Stabilität des Bankensystems EZB: Kein Dividendenverbot
Die Europäische Zentralbank (EZB) setzt trotz globaler Unsicherheiten und konjunktureller Risiken auf Verhältnismäßigkeit und Stabilität.
Anders als während der Corona-Krise 2020 sieht die Notenbank aktuell keinen Anlass, die Gewinnausschüttung von Banken erneut zu beschränken. Claudia Buch, seit 2023 Vorsitzende der EZB-Bankenaufsicht, betont, dass ein generelles Dividendenverbot zum jetzigen Zeitpunkt nicht gerechtfertigt sei.
Die Entscheidung signalisiert Vertrauen in die Kapitalausstattung europäischer Kreditinstitute – und soll zugleich Verlässlichkeit gegenüber den Märkten und Investoren demonstrieren. Denn Dividenden und Aktienrückkäufe gelten als wichtige Instrumente der Kapitalmarktkommunikation, insbesondere in einem Umfeld wachsender Regulierung und geopolitischer Unsicherheiten.
Rückblick: Das Dividendenverbot während der Corona-Krise

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Im Frühjahr 2020, als sich die Covid-19-Pandemie global ausbreitete und die wirtschaftlichen Folgen schwer kalkulierbar waren, hatte die EZB eine drastische Vorsichtsmaßnahme getroffen.
Sie forderte die Banken der Eurozone auf, bis mindestens Ende des Jahres:
- Keine Dividenden an Aktionäre auszuschütten,
- keine Aktienrückkäufe zur Kurspflege vorzunehmen,
- und Gewinne vollständig zur Stärkung der Kapitalbasis zu verwenden.
Ziel war es, die Kreditvergabe aufrechtzuerhalten und potenzielle Verluste abzufedern.
Diese Maßnahme war zwar ökonomisch nachvollziehbar, wurde jedoch von Banken und Investoren kritisch aufgenommen, da sie in einem sensiblen Marktumfeld für Unsicherheit sorgte.
Mit dem Abklingen der akuten Krisenphase wurde das Verbot schrittweise aufgehoben – und seither nicht wieder eingeführt.
Aktuelle Lage: Stabilität trotz Unsicherheit
Heute – 2025 – sind die makroökonomischen Herausforderungen anders gelagert. Die Inflation ist in vielen Ländern zwar rückläufig, bleibt aber volatil. Zinsen sind auf einem höheren Niveau als noch vor wenigen Jahren, die Konjunktur schwächelt, geopolitische Spannungen bestehen fort. Dennoch: Das Bankensystem der Eurozone zeigt sich robust.
Laut Claudia Buch sind die Banken:
- Ausreichend kapitalisiert,
- stresstest-erprobt,
- und haben sich in den letzten Jahren als resilient gegenüber externen Schocks erwiesen.
Die EZB erwartet, dass die Institute ihre Kapitalpolitik verantwortungsvoll gestalten – sie gibt aber keine pauschalen Vorgaben. Vielmehr setzt man auf eine differenzierte Aufsicht, die die jeweilige Risikolage der Institute individuell berücksichtigt.„Wir haben keine generellen Bedenken gegen Ausschüttungen – solange die Kapitalausstattung der Bank solide ist und die Risiken realistisch abgebildet werden“, so Buch.
Signal an Investoren: Berechenbarkeit statt Interventionismus
Die EZB hält die Dividendenpolitik europäischer Banken für vertretbar und derzeit nicht gefährdend – und setzt damit auf Augenmaß und Differenzierung statt pauschaler Verbote. Claudia Buchs Linie steht für einen modernen, dialogorientierten Aufsichtsansatz, der sich auf Vertrauen in die Institute, aber auch auf deren Verantwortungsbewusstsein stützt."
Mit dem bewussten Verzicht auf ein erneutes Dividendenverbot sendet die EZB ein wichtiges Vertrauenssignal an Kapitalmärkte und Aktionäre. Sie will sich nicht länger als reflexartige Eingriffsbehörde positionieren, sondern als verantwortungsvolle und risikoorientierte Aufsichtsinstanz.
Denn Dividenden sind nicht nur Belohnung für Anteilseigner – sie sind auch:
- Ein Gradmesser für die Profitabilität und Solidität eines Instituts,
- ein wichtiges Argument für Anlegerbindung,
- und ein steuerungsrelevanter Faktor bei der Aktienbewertung.
Ein erneutes generelles Ausschüttungsverbot hätte insbesondere Bankaktien unter Druck setzen und das Vertrauen in die strategische Planbarkeit von Banken erschüttern können – ein Risiko, das die EZB offenbar vermeiden will.
Herausforderung Eigenverantwortung: Banken bleiben in der Pflicht
Die Entscheidung der EZB bedeutet aber keineswegs, dass Banken nun „freien Lauf“ bei der Kapitalpolitik haben. Im Gegenteil: Die Aufsicht erwartet, dass Institute weiterhin:
- Risikovorsorge treffen,
- Kapitalpuffer aufrechterhalten,
- und ihre Ausschüttungspolitik mit Blick auf das makroökonomische Umfeld kritisch prüfen.
Zudem hat die EZB ihre Kommunikation mit den Instituten intensiviert, um frühzeitig auf mögliche Fehlentwicklungen reagieren zu können. Sollte sich das wirtschaftliche Umfeld dramatisch verschlechtern oder einzelne Banken übermäßig riskante Ausschüttungspolitik betreiben, sind gezielte Eingriffe weiterhin möglich – jedoch individuell, nicht pauschal.
Fazit: Kein Dividendenverbot – aber ein klarer Appell zur Verantwortung
Die EZB hält die Dividendenpolitik europäischer Banken für vertretbar und derzeit nicht gefährdend – und setzt damit auf Augenmaß und Differenzierung statt pauschaler Verbote. Claudia Buchs Linie steht für einen modernen, dialogorientierten Aufsichtsansatz, der sich auf Vertrauen in die Institute, aber auch auf deren Verantwortungsbewusstsein stützt.
Für Investoren ist das eine gute Nachricht: Sie können auf größere Planungssicherheit bei Ausschüttungen hoffen. Für Banken bleibt es jedoch bei der Pflicht, ihre Kapitalausstattung konsequent zu sichern und Risiken realistisch zu bewerten. Denn eines ist klar: Ein Dividendenverbot wie 2020 soll sich nicht wiederholen – aber ausgeschlossen ist es nur dann, wenn alle Seiten mit Augenmaß handeln.