Stärkere Beteiligung der Parlamente angemahnt

Verfassungsrechtler befragt Ist ein zweiter Lockdown verfassungswidrig?

In diesen Tagen steigen die Corona-Neuinfektionen in vielen Regionen Deutschlands wieder dramatisch an. Das verstärkt nicht nur die Angst vor Ansteckung, sondern weckt auch Befürchtungen vor einem erneuten bundesweiten Lockdown - analog zu den flächendeckenden Schließungen im März/April.

Das würde wieder eine erhebliche Einschränkung persönlicher Freiheiten bedeuten. Für die Wirtschaft wäre ein Lockdown2 eine Katastrophe. Die Folgen der ersten Schließung sind noch längst nicht verdaut. Aber ganz so schnell wird es wohl nicht zu einem bundesweiten Stillstand kommen - die rechtlichen Hürden dafür sind diesmal wesentlich höher als im Frühjahr. Das meinen zumindest führende Verfassungsrechtler.

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Verhältnismäßigkeit muss gewahrt werden

Grundsätzlich gilt bei Pandemie-Maßnahmen das Prinzip der Verhältnismäßigkeit. Der Nutzen von Beschränkungen muss gegen den Schaden durch die Einschränkung von Grundrechten abgewogen werden. Beeinträchtigt wären bei einem flächendeckenden Lockdown vor allem die wichtigen Grundrechte, Berufsfreiheit, die persönliche Handlungsfreiheit und die Versammlungsfreiheit. Im Frühjahr wurden die weitgehenden Einschränkungen vor allem damit begründet, einen befürchteten Kollaps des Gesundheitssystems zu verhindern und dadurch Leib und Leben von Bürgern zu schützen. Inzwischen sind wir einige Monate weiter, es konnten viele neue Erkenntnisse über das Corona-Virus gewonnen werden. Das Gesundheitswesen hatte Zeit, sich auf eine zweite Welle vorzubereiten.

Auch im Frühjahr ist der Kollaps bekanntlich nicht eingetreten und trotz der jetzt gestiegenen Infektionszahlen sind wir von einer drohenden Überlastung des Gesundheitssystems noch ein ganzes Stück entfernt. Alleine das würde einen bundesweiten Lockdown zu einem verfassungsrechtlichen Problem machen, denn er wäre unverhältnismäßig. Einschränkungen dürfen sich nach Ansicht von Verfassungsrechtlern nur auf konkrete Risiken in bestimmten Branchen, Veranstaltungen oder Hotspots beziehen. Das setzt einem umfassenden Lockdown enge Grenzen, ja macht ihn inzwischen sogar de facto unmöglich.

Die Verfassungsrechtler mahnen auch eine stärkere Beteiligung der Parlamente bei den Corona-Maßnahmen an."

Stärkere Beteiligung der Parlamente angemahnt

Lokale oder auf bestimmte Bereiche mit besonderen Infektionsgefahren bezogene Schließungen und Beschränkungen bleiben dagegen weiter möglich. Die Maßnahmen müssen aber gut begründet sein und tatsächlich auf die Abwehr von drohenden Infektionsgefahren zielen. Gewollte erzieherische Effekte rechtfertigen Eingriffe dagegen nicht.

Die Verfassungsrechtler mahnen auch eine stärkere Beteiligung der Parlamente bei den Corona-Maßnahmen an. Im Frühjahr sei tatsächlich die Stunde der Exekutive gewesen. Das gelte aber inzwischen nicht mehr. Ein reines Vorgehen auf Verordnungsbasis genüge nicht mehr der verfassungsmäßigen Ordnung.

 

 

Autor: Tobias Riefe

 

 

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