Der vollständige Verlust eines Aktieninvestments war in den letzten Jahren steuerlich nur sehr eingeschränkt nutzbar

Was Anleger jetzt verrechnen dürfen Totalverluste aus Aktien

Der vollständige Verlust eines Aktieninvestments – etwa durch Insolvenz oder Löschung eines Unternehmens von der Börse – ist für Anleger nicht nur finanziell schmerzhaft, sondern war in den letzten Jahren auch steuerlich nur sehr eingeschränkt nutzbar.

Seit 2020 galten für sogenannte Totalverluste strenge Obergrenzen bei der Verrechnung mit Gewinnen aus Kapitalvermögen. Mit dem Jahressteuergesetz 2024 und einem begleitenden Schreiben des Bundesfinanzministeriums (BMF) ergeben sich nun neue Spielräume. Für betroffene Anleger bedeutet das eine wichtige Klarstellung und in vielen Fällen eine Verbesserung der steuerlichen Verwertbarkeit solcher Verluste.

Bisherige Regelung: Pauschale Verlustdeckelung seit 2020

Mit Wirkung zum 1. Januar 2020 hatte der Gesetzgeber die Abzugsfähigkeit bestimmter Verluste aus Kapitalvermögen – insbesondere aus wertlos gewordenen Aktien, Anleihen oder Zertifikaten – auf maximal 20.000 Euro pro Jahr begrenzt.

Betroffen waren insbesondere sogenannte „ausfallbedingte Verluste“ aus Finanzinstrumenten, bei denen kein Verkauf mehr stattfindet, sondern der vollständige Verlust des eingesetzten Kapitals eintritt.

Die Einschränkung war Teil einer umfassenden Reform, mit der der Gesetzgeber auf missbräuchliche Verlustverrechnungsmuster reagieren wollte.

Für Privatanleger hatte sie allerdings teils gravierende Folgen: Selbst dann, wenn der Totalverlust wirtschaftlich eindeutig war, konnten Verluste nur in begrenztem Umfang mit künftigen Gewinnen – etwa aus Derivaten, Anleihen oder anderen Aktien – verrechnet werden.

Darüber hinausgehende Beträge mussten in Folgejahre vorgetragen werden, was die Steuerplanung erheblich erschwerte.

Jahressteuergesetz 2024: Präzisierungen und Ausweitung der Verrechenbarkeit

Mit dem Jahressteuergesetz 2024 wird nun an mehreren Stellen nachgebessert. Die wesentliche Neuerung besteht darin, dass bestimmte Totalverluste aus Aktien nun wieder als „normale“ Verluste im Sinne des § 20 EStG behandelt werden dürfen – vorausgesetzt, sie erfüllen klar definierte Voraussetzungen. Das bedeutet konkret: Unter bestimmten Bedingungen ist keine Anwendung der Verlustverrechnungsbeschränkung auf 20.000 Euro mehr erforderlich.

Zugleich wird auch der Begriff des „wertlos gewordenen Wirtschaftsguts“ gesetzlich präzisiert. Entscheidendes Kriterium ist nun die endgültige Unveräußerbarkeit des Papiers, etwa infolge der Löschung aus dem Depot, einer endgültigen Ausbuchung durch die Depotbank oder eines rechtskräftigen Insolvenzverfahrens mit abgeschlossener Schlussverteilung.

In diesen Fällen erkennt das BMF den vollständigen Verlust der Anschaffungskosten als steuerlich verwertbar an, sofern die allgemeinen Voraussetzungen der Einkünfte aus Kapitalvermögen erfüllt sind.

