Mit der wirtschaftlichen Instabilität Amerikas wächst auch die Unsicherheit über seine geopolitische Verlässlichkeit

Hans-Werner Sinn Analyse zur globalen Schuldenlage

Der frühere Präsident des Ifo-Instituts und einer der prominentesten deutschen Ökonomen, Hans-Werner Sinn, meldet sich mit einer scharfen Analyse der wirtschaftlichen und geopolitischen Weltlage zu Wort – und spart nicht mit drastischen Formulierungen.

Hans-Werner Sinns Diagnose: Die Vereinigten Staaten manövrieren sich durch eine aggressive Handels- und Ausgabenpolitik gefährlich nah an den Rand der Zahlungsunfähigkeit. In gewohnt pointierter Weise zeichnet Sinn ein Bild wachsender wirtschaftlicher Instabilität, verschärfter globaler Machtkonflikte und einer drohenden Schuldenkrise, deren Epizentrum nicht etwa in der Schwellenwelt liegt, sondern in der angeblich sichersten Volkswirtschaft der Welt: den USA. Für Europa sieht er nur eine Lösung: mehr Einigkeit – politisch, ökonomisch und militärisch.


Amerikas Schuldenpolitik: Vom Weltpolizisten zum Haushaltsrisiko

Sinns Kritik entzündet sich besonders an der Zoll- und Ausgabenpolitik der Vereinigten Staaten.

Unter Ex-Präsident Donald Trump wurden nicht nur massive Steuererleichterungen eingeführt, sondern auch Handelsbarrieren errichtet, die den freien Welthandel aus dem Gleichgewicht brachten.

Zwar wurde das Staatsdefizit schon unter früheren Regierungen aufgebläht, doch unter der Trump-Administration – und in Teilen auch unter seinem Nachfolger – erreichte es neue Dimensionen:

  • Trillionen-Dollar-Defizite Jahr für Jahr,
  • steigende Militärausgaben in einem geopolitisch unsicheren Umfeld,
  • gleichzeitige Steuererleichterungen für Unternehmen und vermögende Haushalte,
  • wachsende Ausgabenprogramme zur Konjunkturstützung – vom Infrastrukturausbau bis zur Industriepolitik.

Diese Entwicklungen belasten den amerikanischen Haushalt und lassen, so Sinn, das Vertrauen in die Schuldentragfähigkeit der USA sinken.

In seinem Urteil formuliert er zugespitzt: „Die USA kommen einer Insolvenz gefährlich nahe – nicht rechtlich, aber ökonomisch.“


Zinswende als Brandbeschleuniger

Was Sinn besonders alarmiert, ist der Zusammenhang zwischen steigenden US-Schulden und dem globalen Zinsumfeld. Mit dem Ende der Nullzinspolitik und dem Übergang zu höheren Leitzinsen durch die US-Notenbank (Fed) steigen auch die Zinslasten für den Staatshaushalt rapide an.

Allein die Zinsausgaben des US-Staats haben mittlerweile ein Niveau erreicht, das höher liegt als die Verteidigungsausgaben – ein historisch beispielloser Befund.

Sinn warnt: Sollte das Vertrauen der Anleger in die Zahlungsfähigkeit der USA weiter sinken, könnte es zu einem sprunghaften Renditeanstieg auf US-Staatsanleihen kommen – mit weitreichenden Folgen für die Stabilität des globalen Finanzsystems:


Geopolitische Konsequenzen: Europa droht zum Spielball zu werden

Sinns Botschaft ist klar: Wenn Amerika wankt, darf Europa nicht zögern – sondern muss Haltung zeigen."

Die wirtschaftliche Analyse bleibt bei Hans-Werner Sinn nie rein ökonomisch. Seine Aussagen sind stets eingebettet in einen größeren politischen Kontext – und der lässt aus seiner Sicht kaum Anlass zur Entwarnung.

Denn mit der wirtschaftlichen Instabilität Amerikas wächst auch die Unsicherheit über seine geopolitische Verlässlichkeit. Sollte die USA gezwungen sein, ihre Ausgaben drastisch zu kürzen, könnten militärische Engagements reduziert oder außenpolitische Prioritäten neu definiert werden – mit direkter Auswirkung auf Europas Sicherheit.

Sinn fordert daher ein strategisches Erwachen Europas: Nur wenn der Kontinent in der Lage sei, als geschlossene Einheit zu handeln – wirtschaftlich wie verteidigungspolitisch –, könne er den drohenden Verlust der transatlantischen Stabilität auffangen. „Europa darf nicht länger passiver Zuschauer sein, während andere die Spielregeln der Weltpolitik neu schreiben.“


Europa in der Pflicht: Von der Wohlstandssicherung zur Sicherheitsarchitektur

Sinns Aufruf ist auch ein Appell an die Selbstverantwortung Europas. Zu lange habe man sich auf den Schutz der USA verlassen, wirtschaftlich auf offene Märkte gesetzt und sicherheitspolitisch auf die NATO geschaut – mit Amerika als Garant.

Nun aber sei die Zeit gekommen, eigene Strukturen zu stärken:

  • Finanzpolitisch durch eine stabilere, koordinierte Schulden- und Fiskalpolitik,
  • wirtschaftspolitisch durch Investitionen in Innovation und Resilienz,
  • sicherheitspolitisch durch den Aufbau glaubwürdiger europäischer Verteidigungskapazitäten.

Nur wenn Europa diese Schritte gehe, könne es in einer Welt bestehen, in der Großmächte zunehmend nach innen schauen und Machtpolitik das Völkerrecht ablöst.


Fazit: Ein ökonomischer Weckruf mit geopolitischer Tragweite

Hans-Werner Sinns Aussagen mögen dramatisch klingen – doch sie treffen einen Nerv der Zeit. Die USA, einst Inbegriff von Stabilität, geraten unter fiskalischen Druck. Die daraus resultierende Unsicherheit trifft nicht nur die Märkte, sondern das gesamte Gleichgewicht der westlichen Weltordnung.

Für Europa bedeutet das: Wegsehen ist keine Option mehr. Der Kontinent muss sich neu aufstellen – als wirtschaftlich starker, sicherheitspolitisch eigenständiger und politisch geeinter Akteur. Nur dann lässt sich verhindern, dass Europa im Schatten der Großmächte zum bloßen Objekt fremder Interessen wird.

Kontakt zu mir

Hallo!
Schön, dass Sie mich kennenlernen möchten.