist eine anhaltende Stagnation: Das Land wächst, wenn überhaupt, nur in kleinen Schritten – zu wenig, um die Schuldenquote nachhaltig zu senken oder den Lebensstandard spürbar zu erhöhen.

Die Rolle der City of London

Ein Lichtblick bleibt die City of London, die traditionsreiche Finanzmetropole. Trotz Brexit hat sie ihre Stellung im globalen Finanzsystem behauptet. Zwar haben Banken und Finanzhäuser Teile ihres Geschäfts nach Frankfurt, Paris oder Dublin verlagert, doch London bleibt ein führender Standort für Devisenhandel, Versicherungen, Asset Management und internationale Finanzierung.

Der Grund liegt in der einzigartigen Kombination von Faktoren: englisches Recht, globale Netzwerke, Sprachvorteile und jahrzehntelange Erfahrung als Finanzdrehscheibe. Dennoch ist die City gefordert, ihre Attraktivität langfristig zu sichern. Der Wettbewerb nimmt zu – sowohl innerhalb Europas als auch mit asiatischen Finanzzentren.

Inflationsschock und Geldpolitik

Der Brexit war kein ökonomischer Befreiungsschlag, sondern eine Hypothek. Ob daraus ein dauerhafter Nachteil wird oder ein Anstoß zur Neuorientierung, hängt nun von politischen Entscheidungen und internationaler Wettbewerbsfähigkeit ab."

Ein zusätzlicher Belastungsfaktor der letzten Jahre war die hohe Inflation. Mit zweistelligen Teuerungsraten kämpfte Großbritannien zeitweise stärker als viele EU-Staaten. Die Bank of England reagierte mit massiven Zinserhöhungen. Das stabilisierte zwar die Währung und bremste die Preissteigerungen, verschärfte jedoch die Finanzierungsprobleme von Staat, Unternehmen und Haushalten.

Die Immobilienmärkte, auf die britische Haushalte traditionell stark setzen, leiden unter steigenden Hypothekenzinsen. Auch dies dämpft den Konsum und schwächt die Konjunktur.

Politische Unsicherheit

Hinzu kommt eine innenpolitische Instabilität, die das Vertrauen von Investoren belastet. Mehrere Regierungswechsel in kurzer Zeit, kontroverse Steuer- und Ausgabenpläne sowie fehlende klare Wachstumsstrategien lassen Zweifel an der Verlässlichkeit britischer Politik entstehen. Zwar hat die aktuelle Regierung eine stabilere Linie eingeschlagen, doch der Weg zu wirtschaftlicher Klarheit ist lang.

Perspektiven und Ausblick

Großbritannien steht an einem Scheideweg. Ohne eine Stärkung von Handel, Produktivität und Investitionen droht eine Phase dauerhafter Stagnation. Chancen liegen in Zukunftsbranchen wie grüner Energie, Biotechnologie und digitaler Wirtschaft. Auch die City kann weiterhin ein Motor bleiben, wenn sie ihre globale Rolle verteidigt.

Doch dafür braucht es eine konsistente Politik: eine klare Linie in Handelsfragen, eine pragmatische Einwanderungspolitik und Investitionen in Infrastruktur und Bildung. Nur so kann das Land im globalen Wettbewerb bestehen.

Fazit

Großbritannien nach dem Brexit zeigt ein zwiespältiges Bild.

  • Ja, die Schulden sind gestiegen und belasten die Haushalte.
  • Ja, das Wachstum ist schwach und strukturelle Probleme bremsen die Wirtschaft.
  • Aber nein, das Land ist nicht chancenlos. Mit seiner Finanzmetropole, seinem Innovationspotenzial und der richtigen Politik könnte es neue Stärke entwickeln.

Die Lehre lautet: Der Brexit war kein ökonomischer Befreiungsschlag, sondern eine Hypothek. Ob daraus ein dauerhafter Nachteil wird oder ein Anstoß zur Neuorientierung, hängt nun von politischen Entscheidungen und internationaler Wettbewerbsfähigkeit ab.

Kontakt zu mir

Hallo!
Schön, dass Sie mich kennenlernen möchten.