Finanzlexikon ETF-Schwemme
Wann Vielfalt zum Risiko für Anleger wird.
Kaum ein anderes Anlageinstrument hat in den vergangenen zwei Jahrzehnten eine vergleichbare Erfolgsgeschichte geschrieben wie die Exchange Traded Funds (ETFs). Sie bieten niedrige Kosten, einfache Handelbarkeit und Transparenz. Vor allem aber geben sie Privatanlegern Zugang zu Anlagestrategien, die früher fast ausschließlich institutionellen Investoren vorbehalten waren. Mit wenigen Klicks lässt sich heute ein global diversifiziertes Portfolio aufbauen.
Dieser Erfolg hat jedoch eine Kehrseite: Die Zahl der ETFs ist in den letzten Jahren geradezu explodiert. Weltweit gibt es mittlerweile mehrere Tausend Produkte, die nicht nur große Standardindizes abbilden, sondern auch Nischenmärkte, exotische Branchen oder hochspezialisierte Strategien. Die Vielfalt, die zunächst als Vorteil erscheint, kann jedoch für Anleger zum Risiko werden.
Vom Kernprodukt zur Nische
In der Anfangszeit konzentrierten sich ETFs auf die Abbildung klassischer Indizes wie DAX, S&P 500 oder MSCI World. Diese Produkte boten breite Diversifikation und waren leicht verständlich. Heute dagegen gibt es ETFs auf fast jedes erdenkliche Thema: von Kryptowährungen über Wasserstoff und Cybersecurity bis hin zu Nachhaltigkeitsstrategien mit speziellen Filterkriterien.
Damit verschwimmen die Grenzen zwischen passivem und aktivem Investieren. Denn viele thematische ETFs sind faktisch eine aktive Wette auf bestimmte Trends, auch wenn sie sich den Mantel der Passivität geben. Anleger laufen Gefahr, mit vermeintlich breit gestreuten Produkten in hochspezialisierte und damit riskantere Anlagen zu investieren.
Risiken der ETF-Schwemme
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Die zunehmende Produktvielfalt bringt mehrere Risiken mit sich:
- Komplexität: Je größer die Auswahl, desto schwieriger fällt Anlegern die Orientierung. Viele verstehen die zugrunde liegenden Indizes nicht und überschätzen die Sicherheit.
- Klumpenrisiken: Themen-ETFs sind oft stark konzentriert auf wenige Unternehmen. Fällt einer dieser Titel, kann der gesamte Fonds erheblich an Wert verlieren.
- Liquidität: Nicht alle ETFs sind gleich liquide. Bei exotischen Märkten kann es zu höheren Spreads und Kursverzerrungen kommen.
- Marketing statt Substanz: Anbieter nutzen Modethemen, um neue Produkte auf den Markt zu bringen. Ob diese langfristig bestehen, ist ungewiss.
Gerade Privatanleger unterschätzen oft, dass viele ETFs nicht mehr die breite Marktstreuung bieten, die das ursprüngliche Erfolgsrezept war.
Die Verantwortung der Anbieter und Regulierer
Die ETF-Revolution hat den Zugang zu Kapitalmärkten demokratisiert und Anlegern enorme Chancen eröffnet. Doch die heutige Vielfalt kann ebenso zur Falle werden. Wer blind in trendige Produkte investiert, läuft Gefahr, unbewusst hohe Risiken einzugehen."
Mit der wachsenden Zahl an Produkten steigt auch die Verantwortung von Anbietern und Regulierungsbehörden. Fondsanbieter sollten deutlich machen, welche Risiken mit einem ETF verbunden sind und wie breit oder eng das jeweilige Investment wirklich aufgestellt ist. Transparenz in Bezug auf die Zusammensetzung und die Gewichtung ist entscheidend, um Fehlentscheidungen zu vermeiden.
Auch Regulierer schauen inzwischen genauer hin. Die Frage ist, ob Anleger ausreichend geschützt sind, wenn sie in hochspezialisierte Produkte investieren, die ihnen als einfache Indexlösung verkauft werden. Der Balanceakt besteht darin, Innovation nicht zu ersticken, aber gleichzeitig für Klarheit zu sorgen.
Was Anleger beachten sollten
Für Investoren bedeutet die ETF-Schwemme vor allem eines: Sie müssen kritischer auswählen. Nicht jeder ETF passt automatisch in ein langfristig orientiertes Portfolio. Besonders bei Themen-ETFs sollte geprüft werden, ob es sich um eine sinnvolle Ergänzung handelt oder um eine riskante Wette auf einen Trend.
Im Kern bleibt die Faustregel bestehen: ETFs auf breite, etablierte Indizes sind solide Bausteine für die Vermögensbildung. Alles, was darüber hinausgeht, ist eher eine Beimischung – und sollte auch so behandelt werden.
Fazit – Vielfalt mit Schattenseiten
Die ETF-Revolution hat den Zugang zu Kapitalmärkten demokratisiert und Anlegern enorme Chancen eröffnet. Doch die heutige Vielfalt kann ebenso zur Falle werden. Wer blind in trendige Produkte investiert, läuft Gefahr, unbewusst hohe Risiken einzugehen.
Vielfalt ist nicht per se ein Nachteil, aber sie verlangt von Anlegern mehr Urteilsvermögen und Wissen. Am Ende bleibt die Aufgabe, die Spreu vom Weizen zu trennen: Welche ETFs sind langfristige Kernbausteine – und welche sind spekulative Produkte, die man nur mit Bedacht ins Portfolio aufnehmen sollte?

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