Alternative Rohstoffe wie Flugasche und Schlacke werden zunehmend knapp

Alternative Rohstoffe werden knapp Engpass beim Bauen

Die Bauwirtschaft steht vor einer neuen, wenig beachteten Herausforderung: Alternative Rohstoffe wie Flugasche und Schlacke, die bislang als umweltfreundliche Substitute für Zement und andere Baustoffe galten, werden zunehmend knapp.

Der Grund dafür ist ein Paradox: Ausgerechnet der Wandel hin zu einer klimafreundlicheren Industrieproduktion lässt die Verfügbarkeit dieser Nebenprodukte drastisch sinken. Was als „grüner Fortschritt“ in anderen Sektoren gefeiert wird, droht im Bauwesen zum handfesten Problem zu werden – mit wirtschaftlichen, ökologischen und planerischen Konsequenzen.


Von Abfallprodukt zum Baustoff: Eine Erfolgsgeschichte gerät ins Stocken

Über Jahrzehnte war es gängige Praxis, industrielle Reststoffe als Rohstoffersatz in der Bauwirtschaft einzusetzen. Besonders zwei Materialien spielten dabei eine zentrale Rolle:

  • Flugasche, ein feines Pulver, das bei der Verbrennung von Kohle in Kraftwerken entsteht, wurde als Betonzusatzstoff geschätzt – zur Verbesserung der Verarbeitbarkeit, Haltbarkeit und CO₂-Bilanz.
  • Hüttensand und Schlacke, Nebenprodukte aus der Stahl- und Eisenproduktion, wurden als Zementersatz oder Bindemittelkomponente genutzt – mit positiven Eigenschaften für Festigkeit und Lebensdauer.

Diese Stoffe galten als „Win-Win“-Lösungen: Sie ermöglichten die Verwertung von Industrieabfällen und senkten zugleich den Einsatz von CO₂-intensivem Zement und natürlichen Ressourcen wie Kalkstein oder Ton.

Doch diese Erfolgsgeschichte ist zunehmend bedroht – durch strukturelle Veränderungen in der Energie- und Industriepolitik.


Dekarbonisierung verändert den Stoffkreislauf

Die Transformation der Industrie hin zur Klimaneutralität hat zur Folge, dass jene Prozesse, in denen Flugasche und Schlacke entstehen, deutlich zurückgefahren werden oder ganz verschwinden.

  • Kohlekraftwerke werden abgeschaltet, was die Menge an verfügbarer Flugasche drastisch reduziert.
  • Stahlwerke stellen auf Direktreduktion oder Elektroöfen um, wodurch keine Hochofenschlacke mehr anfällt.
  • Abfallverbrennungsanlagen arbeiten mit neuen Filtertechnologien, die die Zusammensetzung und Verwertbarkeit der Rückstände verändern.

Was ökologisch gewünscht ist – eine CO₂-ärmere Primärproduktion – bedeutet für die Bauindustrie den Verlust günstiger, verfügbarer und bewährter Ersatzstoffe. Es entsteht ein ungewollter Zielkonflikt zwischen Klimaschutz und Ressourcensicherung im Bausektor.


Wirtschaftliche Folgen: Ersatz ist nicht gleichwertig

Der Rückgang alternativer Rohstoffe zwingt Bauunternehmen, Planer und Hersteller dazu, wieder stärker auf Primärrohstoffe zurückzugreifen – etwa auf Naturkalk, Kaolin, Ton oder Quarz. Das hat mehrere problematische Effekte:

  • Höhere Kosten: Die Gewinnung und Aufbereitung natürlicher Rohstoffe ist aufwendig, energieintensiv und häufig transportabhängig.
  • Anstieg der CO₂-Emissionen: Der Einsatz von Frischzement etwa ist einer der größten Einzelverursacher von Emissionen in der Bauwirtschaft.
  • Störung von Lieferketten: Regionale Rohstoffverfügbarkeiten sind begrenzt, Genehmigungsverfahren für neue Abbauflächen langwierig.
  • Verlust technischer Eigenschaften: Alternative Stoffe wie Flugasche verbessern bestimmte physikalische Eigenschaften – ihr Wegfall erfordert eine Neujustierung von Rezepturen.

