Das Märchen vom "vernünftigen" Anleger

Unser Gehirn kann nicht mit Geld umgehen Gier frisst Hirn

In ökonomischen Theorien zu Finanzmärkten spielt immer wieder der "rationale Anleger" eine wichtige Rolle. Er gehört zu den Grundannahmen vieler Modelle. Der rationale Anleger agiert "vernünftig" anhand der ihm zur Verfügung stehenden Informationen und seiner daraus abgeleiteten Erwartungen an die Zukunft.

Dieses Menschenbild ist eine starke Vereinfachung. Nicht wenige Wissenschaftler bezweifeln, dass es überhaupt zutreffend für das Handeln an Finanzmärkten ist. Neuere Ansätze der Finanztheorie berücksichtigen dagegen mehr das menschliche Verhalten und Psychologie, um das Börsengeschehen zu erklären. Das neueste Forschungsgebiet in diesem Bereich ist "Neurofinanz": die Verbindung aus Verhaltensökonomie, Hirnforschung und Psychologie.

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Das Märchen vom "vernünftigen" Anleger 

Neurofinanz versucht de facto das Verhalten vieler Börsenakteure auf die Ebene des Einzelnen bzw. seiner Gehirnprozesse herunterzubrechen. Die gewonnenen Erkenntnisse stellen die klassischen Annahmen zum Börsenverhalten praktisch auf den Kopf, erklären aber manche rational kaum nachzuvollziehende Vorgänge. "Gier frisst Hirn" ist ein Schlagwort für die festgestellten Denk- und Verhaltensweisen, etwas weniger drastisch ließe sich formulieren: "Emotionen wirken oft stärker als der Verstand". 

Tatsächlich folgen wir auch als Anleger offenbar unseren seit Jahrtausenden eingesetzten "Urinstinkten", die nicht selten vernünftiges Denken und Handeln überlagern. Angst und Schmerz spielen ebenso wie Freude und Belohnung dabei eine wichtige Rolle. Im menschlichen Gehirn gibt es keine speziellen Areale für finanzielles Handeln. Erfolg und Misserfolg an den Börsen werden nach den gleichen uralten Mustern bewertet und verarbeitet wie andere Erfahrungen auch. Wenn wir unseren Instinkten folgen, ist uns das offenbar nicht einmal bewusst. Wir sprechen dann häufig von Entscheidungen "aus dem Bauch" heraus. 

Emotionen stärker als der Verstand 

Sowohl Positiv- als auch Negativerfahrungen werden dabei so verarbeitet, dass dem Verstand allenfalls noch eine Nebenrolle zukommt. Die Empfindungen sind durchaus abgestuft. Bei mäßigen Verlusten wird zunächst nur mit Schmerz oder Ärger reagiert, größere Verluste können Fluchtreflexe auslösen, bei dramatischen Einbrüchen sind oft Panikreaktionen der Fall. So kommt es zum Beispiel, dass Abwärtsbewegungen an der Börse immer noch weiter verstärkt werden. 

Emotionen wirken oft stärker als der Verstand."

Aber auch bei Gewinnen ist die Reaktion nicht rational, Gewinn bedeutet eine Belohnung für gezeigtes Verhalten und wir sind darauf "gepolt", Belohnungen möglichst sofort einzustreichen. Deshalb werden Gewinne vielfach schneller realisiert als Verluste. Auch der Wunsch nach "immer mehr" lässt sich mit der "Gier" nach Belohnungen erklären. 

Einfach "ausschalten" können wir unsere Emotionen beim Börsenhandeln nicht, dazu sind sie viel zu tief in uns verankert. Aber es würde schon viel helfen, sich die Zusammenhänge - wie sie Neurofinanz aufzeigt - bewusst zu machen. Dann könnte manche Fehlentscheidung vielleicht doch vermieden werden.

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