Finanzlexikon Nachschusspflicht: Hebel mit Risiko
In der Welt der Finanzanlagen gibt es Begriffe, die für Privatanleger auf den ersten Blick technisch oder abstrakt klingen – deren Bedeutung jedoch im Ernstfall weitreichende finanzielle Folgen haben kann. Einer dieser Begriffe ist die sogenannte Nachschusspflicht.
Wer mit Derivaten, Margin-Produkten oder gehebelten Finanzinstrumenten handelt, sollte wissen, was hinter dieser Verpflichtung steckt. Denn die Nachschusspflicht kann im ungünstigen Fall dazu führen, dass Verluste das eingesetzte Kapital übersteigen – und der Anleger mit zusätzlichem Geld haften muss.
Besonders im Zusammenhang mit spekulativen Produkten wie Futures, Optionen auf Margin-Basis oder CFDs (Contracts for Difference) spielt die Nachschusspflicht eine zentrale Rolle. Doch was bedeutet sie genau, wann tritt sie ein – und wie lässt sie sich vermeiden?
Was versteht man unter Nachschusspflicht?
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Die Nachschusspflicht ist eine vertragliche oder gesetzliche Verpflichtung, zusätzliches Kapital nachzuschießen, wenn der Wert einer Finanzposition unter eine bestimmte Grenze fällt.
Sie entsteht vor allem bei Finanzprodukten, bei denen mit Fremdkapital oder einem Hebel gearbeitet wird.
Anders ausgedrückt: Der Anleger eröffnet eine Position, für die er nur einen Bruchteil des tatsächlichen Volumens als Sicherheitsleistung – die sogenannte Margin – hinterlegt.
Verliert diese Position jedoch an Wert, reicht die Margin unter Umständen nicht mehr aus, um die potenziellen Verluste zu decken.
Dann verlangt der Broker oder die Bank einen Nachschuss, um die Position zu halten – oder sie wird automatisch geschlossen, oft mit deutlichem Verlust.
Beispielhafte Situationen:
- Ein Anleger spekuliert auf fallende Kurse mittels eines Short-Futures. Steigt der Markt jedoch, muss er für die Verlustausgleichszahlungen aufkommen – und kann zur Nachschusszahlung verpflichtet werden.
- Eine gehebelte Position im Devisenhandel gerät durch Kursbewegungen unter Druck. Die Margin reicht nicht mehr – es kommt zum Margin Call.
Wo die Nachschusspflicht besonders relevant ist
Die Nachschusspflicht spielt vor allem bei außerbörslichen Derivaten (OTC-Geschäfte) sowie bei börsengehandelten Futures und Optionen eine Rolle. Aber auch bei vermeintlich einfacheren Produkten wie CFDs war sie lange Zeit relevant – bis sie in vielen Ländern gesetzlich abgeschafft oder eingeschränkt wurde.
Besonders risikobehaftete Produkte mit möglicher Nachschusspflicht:
- Futures (z. B. auf Rohstoffe, Aktienindizes, Währungen).
- Optionen mit ungedeckten Positionen („naked puts“ oder „short calls“).
- CFDs – insbesondere in Märkten ohne Regulierung.
- Devisenhandel (Forex), wenn auf Margin gehandelt wird.
In diesen Produkten genügt oft ein kleiner Kursrutsch, um große Verluste auszulösen, die über das eingesetzte Kapital hinausgehen. Die Nachschusspflicht ist dann kein theoretisches Risiko, sondern eine unmittelbare finanzielle Belastung.
Rechtlicher Rahmen: Was sagt der Gesetzgeber?
In Deutschland hat sich der gesetzliche Rahmen in den letzten Jahren deutlich verändert. Nach zahlreichen Skandalen und Verlustfällen bei Privatanlegern – insbesondere im CFD-Handel – hat die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) im Jahr 2017 eine wichtige Entscheidung getroffen:
Die Nachschusspflicht für Kleinanleger im CFD-Handel wurde verboten. Seither dürfen Broker in Deutschland beim CFD-Handel mit Privatkunden keine Nachschüsse mehr fordern – Verluste sind auf das eingesetzte Kapital begrenzt.