Für viele Bauunternehmen und Baustoffhersteller ist dies nicht nur eine technische Herausforderung, sondern ein strukturelles Risiko, das mittelfristig Investitionen, Bauzeit und Nachhaltigkeitsziele gleichzeitig unter Druck setzt.


Planerische Unsicherheit und neue regulatorische Hürden

Die Lösung liegt nicht im Zurück, sondern im strategischen Vorwärtsdenken: mit neuen Materialien, neuen Partnerschaften und einer politischen Rahmensetzung, die Innovation erlaubt, bevor der Mangel eskaliert. Denn eines ist sicher: Wer in einer CO₂-neutralen Zukunft bauen will, muss auch die Materialfrage neu beantworten."

Ein weiteres Problem ergibt sich auf regulatorischer Ebene: Viele Bauvorschriften und Normen beruhen auf der Verfügbarkeit bestimmter Rohstoffe, die in den nächsten Jahren kaum noch oder gar nicht mehr zur Verfügung stehen werden.

Betroffen sind unter anderem:

  • DIN-Normen für Beton und Zement.
  • Ökobilanzierungs-Standards für Gebäude.
  • Förderrichtlinien im Rahmen nachhaltiger Bauprogramme.

Ohne alternative Materialien drohen Projektverzögerungen, Kostensteigerungen und Genehmigungsprobleme. Die Branche fordert daher mehr Flexibilität und Innovationsspielraum bei Materialzulassungen, um auf die veränderte Rohstofflage reagieren zu können.


Was jetzt nötig ist: Strategien für eine neue Materialbasis

Der Engpass bei Flugasche, Schlacke und Co. erfordert ein grundsätzliches Umdenken in der Materialstrategie der Bauwirtschaft. Neben kurzfristigen Ersatzlösungen braucht es mittelfristig echte Innovationen, um klimaverträgliches und gleichzeitig ressourcenschonendes Bauen möglich zu machen.

Ansatzpunkte:

  • Recycling von Baustoffen aus dem Rückbau – Sekundärrohstoffe wie RC-Beton und mineralische Mischungen gewinnen an Bedeutung.
  • Entwicklung neuer Bindemittel – etwa aus Tonerde, Geopolymeren oder CO₂-bindenden Materialien.
  • Förderung regionaler Rohstoffkreisläufe, um Transportemissionen und Abhängigkeiten zu minimieren.
  • Digitalisierung und BIM-Modelle, um Materialbedarf präziser zu planen und Verluste zu vermeiden.
  • Koordination zwischen Bauindustrie, Energie- und Stahlsektor, um frühzeitig Reststoffverfügbarkeiten zu prognostizieren.

Klar ist: Der Wegfall industrieller Nebenprodukte als Rohstoffquelle ist kein temporäres Phänomen – sondern eine langfristige strukturelle Veränderung, auf die sich die Branche jetzt einstellen muss.


Fazit: Die Bauwirtschaft steht vor einem leisen, aber tiefgreifenden Wandel

Während der Fokus in der öffentlichen Debatte oft auf steigenden Baukosten, fehlenden Arbeitskräften oder langsamen Genehmigungsverfahren liegt, vollzieht sich im Hintergrund eine kaum beachtete Ressourcenkrise, die weitreichende Folgen haben kann.

Der Rückgang alternativer Rohstoffe wie Flugasche und Schlacke stellt die Branche vor die Frage, wie Bauen in Zukunft klimafreundlich und zugleich materialeffizient gestaltet werden kann – ohne dabei Abhängigkeiten zu verschärfen oder die CO₂-Bilanz weiter zu belasten.

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