Finanzlexikon Multi-Faktor-Strategien
Wie sich Stärken von Faktoren kombinieren lassen.
Faktor-Investing gilt als eine Weiterentwicklung des klassischen Index-Investierens. Anleger setzen nicht mehr nur auf die breite Marktkapitalisierung, sondern auf bestimmte Eigenschaften von Aktien, die historisch mit besseren Renditen oder stabileren Ergebnissen verbunden waren – etwa Value, Momentum oder Low Volatility. Doch jeder einzelne Faktor unterliegt Schwankungen: Mal funktioniert Value, dann wieder Growth, oder Momentum liefert über Jahre hinweg keine Outperformance.
Genau hier setzen Multi-Faktor-Strategien an. Sie kombinieren verschiedene Faktoren in einem Portfolio, um die Vorteile jedes Faktors zu nutzen und gleichzeitig die Nachteile abzufedern. Ziel ist es, die Renditequellen breiter aufzustellen und eine robustere Performance über Marktzyklen hinweg zu erzielen.
Warum mehrere Faktoren besser sind als einer
Die Stärke eines Faktors zeigt sich selten in jeder Marktphase. Value-Aktien etwa laufen oft besser in Phasen steigender Zinsen und Inflation, während Momentum in Phasen starker Trendmärkte glänzt. Low-Volatility-Strategien wiederum erweisen sich in Krisenzeiten als stabil, können aber in Boomphasen hinterherhinken.
Wer nur auf einen einzelnen Faktor setzt, muss diese Schwächen aushalten. Durch die Kombination mehrerer Faktoren steigt jedoch die Chance, dass mindestens einer von ihnen in der jeweiligen Marktphase für Stabilität oder Outperformance sorgt. So entsteht eine Art Faktor-Diversifikation.
Typische Faktoren in der Kombination
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Die bekanntesten Bausteine einer Multi-Faktor-Strategie sind:
- Value: Aktien mit niedriger Bewertung im Verhältnis zu Fundamentaldaten.
- Momentum: Aktien, die jüngst eine positive Kursentwicklung gezeigt haben.
- Low Volatility: Aktien, die im historischen Vergleich geringe Kursschwankungen aufweisen.
- Quality: Unternehmen mit solider Bilanz, stabilen Gewinnen und geringer Verschuldung.
- Size: Tendenziell kleinere Unternehmen, die langfristig höhere Renditen bringen können.
Die Kunst liegt darin, diese Faktoren so miteinander zu verbinden, dass sie sich gegenseitig ergänzen.
Umsetzung in der Praxis
Es gibt unterschiedliche Wege, wie Multi-Faktor-Strategien umgesetzt werden können:
- Kombinierte Indizes: Indexanbieter entwickeln spezielle Benchmarks, die mehrere Faktoren gleichzeitig berücksichtigen. Beispiel: ein Index, der Value- und Momentum-Kriterien kombiniert.
- Portfolios aus Einzelfonds: Anleger können auch selbst mehrere Faktor-ETFs kombinieren, etwa einen Value-ETF mit einem Low-Volatility-ETF.
- Institutionelle Ansätze: Professionelle Investoren wie Pensionsfonds nutzen oft komplexe Modelle, um mehrere Faktoren systematisch und dynamisch zu gewichten.
Die Herausforderung besteht darin, Faktoren nicht beliebig zu mischen, sondern sie gezielt zu kombinieren. Manche Faktoren ergänzen sich gut, andere können redundant wirken.
Chancen und Risiken
Multi-Faktor-Strategien sind ein logischer Schritt in der Weiterentwicklung des Faktor-Investings. Sie bieten die Möglichkeit, Schwächen einzelner Faktoren abzumildern und die Renditequellen breiter aufzustellen. Damit eignen sie sich besonders für Investoren, die nicht auf einzelne Wetten setzen wollen, sondern ein ausgewogenes, wissenschaftlich fundiertes Portfolio anstreben."
Der Vorteil von Multi-Faktor-Strategien liegt in ihrer Robustheit. Anleger sind weniger abhängig von der Entwicklung eines einzelnen Faktors. Zudem wird die Volatilität des Portfolios häufig geglättet, da die Faktoren in verschiedenen Marktphasen unterschiedlich reagieren.
Doch auch hier gibt es Risiken:
- Komplexität: Die Konstruktion ist schwer durchschaubar, insbesondere bei neu entwickelten Indizes.
- Kosten: Multi-Faktor-ETFs sind oft teurer als klassische Indexfonds, weil die Methodik aufwendiger ist.
- Zyklische Schwächen: Auch Kombinationen können in bestimmten Marktphasen hinterherhinken, wenn mehrere Faktoren gleichzeitig nicht greifen.
Für Anleger ist es daher wichtig, Multi-Faktor-Strategien nicht als Allheilmittel zu sehen, sondern als langfristiges Werkzeug, das Geduld erfordert.
Fazit – Diversifikation auf der nächsten Ebene
Multi-Faktor-Strategien sind ein logischer Schritt in der Weiterentwicklung des Faktor-Investings. Sie bieten die Möglichkeit, Schwächen einzelner Faktoren abzumildern und die Renditequellen breiter aufzustellen. Damit eignen sie sich besonders für Investoren, die nicht auf einzelne Wetten setzen wollen, sondern ein ausgewogenes, wissenschaftlich fundiertes Portfolio anstreben.
Am Ende gilt jedoch: Auch Multi-Faktor-Investing ist nicht frei von Schwankungen. Doch wer langfristig denkt, kann mit diesem Ansatz ein stabileres Fundament legen – eine Diversifikation, die über die klassische Aufteilung von Regionen oder Branchen hinausgeht und die Struktur des Marktes selbst nutzt.
Freiräume schaffen für ein gutes Leben.