„Active Core“- und „High-Conviction Active“-ETFs sind kein Widerspruch zum ETF-Prinzip, sondern dessen nächste Evolutionsstufe

Europas Markt wird voran getrieben Innovative „Active Core“-ETFs

Warum die neue Generation aktiver ETFs bis 2030 zum Billionenmarkt werden kann.

Europas ETF-Markt war lange ein Synonym für passives Investieren: breite Indizes, knappe Kosten, maximale Transparenz. Doch seit einigen Jahren wächst ein neues Segment rasant – aktive ETFs. Entscheidend ist nicht nur das „aktiv“, sondern wie aktiv gemanagt wird:

  • „Active Core“-ETFs zielen darauf, den Kern eines Portfolios zu stellen: breite, stetige Marktdurchdringung, aber mit gezielter Abweichung vom Index (Alpha-Quellen wie Qualitätsselektion, Regelbrüche bei Indexgrenzen, dynamische Faktorsteuerung).
  • „High-Conviction Active“-ETFs sind konzentrierter (oft 25–60 Titel), tolerieren deutliche Tracking-Error-Abweichungen und verfolgen klar umrissene Edge-Hypothesen (z. B. „qualitätsgetriebene Compounder“, „Small/Mid-Cap-Innovatoren“).

Dass Europas aktiver ETF-Markt bis 2030 auf ~1 Billion US-$ anwachsen kann, ist mehr als eine Zahl: Es ist die Konsequenz aus Produktinnovation, Regulierungsreife (UCITS/MiFID II/SFDR) und dem Migrationsdruck aus klassischen aktiven Publikumsfonds in den effizienteren ETF-Mantel.


Was „Active Core“ wirklich bedeutet

„Active Core“ ist weder Closet-Indexing noch Wetten auf Einzelereignisse.

Es ist die intentional begrenzte Abweichung vom Markt, um dauerhafte, wiederholbare Mehrerträge zu erzielen – bei ETF-typischer Handelbarkeit.

Typische Merkmale:

  • Breite, aber kuratierte Allokation: Hohe Überschneidung mit dem Vergleichsindex, ergänzt um gezielte Über-/Untergewichtungen (Qualität, Profitabilität, niedrige Verschuldung, Cashflow-Stabilität).
  • Dynamische Faktorsteuerung: Kein starrer Value/Growth-Bias, sondern Regimewechsel-taugliche Anpassungen.
  • Explizites Kostenmanagement: TER über passiven ETFs, aber unter vielen aktiven Fonds; Fokus auf Netto-Mehrwert nach Kosten.
  • ETF-Mechanik: Tägliche Handelbarkeit, Creation/Redemption mit Authorized Participants, enge Spreads bei liquiden Segmenten.

Der Vorteil für Anleger:

Kernfähigkeit (Sie müssen nicht „timen“ oder daneben noch schwergewichtige Satelliten bauen) plus Alpha-Potenzial – ohne auf die Infrastrukturvorteile des ETF-Mantels zu verzichten.


High-Conviction im ETF-Gewand: Chancen und Nebenwirkungen

„High-Conviction Active“-ETFs verengen die Titelliste bewusst, um Research-Edge und Kapitaldisziplin zu bündeln. Das ist attraktiv – aber es schwingt stärker.

Chance:

  • Deutlichere Alpha-Hebel durch Konzentration auf Quality-Compounder, strukturelles Wachstum, Kapitalallokations-Exzellenz.
  • Schnelle Reaktionsfähigkeit innerhalb des ETF-Rahmens (intraday handelbar, transparente Regeln).

Risiken:

  • Höherer Tracking-Error; Phasen relativer Schwäche sind wahrscheinlicher und länger.
  • Kapazitätsgrenzen in kleineren Segmenten (Crowding, Slippage).
  • Manager-Risiko: Die Story steht und fällt mit der Replikations- und Entscheidungsqualität des Teams.

Für Privatanleger heißt das: High-Conviction eignet sich selten als alleiniger Kern; es funktioniert besser als übergewichteter Satellit um einen Active-Core-Kern.


