Wissenswertes zu aktuellen Finanzthemen

Finanzlexikon Wenn Gefühle den Kurs bestimmen

Emotionen im Anlageprozess.

Investieren wird oft als rein rationale Disziplin verstanden: Zahlen, Fakten, Modelle. Doch tatsächlich ist der Anlageprozess ein zutiefst emotionaler Vorgang. Emotionen beeinflussen, wie wir Chancen bewerten, Risiken einschätzen und Entscheidungen treffen – meist, ohne dass wir es bemerken. Gerade an den Finanzmärkten, wo Unsicherheit allgegenwärtig ist, sind Gefühle nicht der Ausnahmefall, sondern die Regel.

Die wichtigsten Emotionen im Finanzkontext

Mehrere Emotionen treten im Anlageprozess immer wieder auf – oft in kritischen Phasen, aber auch im alltäglichen Handeln. Zu den einflussreichsten zählen:

  • Angst: Sie lähmt, führt zu vorschnellen Verkäufen oder dazu, potenzielle Chancen gar nicht erst wahrzunehmen.
  • Gier: In euphorischen Marktphasen verleitet sie dazu, Risiken zu ignorieren und überhöhte Bewertungen zu akzeptieren.
  • Reue: Sie entsteht häufig nach Fehlentscheidungen und kann künftige Investitionen blockieren.
  • Stolz: Erfolgreiche Anleger neigen zur Selbstüberschätzung – ein klassischer Nährboden für Fehlurteile.
  • Zweifel: Permanente Unsicherheit führt zu Überanalyse, Aufschieberitis oder impulsivem Umschichten.

Diese Gefühle entstehen meist spontan und entziehen sich der reinen Vernunft.

Sie beeinflussen, wie Informationen aufgenommen und verarbeitet werden – und ob man an seiner Strategie festhält oder ihr misstraut.

Emotionale Phasen eines Marktzyklus

Finanzpsychologen beschreiben den typischen Marktverlauf auch als emotionalen Zyklus. Anleger durchlaufen dabei verschiedene Gefühlslagen, etwa:

  1. Optimismus: Die Märkte steigen, Anleger sind zuversichtlich.
  2. Euphorie: Alle investieren, „es kann nur noch aufwärts gehen“ – eine trügerische Sicherheit.
  3. Angst und Panik: Kurseinbrüche führen zu Überreaktionen, viele verkaufen zum Tiefpunkt.
  4. Verzweiflung und Resignation: Rückzug vom Markt, Verlust des Vertrauens in die eigene Anlagestrategie.
  5. Hoffnung: Erste Erholungen werden registriert, langsam kehrt Mut zurück.

Dieser Kreislauf zeigt, dass Emotionen nicht punktuell auftreten, sondern mit dem Marktverlauf mitwandern – und oft in gegensätzliche Richtung zur „logischen“ Handlung führen.

Die Rolle emotionaler Verzerrungen

Emotionen lassen sich nicht aus dem Anlageprozess verbannen – aber sie lassen sich beobachten, reflektieren und steuern. Wer seine Gefühle kennt, kann besser mit ihnen umgehen. Die Kunst besteht darin, Emotionen nicht als Feind der Rationalität zu sehen, sondern als Teil des Menschen."

Emotionen führen nicht nur zu spontanen Impulsen, sondern sind eng mit kognitiven Verzerrungen (Biases) verknüpft. Zu den häufigsten zählen:

  • Herdentrieb: Der Impuls, der Masse zu folgen – „alle kaufen, also sollte ich auch“.
  • Home Bias: Die Tendenz, nur in das Vertraute zu investieren – etwa heimische Aktien.
  • Loss Aversion: Die überproportionale Gewichtung von Verlusten gegenüber gleich großen Gewinnen.
  • Overconfidence Bias: Übermäßiges Vertrauen in die eigene Marktkenntnis, besonders nach Erfolgen.

Diese Verzerrungen sind oft emotional getrieben und wirken dauerhaft, nicht nur in Stresssituationen.

Emotionale Intelligenz als Investmentfaktor

Gute Anleger unterscheiden sich nicht nur durch Fachwissen, sondern durch emotionale Disziplin. Dazu gehört:

  • Selbstbeobachtung: Wie reagiere ich auf Verluste oder Gewinne? Wo neige ich zur Überreaktion?
  • Strategie-Treue: Wer eine langfristige Anlagephilosophie verfolgt, muss in der Lage sein, kurzfristige Emotionen auszuhalten.
  • Bewusste Pausen: In unsicheren Phasen kann es hilfreich sein, vor einer Entscheidung eine Nacht darüber zu schlafen – um emotionale Impulse abzufedern.

Berater, die Emotionen in der Kundenbeziehung aktiv ansprechen, stärken die Entscheidungskompetenz ihrer Klienten – und helfen, impulsives Handeln zu vermeiden.

Fazit: Gefühl und Verstand gehören zusammen

Emotionen lassen sich nicht aus dem Anlageprozess verbannen – aber sie lassen sich beobachten, reflektieren und steuern. Wer seine Gefühle kennt, kann besser mit ihnen umgehen. Die Kunst besteht darin, Emotionen nicht als Feind der Rationalität zu sehen, sondern als Teil des Menschen. Finanzielle Entscheidungen werden nicht trotz, sondern immer auch mit Emotionen getroffen – die Qualität dieser Entscheidungen hängt davon ab, wie bewusst dieser Umstand in die Anlagestrategie einfließt.

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