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Finanzlexikon Growth vs. Value – zwei Welten

Wie unterschiedliche Anlagestile Märkte prägen und Anlegerstrategien beeinflussen.

An den Kapitalmärkten existieren zahlreiche Klassifizierungen, mit denen Anleger Aktien in Kategorien einteilen. Eine der grundlegendsten und bis heute einflussreichsten Unterscheidungen ist jene zwischen Growth- und Value-Aktien. Beide Stile repräsentieren unterschiedliche Auffassungen davon, worin der langfristige Wert einer Aktie besteht – und wie man ihn erkennt. Während Growth-Investoren auf zukünftige Wachstumschancen setzen, fokussieren Value-Anleger sich auf eine möglichst günstige Bewertung im Verhältnis zur aktuellen Substanz. Beide Ansätze haben ihre Berechtigung – und ihre Eigenheiten.


Was kennzeichnet Growth-Aktien?

Growth-Aktien sind Unternehmen, die ein überdurchschnittliches Umsatz- und Gewinnwachstum aufweisen oder für die dies vom Markt erwartet wird.

Sie stammen häufig aus innovativen Branchen, treiben technologische oder gesellschaftliche Veränderungen voran und investieren massiv in ihre Expansion.

Typische Merkmale von Growth-Aktien:

  • Hohe Kurs-Gewinn-Verhältnisse (KGV), da viel zukünftiges Wachstum eingepreist ist.
  • Geringe oder keine Dividenden, da Gewinne reinvestiert werden.
  • Marktführerschaft, Disruption oder überdurchschnittliche Skalierbarkeit.
  • Oft starkes Kursmomentum in Wachstumsphasen.

Zu den prominenten Vertretern zählen Unternehmen aus der Tech-Branche, Biotechnologie, E-Commerce oder digitalen Plattformökonomien.


Was steckt hinter Value-Aktien?

Value-Aktien sind hingegen Unternehmen, deren aktueller Börsenwert als unterbewertet gilt – gemessen an Bilanzkennzahlen, Ertragskraft oder Substanz. Diese Unternehmen befinden sich oft in reiferen Branchen, haben stabile Geschäftsmodelle und zahlen regelmäßig Dividenden.

Typische Merkmale von Value-Aktien:

  • Niedrige Multiplikatoren wie KGV oder Kurs-Buchwert-Verhältnis.
  • Solide Bilanzen, positive Cashflows und oft konservatives Management.
  • Weniger wachstumsstark, aber ertragsstabil.
  • Häufig zyklische oder defensive Sektoren (z. B. Banken, Industrie, Energie).

Value-Investoren wie Benjamin Graham oder Warren Buffett suchen gezielt nach solchen Titeln mit „Sicherheitsmarge“ – also einer Lücke zwischen innerem Wert und Marktpreis.


Zyklisches Wechselspiel: Wann liegt welcher Stil vorn?

Die Entscheidung zwischen Growth und Value ist keine Frage der Überlegenheit, sondern der Passung. Beide Anlagestile haben ihre Stärken – aber auch ihre Phasen relativer Schwäche. Wer langfristig investiert, sollte sich nicht ideologisch auf einen Stil festlegen, sondern die konjunkturelle Lage, die eigene Risikoneigung und die Marktstruktur berücksichtigen."

Die beiden Anlagestile entwickeln sich nicht synchron. Ihre Performance hängt stark vom makroökonomischen Umfeld ab. In expansiven Marktphasen mit niedrigen Zinsen und hoher Risikofreude tendieren Anleger dazu, sich stark auf Wachstumswerte zu konzentrieren. In Phasen wirtschaftlicher Unsicherheit oder steigender Zinsen geraten diese Titel unter Druck – und Value-Titel mit stabilen Erträgen und attraktiver Bewertung rücken wieder in den Fokus.

Historisch betrachtet gibt es immer wieder längere Perioden, in denen einer der beiden Stile dominiert – gefolgt von einer Umkehr. So profitierten Growth-Aktien über viele Jahre hinweg von der lockeren Geldpolitik nach der Finanzkrise, während Value-Titel in der Zinswende ab 2022 eine Renaissance erlebten.


Behavioral-Komponente: Stil als Persönlichkeitsfrage

Neben der ökonomischen Betrachtung spielt auch die Psychologie eine Rolle. Growth-Investoren sind häufig visionär, optimistisch und innovationsgetrieben. Sie tolerieren hohe Bewertungen und Volatilität – in der Hoffnung auf künftige Gewinne. Value-Investoren dagegen sind analytisch, risikoscheu und diszipliniert. Sie sehen den Markt als fehlbar und setzen auf langfristige Rückkehr zum fairen Wert.

Diese unterschiedlichen Denkmuster führen nicht nur zu verschiedenen Portfolios, sondern auch zu unterschiedlichen Reaktionen in Stressphasen. Growth-Anleger erleben oft größere Kurseinbrüche, Value-Anleger hingegen brauchen häufig Geduld, bis sich Unterbewertungen auflösen.


Moderne Ansätze: Stilübergreifende Strategien

In der Praxis verschwimmen die Grenzen zwischen beiden Welten zunehmend. Viele Fondsmanager verfolgen heute sogenannte „Core“-Strategien, die Elemente beider Stile verbinden. Auch quantitative Ansätze nutzen Faktoren wie Momentum, Qualität oder Volatilität, um den klassischen Gegensatz aufzulösen.

Zudem gibt es Unternehmen, die sowohl Wachstums- als auch Value-Eigenschaften kombinieren: etwa durch technologische Innovation gepaart mit stabilen Cashflows oder attraktiven Bewertungen nach Kurskorrekturen.


Fazit: Kein Entweder-oder, sondern ein Sowohl-als-auch

Die Entscheidung zwischen Growth und Value ist keine Frage der Überlegenheit, sondern der Passung. Beide Anlagestile haben ihre Stärken – aber auch ihre Phasen relativer Schwäche. Wer langfristig investiert, sollte sich nicht ideologisch auf einen Stil festlegen, sondern die konjunkturelle Lage, die eigene Risikoneigung und die Marktstruktur berücksichtigen.

Ein bewusst gestalteter Mix aus wachstumsstarken Zukunftsunternehmen und unterbewerteten Qualitätswerten kann nicht nur die Renditechancen erhöhen, sondern auch die Resilienz des Portfolios verbessern.

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