Warum der ETF-Mantel das aktive Geschäft verändert

Aktiv ist nicht automatisch teuer – der ETF-Mantel senkt Transaktions- und Vertriebskosten, erhöht Preistransparenz und Handelbarkeit:

  • Kostenarchitektur: OCF/TER oft deutlich unter traditionellen aktiven Fonds; die Eintrittshürde für aktiv gemanagte Strategien sinkt.
  • Intraday-Liquidität: Kaufe/verkaufe während der Handelszeit; RFQ-Plattformen ermöglichen große Tickets mit engen Spreads.
  • Steuer-/Ertragsmechanik: Ausschüttend vs. thesaurierend; Quellensteuer-Optimierung bleibt ein Thema, aber der Mantel ist in Europa UCITS-standardisiert.
  • Transparenz: Tägliche Holdings sind bei vielen europäischen aktiven ETFs üblich (semi-transparent in den USA verbreiteter, in der EU seltener).

Ergebnis: Das glaubwürdige Kosten-zu-Alpha-Verhältnis verbessert sich – genau das zieht Kapital vom klassischen Fondsmantel in aktive ETFs.


Wie „Active Core“ Portfolios robuster macht

Der Kern eines guten Privatanleger-Portfolios soll langweilig zuverlässig sein, nicht spektakulär. Active-Core-ETFs liefern hier drei Vorteile:

  1. Robuste Faktor-Balance: Sie vermeiden extreme Stilwetten und glätten die Ertragspfad-Volatilität.
  2. Qualitätsfilter: Systematische Ausschlüsse schwacher Bilanzen und geringer Kapitalrenditen reduzieren Tail-Risiken.
  3. Rebalancing mit Urteil: Kein blindes „Kaufen weil indexaufgestiegen“, sondern ökonomisch begründete Anpassungen.

Umsetzung: Bauplan für Privatanleger

1) Kern definieren

  • Aktien-Kern Europa/Global Developed: 1–2 Active-Core-ETFs als Basishülle.
  • EM-Beimischung: Active-Core kann hier besonders nützlich sein (Governance-/Qualitätsfilter).

2) Satelliten dosieren

  • High-Conviction für fokussierte Alpha-Wetten (z. B. Qualitäts-Growth, Small/Mid-Cap-Innovatoren).
  • Thematische Bausteine (sparsam), wenn sie Cashflow-Fundament haben.

3) Liquidität & Ausführung

  • Limit-Orders statt Market-Orders; bevorzugt Hauptmarktzeiten.
  • RFQ/Block-Handel für größere Tickets; Spreads mit iNAV/Indikation abgleichen.
  • Handelskosten in die Performance-Erwartung einpreisen.

Due-Diligence: Woran Sie Qualität erkennen

  • Anlageprozess: Klare, dokumentierte Alpha-Quellen (Qualität, Bewertung, Momentum, Cashflow-Stabilität).
  • Portfolio-Metriken: Active Share, Tracking-Error, Turnover, Sektor-/Faktor-Exposures; Zielkorridore statt Bauchgefühl.
  • Kosten vs. Versprechen: TER nur im Kontext erwartbarer Netto-Mehrwerte bewerten.
  • Kapazitätsmanagement: Gibt es klare Regeln gegen Verwässerung des Alpha (Soft-Closes, Positionsgrößen-Kappen)?
  • Team & Governance: Verantwortlichkeiten, Ersatzfähigkeit, Trade-Compliance und Fehlertoleranzkultur.
  • Nachhaltigkeitsrahmen (SFDR): Passt die ESG-Methodik zum eigenen Anspruch (Artikel 6/8/9)?
  • Handelsqualität: Reale Spreads, On-Screen-Volumen, Präsenz von Market Makern.

Risikoarchitektur: Was schiefgehen kann

„Active Core“- und „High-Conviction Active“-ETFs sind kein Widerspruch zum ETF-Prinzip, sondern dessen nächste Evolutionsstufe: aktives Urteilsvermögen in einem kosteneffizienten, liquiden, transparenten Mantel."

