Finanzlexikon Small Caps: Size-Strategie
Die Size-Strategie zählt zu den bewährten Ansätzen im Faktor-Investing. Sie beruht auf der Erkenntnis, dass Aktien kleinerer Unternehmen – sogenannte Small Caps – langfristig eine höhere durchschnittliche Rendite erzielen als jene größerer, etablierter Konzerne (Large Caps). Diese sogenannte Größenprämie wurde erstmals in den 1980er-Jahren systematisch beschrieben und seither von zahlreichen Studien weltweit bestätigt.
Die Grundidee: Kleinere Unternehmen sind dynamischer, flexibler und innovativer. Sie wachsen oft schneller, reagieren sensibler auf Veränderungen in Märkten und Technologien und eröffnen Investoren überdurchschnittliches Potenzial, insbesondere in frühen Wachstumsphasen. Gleichzeitig sind sie weniger im Fokus institutioneller Anleger – was zu Bewertungsdiskrepanzen führen kann, die sich nutzen lassen.
Ursprung und theoretische Basis der Size-Prämie
Die Size-Strategie wurde wissenschaftlich maßgeblich durch die Arbeiten von Eugene Fama und Kenneth French begründet. In ihrem Drei-Faktoren-Modell integrierten sie neben dem Markt- und dem Value-Faktor auch die Unternehmensgröße als eigenständige Renditequelle. Sie zeigten, dass Aktien mit niedriger Marktkapitalisierung tendenziell besser abschneiden als Titel mit großer Börsenbewertung – bei gleichzeitig höherem Risiko.
Die Erklärung dafür liegt in mehreren strukturellen Unterschieden: Small Caps haben oft geringere Marktdurchdringung, weniger Analystenbeobachtung und begrenzten Zugang zu Kapital. Wer hier investiert, trägt also ein höheres Risiko – wird aber im Durchschnitt auch besser entlohnt. Die Size-Prämie ist damit eine klassische Risikoprämie, eingebettet in ein rationales Markterklärungsmodell.
Charakteristika von Small Caps
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Unternehmen mit geringer Marktkapitalisierung – je nach Definition unter 2 oder 5 Milliarden Euro – unterscheiden sich von Großunternehmen in mehrfacher Hinsicht. Sie sind oft regional verwurzelt, inhabergeführt oder fokussiert auf Marktnischen. Ihre Strukturen sind schlanker, ihre Entscheidungswege kürzer, und ihre Innovationskraft ist häufig ausgeprägter.
Typische Merkmale erfolgreicher Small-Cap-Unternehmen sind:
- Überdurchschnittliches Umsatz- und Gewinnwachstum.
- Hohe Flexibilität bei Geschäftsmodellen und Reaktionsgeschwindigkeit.
- Geringe Bekanntheit bei institutionellen Investoren.
- Konzentration auf spezifische Branchen, Nischen oder technologische Spezialfelder.
Gerade in diesen Merkmalen liegt das Potenzial für überdurchschnittliche Kursentwicklungen – besonders, wenn das Unternehmen aus dem Schatten heraustritt und in neue Größenklassen aufsteigt.
Chancen und Vorteile der Size-Strategie
Wer in kleine und mittelgroße Unternehmen investiert, kann von mehreren Faktoren gleichzeitig profitieren. Zum einen bietet sich die Chance auf frühen Einstieg in dynamisch wachsende Geschäftsmodelle, zum anderen gibt es Bewertungsnischen, die weniger stark beachtet und daher ineffizienter sind als die Märkte für Großunternehmen.
Einige Vorteile im Überblick:
- Zugang zu Unternehmen mit überdurchschnittlichem Wachstumspotenzial.
- Höhere Markteffizienz bei Large Caps führt zu weniger Renditechancen – bei Small Caps existieren häufiger Bewertungsfehler.
- Historisch belegte Outperformance in langfristigen Vergleichszeiträumen.
- Bessere Diversifikation im Portfolio durch Einbezug neuer Sektoren und Regionen.
Tatsächlich sind viele der heutigen Blue Chips – etwa Apple, Amazon oder SAP – einst als Small Caps gestartet. Anleger, die frühzeitig eingestiegen sind, konnten außergewöhnliche Renditen erzielen.
Risiken und Herausforderungen
Die Investition in kleinere Unternehmen ist kein Nischenthema, sondern eine fundierte Strategie mit klarem Mehrwert. Sie erfordert Risikobereitschaft, Geduld und ein gewisses Maß an Toleranz für Volatilität – wird aber langfristig oft mit einer attraktiven Renditeprämie belohnt."
Die Size-Strategie ist kein Selbstläufer und bringt spezifische Risiken mit sich. Small Caps sind anfälliger für wirtschaftliche Abschwünge, da sie seltener auf stabile Cashflows oder breite Kapitalzugänge zurückgreifen können. Auch ihre Abhängigkeit von wenigen Produkten, Kunden oder Märkten kann problematisch sein.
Zudem ist die Liquidität geringer: Aktien kleiner Unternehmen weisen oft niedrigere Handelsvolumina auf, was zu höheren Spreads, Preisschwankungen und schlechterer Handelbarkeit in Krisenzeiten führen kann. Auch die Informationslage ist dünner – viele Unternehmen publizieren weniger, werden von weniger Analysten beobachtet und sind schwerer einzuschätzen.
Ein weiteres Problem liegt im Timing: Die Size-Prämie ist nicht dauerhaft gleich stark ausgeprägt, sondern unterliegt zyklischen Schwankungen. In Phasen starker Unsicherheit oder rezessiver Tendenzen fließt Kapital häufig zurück in große, liquide Werte.
Umsetzung im Portfolio: Einzelwerte oder ETF?
Die Size-Strategie kann aktiv über gezielte Auswahl von Einzelwerten oder passiv über Small-Cap-ETFs umgesetzt werden. Wer aktiv investiert, braucht Zeit, Wissen und Zugang zu Unternehmensinformationen – und muss bereit sein, sich mit kleineren Firmen intensiv auseinanderzusetzen.
Für viele Privatanleger bietet sich daher eine ETF-Lösung an. Zahlreiche Anbieter stellen regionale oder globale Small-Cap-Indizes zur Verfügung, mit breiter Streuung und geringem Verwaltungsaufwand. Auch Multifaktor-Strategien kombinieren die Size-Komponente häufig mit Value, Momentum oder Quality, um eine ausgewogenere Risikostruktur zu erreichen.
Wichtig ist, Small Caps nicht als Ersatz für große Unternehmen zu sehen, sondern als ergänzenden Baustein zur Renditesteigerung und Diversifikation. Die Beimischung sollte bewusst erfolgen – und an die eigene Risikotoleranz angepasst sein.
Fazit: Die Size-Strategie als aktiver Renditebaustein
Die Investition in kleinere Unternehmen ist kein Nischenthema, sondern eine fundierte Strategie mit klarem Mehrwert. Sie erfordert Risikobereitschaft, Geduld und ein gewisses Maß an Toleranz für Volatilität – wird aber langfristig oft mit einer attraktiven Renditeprämie belohnt.
Wer die Size-Strategie intelligent in sein Portfolio integriert, kann nicht nur von langfristigen Wachstumstrends profitieren, sondern auch an unterbewerteten Marktsegmenten partizipieren, die institutionelle Investoren oft meiden. Damit wird Unternehmensgröße nicht nur zur Kennzahl – sondern zum strategischen Erfolgsfaktor.
Erst der Mensch, dann das Geschäft