Für institutionelle Anleger, professionelle Kunden oder bei bestimmten Terminbörsengeschäften gilt diese Regelung nicht. Dort können Nachschusspflichten weiterhin rechtlich zulässig und durchsetzbar sein.
Risiken und Konsequenzen für Anleger
Die Nachschusspflicht ist eines der größten – und oft unterschätzten – Risiken im Finanzhandel. Während gehebelte Produkte attraktive Chancen auf überdurchschnittliche Gewinne bieten, können sie im schlimmsten Fall zu existenzbedrohenden Verlusten führen."
Die größte Gefahr bei Produkten mit Nachschusspflicht liegt in der schnellen Eskalation von Verlusten. Wer den Kursverlauf nicht eng überwacht oder Marktbewegungen falsch einschätzt, kann binnen Stunden in eine Situation geraten, in der weitere Geldmittel gefordert werden – und das unabhängig vom ursprünglichen Kapitaleinsatz.
Konkrete Risiken:
- Margin Calls: Der Broker fordert eine Aufstockung der Sicherheitsleistung – oft kurzfristig und mit engen Fristen.
- Zwangsliquidationen: Wird kein Nachschuss geleistet, kann der Broker die Position automatisch schließen – meist zum Nachteil des Kunden.
- Schuldenrisiko: In Extremfällen kann die Nachschusspflicht dazu führen, dass Anleger Schulden gegenüber dem Broker oder der Bank aufbauen, die rechtlich durchgesetzt werden können.
- Unvorhersehbare Marktbewegungen: Plötzliche Ereignisse („Black Swans“) können selbst gut geplante Positionen unkontrollierbar machen.
Daher gilt: Produkte mit Nachschusspflicht sind für unerfahrene Anleger ungeeignet. Sie gehören ausschließlich in die Hände von Marktteilnehmern, die die Mechanismen verstehen und über ausreichende Liquiditätsreserven verfügen.
Wie sich Anleger schützen können
Anleger, die dennoch mit Hebelprodukten arbeiten möchten, sollten sich aktiv vor den Risiken der Nachschusspflicht schützen – etwa durch:
- Wahl eines Brokers mit Verzicht auf Nachschusspflicht (besonders bei CFDs oder Forex).
- Einsatz von Stop-Loss-Orders, um Verluste frühzeitig zu begrenzen.
- Begrenzung der Hebelwirkung – je geringer der Hebel, desto geringer das Risiko.
- Verwendung von Optionsstrategien mit begrenztem Risiko (z. B. Covered Calls statt Naked Puts).
- Kontinuierliches Risikomanagement und Kapitaldisziplin.
Wer in Hebelprodukte investiert, sollte sich stets fragen: Wie viel kann ich maximal verlieren – und bin ich bereit und in der Lage, das zu tragen?
Fazit: Die Nachschusspflicht – ein Hebel mit doppelter Klinge
Die Nachschusspflicht ist eines der größten – und oft unterschätzten – Risiken im Finanzhandel. Während gehebelte Produkte attraktive Chancen auf überdurchschnittliche Gewinne bieten, können sie im schlimmsten Fall zu existenzbedrohenden Verlusten führen.
Wer in solche Instrumente investiert, sollte die Mechanik der Nachschusspflicht vollständig verstehen, sein persönliches Risiko begrenzen und auf Transparenz bei den Anbietern achten. Für die meisten Privatanleger gilt: Besser auf Produkte setzen, bei denen Verluste auf das eingesetzte Kapital begrenzt sind – denn die Nachschusspflicht ist kein abstraktes Konzept, sondern ein konkretes Risiko. Und eines, das im Ernstfall teuer werden kann.

Ich glaube, dass Menschen, die sich ihrer Ziele und Werte bewusst werden, sorgenfreier leben.