Demokratien scheinen gefährdet wie nie zuvor

Ganz erhebliche Veränderungen Monopolisierung der Macht

Spätestens mit dem Ende der Sowjetunion und dem Zusammenbruch des Ostblocks schien auf der Welt ein Zeitalter der Demokratie angebrochen. Heute - nur drei Jahrzehnte später - stellt sich das Bild ganz anders dar. Demokratien scheinen gefährdet wie nie zuvor und zwar - was besonders verstörend ist - aus sich selbst heraus.

Donald Trump, Victor Orban, Recep Tayyip Erdogan, in gewisser Weise auch Wladimir Putin stehen für Politiker, die in mehr oder weniger freien Wahlen mit populistischen Programmen Mehrheiten erreicht haben, um anschließend ihre Macht mit fragwürdigen Methoden zu festigen und auszubauen - notfalls unter Einschränkung demokratischer Freiheiten. Irritierend dabei: die Machtkonzentration bewirkt keineswegs Widerstand, bei Neuwahlen siegen die Protagonisten wieder, nicht selten mit noch größerer Zustimmung.

Autorenbox (bitte nicht verändern)

Schon im 15. Jahrhundert: Diskurs über freiwillige Knechtschaft

Selbst so traditionsreiche und erfahrene Demokratien wie Großbritannien sind nicht vor diesem Virus gefeit. Das haben die Brexit-Vorgänge und die illegale Beurlaubung des Parlaments als jüngster Kulminationspunkt gezeigt. Immerhin darf man hier einigermaßen sicher sein, dass trotz aller Brexit-Zerrissenheit das politische System Britanniens nicht in Frage steht. Auch die USA werden mit Donald Trump nicht zur diktatorischen "Herrschaft des Unrechts". Bei anderen Staaten ist dies nicht so sicher.

Was veranlasst Wähler, sich - bildlich gesprochen - selbst die Schlinge um den Hals zu legen, an der sie stranguliert werden können? Das ist keineswegs eine Frage der Neuzeit. Bereits im 15. Jahrhundert hat sich der französische Richter Étienne de La Boétie - ein Freund des Moralphilosophen Montaigne - damit befasst. In seinem Traktat "Discours de la servitude volontaire" (deutsch: Abhandlung über die freiwillige Knechtschaft) beschreibt er die Mechanismen der freiwilligen Selbstunterwerfung eines Volkes unter seine Herrscher.

Das Volk lässt sich gerne mit "Spielen und Possen" verführen."

Stillschweigende Verweigerung gegen offensichtliche Unterdrückung

Es bedarf dazu keineswegs der Gewalt oder Unterdrückung. Für Boétie lässt sich das Volk gerne mit "Spielen und Possen" verführen, vor allem aber sind es "Korn, Wein und Geld" - also materielle Wohltaten -, mit denen populistische Herrscher sich Zustimmung erkaufen.

Ein Rezept, das nicht nur im 15. Jahrhundert, sondern offenbar auch heute funktioniert.

Allerdings glaubt Boétie nicht an dauerhaften Erfolg. Der Mensch sei nicht bereit, seine Freiheit für immer zu verkaufen. Und gegen offensichtliche Unterdrückung empfiehlt er "stillschweigende Verweigerung", heute vielleicht mit zivilem Ungehorsam übersetzt.

Kontakt zu mir

Hallo!
Schön, dass Sie mich kennenlernen möchten.