Berenberg Aussicht Waffenstillstand in der Ukraine möglich
Die internationalen Finanzmärkte bewegen sich seit Jahren in einem Umfeld, das von geopolitischen Spannungen, Inflationssorgen und geldpolitischen Entscheidungen geprägt ist. Ein zentrales Thema bleibt der Krieg in der Ukraine, dessen wirtschaftliche Auswirkungen sich in vielen Bereichen zeigen – von Rohstoffpreisen über Lieferketten bis hin zur Unsicherheit in der Energieversorgung.
Bisher spielt ein möglicher Waffenstillstand in der Ukraine keine dominierende Rolle in den Analysen und Prognosen der Kapitalmärkte. Doch das könnte sich ändern. Experten der Berenberg Bank gehen davon aus, dass sich in den kommenden Wochen ein völlig neues Narrativ an den Börsen etablieren könnte, falls diplomatische Verhandlungen an Dynamik gewinnen. Die Frage lautet: Wie würden die Finanzmärkte auf eine geopolitische Entspannung reagieren?
1. Warum könnte ein Waffenstillstand die Börsen verändern?
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Ein Krieg hat tiefgreifende Auswirkungen auf die Weltwirtschaft, insbesondere wenn er in einer Region stattfindet, die sowohl in der Energieversorgung als auch in der Nahrungsmittelproduktion eine bedeutende Rolle spielt. Der Ukraine-Krieg hat Märkte durch verschiedene Mechanismen beeinflusst:
- Rohstoffmärkte: Der Krieg hat insbesondere die Preise für Öl, Gas, Weizen und Metalle in die Höhe getrieben. Ein Waffenstillstand könnte die Angebotslage entspannen und Preise stabilisieren.
- Inflation: Höhere Energie- und Lebensmittelpreise haben weltweit zur Inflation beigetragen. Eine diplomatische Lösung könnte den Druck auf die Verbraucherpreise mindern.
- Geldpolitik: Notenbanken wie die EZB und die Fed haben in den letzten Jahren mit Zinserhöhungen auf die hohe Inflation reagiert. Eine geopolitische Entspannung könnte ihnen mehr Spielraum für geldpolitische Anpassungen geben.
- Risikobewertung der Märkte: Investoren haben Risikoaufschläge für Unsicherheiten in Osteuropa einkalkuliert. Ein diplomatischer Durchbruch könnte diese Risikoprämien reduzieren und zu einer Neubewertung vieler Vermögenswerte führen.
2. Welche Auswirkungen hätte ein Waffenstillstand auf verschiedene Anlageklassen?
Sollte es zu einer diplomatischen Lösung kommen, könnte dies unterschiedliche Reaktionen an den Kapitalmärkten auslösen:
a) Aktienmärkte
- Ein Waffenstillstand würde Unsicherheiten verringern und könnte insbesondere europäische Aktien stärken, die durch den Krieg stark belastet wurden.
- Unternehmen, die von steigenden Energiepreisen profitiert haben, dürften dagegen Kursrückgänge erleben.
- Branchen wie Industrie, Konsumgüter und Finanzwerte könnten profitieren, während Rüstungsaktien an Attraktivität verlieren könnten.
b) Anleihenmärkte
- Die Renditen von Staatsanleihen könnten fallen, da ein Waffenstillstand die Risikoprämien reduziert.
- Besonders europäische Staatsanleihen könnten profitieren, wenn sich die wirtschaftlichen Perspektiven verbessern.
- Unternehmensanleihen aus krisengebeutelten Branchen könnten an Attraktivität gewinnen.
c) Rohstoffmärkte
- Ein Ende der Kämpfe würde zu einem Rückgang der Öl- und Gaspreise führen, insbesondere wenn Sanktionen gelockert werden.
- Weizen- und Metallpreise könnten sich stabilisieren, wenn die Ukraine wieder mehr exportieren kann.
- Gold als sicherer Hafen könnte kurzfristig unter Druck geraten, falls sich das geopolitische Risiko verringert.
d) Währungen
- Der Euro könnte gegenüber dem US-Dollar aufwerten, da die europäische Wirtschaft von einer Friedenslösung besonders profitieren würde.
- Schwellenländerwährungen könnten sich stabilisieren, insbesondere in rohstoffimportierenden Ländern.
3. Ist ein geopolitischer Wendepunkt realistisch?
Bisher haben die Finanzmärkte den Ukraine-Krieg als anhaltenden Risikofaktor eingepreist. Ein echter diplomatischer Fortschritt könnte jedoch eine Neubewertung von Risiken und Chancen mit sich bringen."
Die Experten von Berenberg weisen darauf hin, dass diplomatische Fortschritte noch kein Hauptthema an den Finanzmärkten sind. Dennoch könnte sich die Dynamik in den kommenden Wochen ändern. Entscheidend sind dabei mehrere Faktoren:
- Politischer Wille beider Seiten: Ein echter Waffenstillstand setzt voraus, dass sowohl die Ukraine als auch Russland zu Verhandlungen bereit sind.
- Positionierung der USA und Europas: Die Haltung westlicher Regierungen zu einer möglichen Friedenslösung wird eine Schlüsselrolle spielen.
- Energie- und Wirtschaftssanktionen: Selbst bei einem Waffenstillstand ist unklar, ob Sanktionen gegen Russland gelockert werden.
Ein diplomatischer Durchbruch bleibt also mit Unsicherheiten behaftet. Dennoch könnte eine veränderte Wahrnehmung des Konflikts bereits ausreichen, um eine Anpassung an den Finanzmärkten auszulösen.
4. Was sollten Investoren beachten?
Sollte sich ein Friedensnarrativ an den Märkten etablieren, könnte dies Chancen und Risiken für Anleger mit sich bringen. Mögliche Investmentstrategien könnten sein:
- Aktien mit Fokus auf Europa: Besonders Unternehmen aus der Eurozone könnten profitieren.
- Industriewerte und Konsumgüter: Wenn Unsicherheiten abnehmen, könnten Unternehmen aus diesen Sektoren profitieren.
- Anpassung der Rohstoffstrategie: Investoren sollten beobachten, ob ein Rückgang der Rohstoffpreise bevorsteht.
- Überprüfung von Anleiheportfolios: Niedrigere Risikoprämien könnten Chancen in europäischen Unternehmens- und Staatsanleihen bieten.
Die Experten von Berenberg sehen eine mögliche geopolitische Entspannung als eine der größten potenziellen Überraschungen für die Kapitalmärkte im Jahr 2025.
5. Fazit: Ein Narrativ im Wandel?
Noch ist eine Waffenstillstandsvereinbarung nicht Realität. Doch die bloße Möglichkeit, dass sich die geopolitischen Spannungen in Europa reduzieren, könnte ein völlig neues Narrativ für die Börsen schaffen. Anleger sollten daher genau beobachten, wie sich die politische Lage in den kommenden Wochen entwickelt – und welche Signale die Märkte daraufhin senden.

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