Neue Orientierung durch das BMF-Schreiben

Parallel zum Gesetz hat das Bundesfinanzministerium ein Schreiben veröffentlicht, das praxisnahe Kriterien für die Verlustverrechnung nennt. Es konkretisiert, unter welchen Bedingungen eine steuerliche Anerkennung erfolgen kann, und verweist dabei insbesondere auf folgende Punkte:

  • Eine nachweisbare vollständige Ausbuchung des Wertpapiers durch die Bank muss erfolgt sein.
  • Es darf keine Aussicht auf einen zukünftigen Verkaufserlös mehr bestehen.
  • Die Wertlosigkeit muss wirtschaftlich dauerhaft und endgültig sein.

Diese Klarstellungen bieten Anlegern und Steuerberatern künftig eine bessere Grundlage, um Totalverluste steuerlich geltend zu machen – insbesondere bei insolventen Emittenten oder bei nicht mehr handelbaren Titeln aus ehemaligen Emerging Markets oder Nebenwerten.

Weiterhin Begrenzung bei bestimmten Derivaten und Forderungsausfällen

Mit dem Jahressteuergesetz 2024 und dem begleitenden Schreiben des Bundesfinanzministeriums reagiert der Gesetzgeber auf die Kritik der letzten Jahre und schafft neue Klarheit für die steuerliche Behandlung von Totalverlusten aus Aktien. Zwar bleiben bestimmte Beschränkungen bestehen, doch für viele Privatanleger eröffnen sich nun neue Wege zur Verlustverrechnung. Entscheidend bleibt die sorgfältige Dokumentation der Wertlosigkeit und die richtige steuerliche Einordnung."

Unverändert bleibt die Verlustverrechnungsbeschränkung allerdings bei bestimmten anderen Kapitalinstrumenten bestehen – insbesondere bei Termingeschäften oder Forderungsausfällen aus Nachrangdarlehen. Hier gilt nach wie vor die jährliche Obergrenze von 20.000 Euro, wobei ein nicht genutzter Verlustvortrag in Folgejahre übernommen werden kann.

Anleger müssen daher weiterhin differenzieren, welcher Art der Verlust ist, und ob es sich um ein klassisches Aktieninvestment oder ein komplexeres Finanzinstrument handelt. Die steuerliche Einstufung ist entscheidend für die Frage, ob eine volle Verrechenbarkeit vorliegt oder ob die gesetzliche Obergrenze greift.

Bedeutung für Anleger und Steuerpraxis

Für Privatanleger, die in den letzten Jahren schmerzhafte Totalverluste erlitten haben – etwa durch insolvente Technologieunternehmen, gescheiterte Start-ups oder dubiose Börsengänge – ist die Neuregelung ein wichtiges Signal. Auch wenn sich der wirtschaftliche Schaden nicht rückgängig machen lässt, eröffnet sich nun zumindest die Möglichkeit, den Verlust steuerlich vollständig zu kompensieren, sofern er nachweisbar und rechtlich sauber dokumentiert ist.

Die Depotbanken sind dabei in der Pflicht, entsprechende Steuerbescheinigungen und Verlustfeststellungen korrekt auszustellen. In Zweifelsfällen empfiehlt sich eine frühzeitige Abstimmung mit dem Steuerberater – insbesondere dann, wenn hohe Beträge betroffen sind oder bereits Bescheide aus Vorjahren angepasst werden sollen.

Fazit

Mit dem Jahressteuergesetz 2024 und dem begleitenden Schreiben des Bundesfinanzministeriums reagiert der Gesetzgeber auf die Kritik der letzten Jahre und schafft neue Klarheit für die steuerliche Behandlung von Totalverlusten aus Aktien. Zwar bleiben bestimmte Beschränkungen bestehen, doch für viele Privatanleger eröffnen sich nun neue Wege zur Verlustverrechnung. Entscheidend bleibt die sorgfältige Dokumentation der Wertlosigkeit und die richtige steuerliche Einordnung.

In einer Zeit, in der auch etablierte Titel durch Insolvenzen oder Marktturbulenzen betroffen sein können, ist dies nicht nur eine technische Verbesserung, sondern ein Beitrag zur steuerlichen Fairness im Kapitalmarkt.

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