Auch die beste Struktur kennt Grenzen. Vier typische Fehlstellen:

  • Closet-Indexing: TER zu hoch für minimale Abweichung – Netto-Mehrwert erodiert.
  • Stilpersistenz: Manager bleiben zu lange im falschen Regime (z. B. Growth-Bias in Value-Phasen).
  • Daten-/Modell-Überfrachtung: Komplexe Signale ohne wirtschaftliche Intuition erzeugen Scheinpräzision.
  • Crowding/Illiquidität: Zu viel Kapital in denselben Mid-Caps; Ausstieg wird teuer.

Praxis: Drei Einsatzszenarien

  1. „Ein-Fond-Kern“ für disziplinierte Anleger: Ein globaler Active-Core-ETF als 50–70 % des Aktienanteils, ergänzt um Staatsanleihen/IG-Credit; High-Conviction nur in kleinen Dosen (5–15 %).
  2. „Barbell“ für Fortgeschrittene: Kombination aus günstigem breitem Index-ETF und High-Conviction-ETF; Ziel: durchschnittliche Kosten niedrig halten, Alpha gezielt bündeln.
  3. „Regime-Balancer“: Zwei Active-Core-ETFs mit komplementären Stilneigungen (z. B. Qualitäts-Value und Qualitäts-Growth), jährliches Rebalancing – reduziert Stil-Drawdowns.

Häufige Anlegerfragen – kurz beantwortet

  • Sind aktive ETFs wirklich „aktiv“? Ja – messen Sie es an Active Share und Tracking-Error. Unter 50 % Active Share wird es dünn.
  • Wie vergleiche ich Netto-Mehrwert? Gegen einen geeigneten Vergleichsindex, über rollierende 3–5 Jahre, nach Kosten, inkl. Handelsspanne.
  • Transparenz vs. Front-Running? Tägliche Holdings erhöhen Transparenz; gute Manager begrenzen Front-Running mit Handelstaktik (Staffelung, Dark/Lit-Mix) und Positions-Disziplin.
  • Steuern in Europa? Landesspezifisch. Prüfen Sie Thesaurierung/Ausschüttung, Quellensteuer-Effekte und die persönliche Situation.

Blick bis 2030: Warum das Ziel erreichbar erscheint

  • Migrationsdruck: Aktive Publikumsfonds verlieren Marktanteil an günstigere, transparentere aktive ETFs.
  • Modellportfolios & Berater: Wealth-Plattformen standardisieren Active-Core-Bausteine im Kern.
  • Technologie & Daten: Bessere Ausführungs-/Portfolio-Tools erhöhen die Replikationsqualität.
  • Regulatorische Klarheit: UCITS/MiFID II/SFDR geben einen stabilen Rahmen; Emittenten professionalisieren Kapazitätsmanagement.

Kurz: Skalierbare Aktivität im effizienten Mantel ist die Brücke zwischen „passiv günstig“ und „aktiv sinnvoll“.


Fazit

„Active Core“- und „High-Conviction Active“-ETFs sind kein Widerspruch zum ETF-Prinzip, sondern dessen nächste Evolutionsstufe: aktives Urteilsvermögen in einem kosteneffizienten, liquiden, transparenten Mantel. Für Privatanleger entsteht ein praktikabler Mittelweg:

  • Active Core als verlässlicher Portfolio-Kern mit moderatem Tracking-Error und robuster Faktor-Balance.
  • High-Conviction als gezielte Alpha-Beigabe – bewusst dosiert.

Wer sorgfältig prüft (Prozess, Kosten, Kapazität, Handelbarkeit) und Disziplin bei Ausführung und Rebalancing wahrt, kann vom erwarteten Wachstum bis 2030 profitieren – nicht als Trendreiter, sondern als Architekt eines Portfolios, das Aktivität dort zulässt, wo sie einen Netto-Mehrwert stiftet, und ETF-Vorteile dort wahrt, wo sie unschlagbar sind.

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