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Finanzlexikon Systematik: Faktor-Investing

Faktor-Investing gilt als Brücke zwischen passivem und aktivem Investieren. Der Ansatz geht davon aus, dass bestimmte Merkmale – sogenannte „Faktoren“ – über lange Zeiträume hinweg systematisch höhere Renditen oder eine bessere Risikostruktur ermöglichen können. Diese Faktoren sind wissenschaftlich untersucht, empirisch belegt und inzwischen fester Bestandteil vieler Anlagestrategien, nicht zuletzt in der Welt institutioneller Investoren.

Statt einzelne Aktien zu wählen oder den Gesamtmarkt eins zu eins abzubilden, wählen Faktor-Investoren bewusst Wertpapiere mit bestimmten Eigenschaften, die in der Vergangenheit mit einer statistisch signifikanten Mehrrendite oder Risikoreduktion verbunden waren. Das Ziel ist eine strukturierte, regelbasierte Allokation, die auf langfristiger Datenbasis beruht.


Ursprung und Grundgedanken

Faktor-Investing ist keine Modeerscheinung, sondern hat seine Wurzeln in der Kapitalmarktforschung. Aufbauend auf dem Capital Asset Pricing Model (CAPM) entwickelte Eugene Fama gemeinsam mit Kenneth French in den 1990er-Jahren das Drei-Faktoren-Modell, das neben dem Markt auch die Faktoren Size (Unternehmensgröße) und Value (Bewertung) berücksichtigte.

In den folgenden Jahren wurden weitere Faktoren identifiziert und in die Finanzpraxis überführt. Besonders bedeutend sind heute:

  • Value: Investition in unterbewertete Aktien mit niedrigem Kurs-Gewinn- oder Kurs-Buchwert-Verhältnis.
  • Size: Übergewichtung kleinerer Unternehmen, die langfristig höhere Renditen erzielt haben.
  • Momentum: Fokus auf Aktien mit positiver Kursdynamik in der jüngeren Vergangenheit.
  • Quality: Auswahl finanzstarker Unternehmen mit soliden Bilanzen und hoher Profitabilität.
  • Low Volatility: Investition in weniger schwankungsanfällige Aktien, um das Risiko zu senken.

Diese Faktoren bilden das Gerüst moderner Faktorstrategien – einzeln oder in Kombination eingesetzt.


Wie funktioniert Faktor-Investing in der Praxis?

Faktorstrategien lassen sich heute relativ einfach umsetzen – sowohl durch spezialisierte ETFs als auch durch aktive Fonds mit regelbasierten Selektionskriterien. Anleger investieren also nicht mehr nur in Regionen oder Branchen, sondern in bestimmte Merkmalsgruppen, die als überdurchschnittlich attraktiv gelten.

Dabei ist die Umsetzung diszipliniert und transparent. Die Auswahl erfolgt automatisiert nach klar definierten Kriterien. Ein ETF auf den Faktor „Value“ etwa wählt regelmäßig die günstigsten Aktien eines Index und gewichtet sie entsprechend. Ähnlich verfahren Strategien für „Quality“ oder „Momentum“.

Die eigentliche Kunst liegt dabei in der Kombination und Gewichtung der Faktoren. Denn nicht jeder Faktor funktioniert zu jeder Zeit gleich gut. Gerade in bestimmten Marktphasen können einzelne Faktoren unter Druck geraten – während andere aufblühen. Eine ausgewogene Allokation über mehrere Faktoren hinweg kann helfen, die Schwankungen auszugleichen.


Vorteile des Faktor-Investings

Faktorstrategien versprechen, auf Basis historischer Zusammenhänge gezielter zu investieren als über eine reine Marktabbildung. Ihre Vorteile sind vielfältig:

  • Transparenz: Anleger wissen genau, welche Kriterien zur Anwendung kommen.
  • Kosteneffizienz: Viele Faktor-ETFs sind günstiger als aktive Fonds.
  • Risikooptimierung: Kombination bestimmter Faktoren kann das Portfolio stabilisieren.
  • Flexibilität: Anpassbar an individuelle Risikoneigung und Anlagezielsetzung.

Hinzu kommt: Faktor-Investing ist datengetrieben – also weniger abhängig von Emotionen oder subjektiven Einschätzungen. Das kann helfen, Verhaltensfehler zu vermeiden, wie sie beim aktiven Stock-Picking häufig vorkommen.


Herausforderungen und Kritik

Faktor-Investing ist keine Mode, sondern ein wissenschaftlich fundierter Zugang zu systematischer Rendite. Wer sich darauf einlässt, kann Märkte nicht schlagen, aber konsequenter strukturieren – und typische Anlegerfehler vermeiden. Der Schlüssel liegt in der Geduld: Faktorprämien wirken nicht über Monate, sondern über Jahre hinweg."

Trotz vieler Vorteile ist Faktor-Investing kein Selbstläufer. Die größten Herausforderungen liegen in der konsequenten Umsetzung und im Umgang mit Phasen, in denen einzelne Faktoren über längere Zeit unterdurchschnittlich performen.

Denn Faktorrenditen sind nicht gleichmäßig verteilt, sondern treten in Wellen auf. So konnte der Value-Faktor über viele Jahre kaum überzeugen, während Momentum und Growth dominierten. Anleger, die in solchen Phasen die Strategie aufgeben, laufen Gefahr, genau dann auszusteigen, wenn sich der Faktor zu erholen beginnt.

Ein weiteres Problem ist die sogenannte Faktorklumpung: Manche Aktien erfüllen mehrere Kriterien gleichzeitig – etwa Value und Low Volatility – was zu unerwünschter Konzentration führen kann. Auch der „Faktorwettbewerb“ unter Fondsanbietern hat zur Folge, dass nicht jede Strategie am Markt tatsächlich robust, wissenschaftlich fundiert oder sauber umgesetzt ist.


Integration in das eigene Portfolio

Faktor-Investing eignet sich nicht nur für institutionelle Anleger. Auch Privatinvestoren können es als gezielten Baustein im Depot nutzen – etwa als Ergänzung zu einem klassischen Core-Portfolio. Dabei lassen sich verschiedene Ansätze verfolgen:

  • Reiner Faktor-ETF auf einen bestimmten Stil (z. B. Quality oder Value).
  • Multifaktor-Strategien, die mehrere Faktoren systematisch kombinieren.
  • Satelliten-Allokation in einem Core-Satellite-Ansatz zur strategischen Erweiterung.

Wichtig ist, die Strategie über einen ausreichend langen Zeitraum zu verfolgen und regelmäßig zu überprüfen, ob sie noch zur persönlichen Lebenssituation, Risikobereitschaft und Zielsetzung passt.


Fazit: Struktur schlägt Intuition – aber nicht ohne Disziplin

Faktor-Investing ist keine Mode, sondern ein wissenschaftlich fundierter Zugang zu systematischer Rendite. Wer sich darauf einlässt, kann Märkte nicht schlagen, aber konsequenter strukturieren – und typische Anlegerfehler vermeiden. Der Schlüssel liegt in der Geduld: Faktorprämien wirken nicht über Monate, sondern über Jahre hinweg.

Für langfristige Investoren, die mehr wollen als eine einfache Marktabbildung, aber weniger Aufwand und Unsicherheit als im aktiven Management, ist Faktor-Investing ein überzeugender Mittelweg – mit klaren Regeln, robustem Konzept und breitem Anwendungspotenzial.

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