Hoch soll er leben, aber nicht zu hoch Schweizer Franken
Der Schweizer Franken feiert im Jahr 2025 ein bemerkenswertes Jubiläum: 175 Jahre ist es her, dass er als einheitliche Währung in der Schweiz eingeführt wurde – ein Symbol der ökonomischen Souveränität, der Stabilität und des Vertrauens. In einer Welt, in der Währungen oft unter politischen und wirtschaftlichen Erschütterungen leiden, hat der Franken über Generationen hinweg eine Sonderstellung behauptet. Er gilt als sicherer Hafen in Krisenzeiten, als Hort der Verlässlichkeit in turbulenten Märkten – ein Ruf, der bis heute anhält.
Doch ausgerechnet in diesem Jubiläumsjahr schlägt die Bewunderung in Sorge um. Der Franken ist stark – vielleicht zu stark. Sein Höhenflug gegenüber Euro, Dollar und anderen Leitwährungen sorgt nicht nur für Applaus, sondern auch für Stirnrunzeln. Die Schweizerische Nationalbank (SNB) signalisiert zunehmend Unruhe angesichts der rasanten Aufwertung. Ihre Warnungen werden deutlicher, ihr Ton entschlossener. Sie droht nun offen mit direkten Interventionen am Devisenmarkt, sollte sich der Trend verschärfen.
Die Kehrseite der Stärke
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Die Stärke des Frankens basiert auf einer Kombination aus strukturellen Faktoren und geopolitischer Unsicherheit. Zum einen ist die Schweizer Volkswirtschaft nach wie vor hoch wettbewerbsfähig, mit starker Industrie, geringer Verschuldung und einem exzellenten Bildungssystem. Zum anderen hat sich die Schweiz politisch und wirtschaftlich seit Jahrzehnten als stabiler, neutraler Standort etabliert – Eigenschaften, die in krisenhaften Zeiten besonders begehrt sind.
Doch gerade diese Stärke zieht Kapital an, das eine Aufwertung befeuert, die zunehmend zur Last wird. Für Schweizer Exporteure bedeutet der starke Franken erhebliche Nachteile: Ihre Produkte werden im Ausland teurer, ihre Margen sinken. Auch der Tourismussektor leidet, da Urlaub in der Schweiz für viele internationale Gäste zunehmend unerschwinglich wird.
Hinzu kommt ein weiterer, oft übersehener Aspekt: Der Franken wird in vielen Portfolios weltweit als „Fluchtwährung“ gehalten. Das bedeutet, dass selbst moderate geopolitische oder wirtschaftliche Spannungen – etwa im Nahen Osten, in Osteuropa oder in den USA – zu abrupten Kapitalzuflüssen in den Franken führen können. Diese externe Nachfrage lässt sich nur schwer steuern, sie folgt keiner schweizerischen Logik, sondern globalen Ängsten.
Die SNB im Dilemma
Die Schweizerische Nationalbank steht nun vor einem altbekannten, aber besonders zugespitzten Dilemma: Wie lässt sich die Währung stabil halten, ohne die geldpolitische Glaubwürdigkeit zu gefährden? Denn zu starke Interventionen am Devisenmarkt können das Vertrauen der Märkte ebenso untergraben wie völlige Untätigkeit.
Thomas Jordan, Präsident der SNB, hat in jüngsten Äußerungen deutlich gemacht, dass man die weitere Aufwertung nicht tatenlos hinnehmen werde. Zwar wolle man „keine Kursziele definieren“, doch seien „signifikante Marktverzerrungen nicht tolerabel“. Zwischen den Zeilen ist das eine klare Ankündigung: Sollte der Franken weiter klettern, wird die Nationalbank eingreifen.
Dabei stehen der SNB mehrere Instrumente zur Verfügung:
- Direkte Devisenmarktinterventionen, etwa durch den Ankauf von Fremdwährungen gegen Franken.
- Negativzinsen, um die Attraktivität von Franken-Anlagen zu dämpfen – auch wenn dies nach der Abkehr von negativen Leitzinsen 2022 politisch wie wirtschaftlich problematisch wäre.
- Kommunikative Intervention, um mit gezielten Aussagen die Erwartungen der Märkte zu beeinflussen.
Doch alle Maßnahmen haben ihren Preis – sei es durch eine Aufblähung der Bilanz, durch potenzielle Verluste bei Währungsreserven oder durch negative Wirkungen auf den heimischen Finanzmarkt.
Ein historisch aufgeladener Moment
Der Schweizer Franken mag 175 Jahre alt sein – aber alt ist er nicht. Seine Rolle als stabiler Anker in einer fragilen Welt bleibt aktuell, ja wird durch globale Verwerfungen sogar gestärkt. Doch Stabilität ist kein Naturzustand, sondern das Ergebnis aktiver Politik, vorausschauender Maßnahmen und kluger Kommunikation."
Dass ausgerechnet im Jubiläumsjahr die Diskussion über einen „zu starken“ Franken wieder Fahrt aufnimmt, ist symbolisch. Die Einführung des Frankens im Jahr 1850 markierte den Beginn einer neuen Ära für das föderal strukturierte Land. Die einheitliche Währung schuf Vertrauen und war Grundlage für wirtschaftlichen Aufschwung und politische Integration. Seither ist der Franken – trotz Kriegen, Krisen und globaler Umwälzungen – eine Konstante geblieben.
In der historischen Betrachtung wurde der Franken in den letzten Jahrzehnten regelmäßig zur Herausforderung für die Notenbank. Man denke an die Einführung des Euro und die Phase des Mindestkurses von 1,20 CHF/EUR, den die SNB im Januar 2015 überraschend aufhob – ein Schritt, der internationale Märkte erschütterte. Auch heute wirkt dieses Ereignis nach: Die Nationalbank handelt vorsichtiger, kommuniziert differenzierter, und versucht, Überraschungseffekte zu vermeiden.
Ein Balanceakt mit begrenztem Handlungsspielraum
Die aktuelle Lage ist delikat: Die Schweiz profitiert zwar von einer starken Währung, etwa durch stabile Importe und geringe Inflation. Gleichzeitig droht ein übermäßiger Aufwertungsdruck die Wettbewerbsfähigkeit zu untergraben. Die SNB muss daher einen Balanceakt vollführen, bei dem sie weder als passiver Zuschauer noch als allmächtiger Marktakteur erscheinen darf.
Die Märkte beobachten jedes Wort, jede Bewegung mit Argusaugen. Denn in Zeiten hoher Unsicherheit – sei es durch Konflikte, Handelsstreitigkeiten oder geldpolitische Wendepunkte in den USA und der EU – kann sich der Franken schnell zur Schlüsselfigur auf den globalen Devisenmärkten entwickeln. Die Schweiz, so klein sie auch ist, trägt in solchen Momenten Verantwortung für Stabilität über ihre Grenzen hinaus.
Fazit: Stabilität bleibt ein aktiver Prozess
Der Schweizer Franken mag 175 Jahre alt sein – aber alt ist er nicht. Seine Rolle als stabiler Anker in einer fragilen Welt bleibt aktuell, ja wird durch globale Verwerfungen sogar gestärkt. Doch Stabilität ist kein Naturzustand, sondern das Ergebnis aktiver Politik, vorausschauender Maßnahmen und kluger Kommunikation.
Die SNB hat diese Herausforderung erkannt. Ob sie ihr auch gerecht wird, wird sich in den kommenden Monaten zeigen – wenn es darum geht, den Höhenflug des Franken zu feiern, aber zugleich zu bremsen. Hoch soll er leben, ja – aber nicht zu hoch.

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