Finanzlexikon Faktor-Investing
Die Wissenschaft hinter Smart Beta
Das sogenannte Faktor-Investing gilt heute als eine der wissenschaftlich fundiertesten Strategien in der Geldanlage. Es baut auf der Erkenntnis auf, dass bestimmte Eigenschaften von Wertpapieren – die sogenannten Faktoren – über lange Zeiträume hinweg mit überdurchschnittlichen Renditen oder geringeren Risiken verbunden sind.
Der Ursprung dieser Theorie liegt in der Finanzmarktforschung der 1960er- und 1970er-Jahre. Damals versuchte das Capital Asset Pricing Model (CAPM), die Rendite eines Wertpapiers mit nur einem Faktor – dem Marktrisiko – zu erklären. Doch bald zeigte sich, dass diese Sicht zu kurz greift. Forscher wie Eugene Fama und Kenneth French erweiterten die Modelle und wiesen nach, dass zusätzliche Faktoren wie die Unternehmensgröße (Small Caps) oder die Bewertung (Value vs. Growth) eine Rolle spielen.
So entstand die Idee, gezielt auf Faktoren zu setzen, anstatt ausschließlich die Marktkapitalisierung als Grundlage der Investitionsentscheidung zu nutzen.
Was sind Faktoren?
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Faktoren sind Merkmale von Wertpapieren, die systematisch Renditen oder Risiken beeinflussen. Die bekanntesten sind:
- Value: Aktien, die im Verhältnis zu Fundamentaldaten wie Gewinn oder Buchwert günstig erscheinen, haben langfristig oft eine Überrendite erzielt.
- Size: Kleinere Unternehmen (Small Caps) tendieren historisch zu höheren Renditen als große Konzerne, allerdings bei höherem Risiko.
- Momentum: Aktien, die in der Vergangenheit stark gestiegen sind, zeigen oft auch in der Folgezeit eine überdurchschnittliche Entwicklung.
- Low Volatility: Werte mit geringen Kursschwankungen bieten häufig stabilere Renditen als der Gesamtmarkt.
- Quality: Unternehmen mit soliden Bilanzen, stabilen Gewinnen und geringer Verschuldung entwickeln sich oft robuster.
Diese Faktoren wurden durch zahlreiche Studien nachgewiesen, die historische Daten über Jahrzehnte hinweg analysierten.
Der wissenschaftliche Anspruch
Faktor-Investing versteht sich als evidenzbasierte Geldanlage. Anders als rein aktive Strategien, die auf individuelle Meinungen von Fondsmanagern setzen, stützt sich dieser Ansatz auf statistische Belege. Die Faktoren sollen nicht nur zufällige Phänomene sein, sondern langfristige Risikoprämien darstellen, die Investoren für das Eingehen bestimmter Risiken erhalten.
So lässt sich beispielsweise die Value-Prämie damit erklären, dass Investoren ungern in vermeintlich schwächelnde Unternehmen investieren – und daher eine höhere Rendite fordern, wenn sie es doch tun. Ähnlich verhält es sich mit Small Caps: Sie sind risikoreicher, versprechen dafür aber auch höhere Renditen.
Von der Theorie zur Praxis
Faktor-Investing ist die wissenschaftliche Grundlage hinter Smart Beta und verbindet Theorie mit praktischer Umsetzbarkeit. Es übersetzt jahrzehntelange Forschungsergebnisse in konkrete Anlagestrategien und macht sie über ETFs auch für Privatanleger zugänglich."
Die Umsetzung von Faktor-Investing erfolgt heute häufig über Smart-Beta-ETFs, die Faktoren regelbasiert in Indizes übersetzen. So gibt es Fonds, die gezielt Value-, Quality- oder Momentum-Aktien auswählen und gewichten.
Auch institutionelle Investoren nutzen den Ansatz, indem sie Portfolios so strukturieren, dass sie auf mehrere Faktoren gleichzeitig setzen. Diese „Multi-Faktor-Strategien“ sollen die Schwächen einzelner Faktoren ausgleichen und die Stabilität des Portfolios erhöhen.
Chancen und Grenzen
Faktor-Investing bietet Anlegern die Möglichkeit, systematisch auf nachgewiesene Muster zu setzen und so die Renditepotenziale der Märkte besser zu nutzen. Doch es gibt auch Einschränkungen:
- Zyklische Schwächen: Kein Faktor funktioniert dauerhaft. Value etwa kann über viele Jahre schlechter laufen als Growth.
- Überfüllungseffekte: Je mehr Anleger dieselben Faktoren verfolgen, desto stärker sinkt deren Renditevorteil.
- Datenabhängigkeit: Historische Analysen sind keine Garantie für die Zukunft. Märkte können sich verändern, sodass bisherige Zusammenhänge an Bedeutung verlieren.
Für Anleger heißt das: Faktor-Investing ist kein Wundermittel, sondern ein Werkzeug. Wer es einsetzt, muss Schwankungen und längere Durststrecken aushalten können.
Fazit – Wissenschaft trifft Praxis
Faktor-Investing ist die wissenschaftliche Grundlage hinter Smart Beta und verbindet Theorie mit praktischer Umsetzbarkeit. Es übersetzt jahrzehntelange Forschungsergebnisse in konkrete Anlagestrategien und macht sie über ETFs auch für Privatanleger zugänglich.
Seine Stärke liegt darin, dass es auf empirisch belegten Zusammenhängen basiert – seine Schwäche darin, dass diese Zusammenhänge nicht konstant bleiben. Am Ende ist Faktor-Investing kein Ersatz für grundlegende Diversifikation, sondern eine Ergänzung, die das Rendite-Risiko-Profil eines Portfolios gezielt verändern kann.
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