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Finanzlexikon Systemrelevante Banken, too big to fail

Systemrelevante Banken, oft auch als „too big to fail“ bezeichnet, sind Finanzinstitute, deren Stabilität und Funktionieren für die gesamte Wirtschaft so wichtig sind, dass ihre Insolvenz oder Zahlungsunfähigkeit erhebliche negative Auswirkungen auf das Finanzsystem und die Volkswirtschaft haben könnte.

Systemrelevante Banken spielen eine zentrale Rolle in der globalen Finanzarchitektur und sind daher Gegenstand intensiver Überwachung und Regulierung. Diese Banken agieren oft grenzüberschreitend, verfügen über enorme Vermögenswerte und übernehmen wesentliche Funktionen wie Zahlungsverkehr, Kreditvergabe und Handel mit Finanzprodukten. Ihr Ausfall könnte zu einer Kettenreaktion führen, die andere Banken und die gesamte Wirtschaft destabilisieren würde.


Was sind systemrelevante Banken?

Systemrelevante Banken (engl. Systemically Important Banks, SIBs) sind Finanzinstitute, deren Größe, Vernetzung und Bedeutung in der Wirtschaft dazu führen, dass sie einen überproportionalen Einfluss auf die Stabilität des Finanzsystems haben.


Kriterien zur Einstufung als systemrelevante Bank

Die Einstufung einer Bank als systemrelevant basiert auf verschiedenen Faktoren, die von internationalen und nationalen Aufsichtsbehörden bewertet werden. Die wichtigsten Kriterien umfassen:

  1. Größe: Die Bilanzsumme und das Geschäftsvolumen sind Indikatoren für die Bedeutung einer Bank im Finanzsystem.
  2. Vernetzung: Die Bank ist stark mit anderen Finanzinstituten, Märkten und der Realwirtschaft verbunden, sodass ein Ausfall weitreichende Folgen hätte.
  3. Ersatzbarkeit: Wie leicht könnten die Dienstleistungen der Bank von anderen Marktteilnehmern übernommen werden? Eine geringe Substituierbarkeit erhöht die Systemrelevanz.
  4. Konzentration: Banken, die in bestimmten Märkten oder Dienstleistungen dominieren, tragen ein höheres systemisches Risiko.
  5. Interdependenz: Banken, die eng mit anderen Instituten verbunden sind, können bei einem Ausfall eine Ansteckungskrise auslösen.

Beispiele systemrelevanter Banken

Die Liste der systemrelevanten Banken wird regelmäßig von internationalen Institutionen wie dem Financial Stability Board (FSB) veröffentlicht. Zu den bekanntesten systemrelevanten Banken gehören:

  • JPMorgan Chase (USA)
  • Deutsche Bank (Deutschland)
  • HSBC (Großbritannien)
  • BNP Paribas (Frankreich)
  • Mitsubishi UFJ Financial Group (Japan)

Diese Banken sind durch ihre globalen Aktivitäten in verschiedenen Bereichen wie Investmentbanking, Vermögensverwaltung und Zahlungsverkehr von zentraler Bedeutung für die Stabilität des Finanzsystems.


Risiken systemrelevanter Banken

  1. Moralisches Risiko („Moral Hazard“): Systemrelevante Banken können sich auf ihre Bedeutung berufen und übermäßige Risiken eingehen, da sie darauf vertrauen, im Krisenfall von Regierungen oder Zentralbanken gerettet zu werden.
  2. Komplexität: Die globalen Aktivitäten und die vielfältigen Geschäftsbereiche dieser Banken machen sie schwer kontrollierbar. Ein Problem in einem Bereich kann sich schnell auf andere übertragen.
  3. Ansteckungsgefahr: Aufgrund ihrer Vernetzung können Schwierigkeiten bei einer systemrelevanten Bank schnell auf andere Institute und Märkte übergreifen.
  4. Kosten für Steuerzahler: Die Rettung systemrelevanter Banken im Krisenfall führt oft zu enormen Kosten für die Allgemeinheit, wie während der Finanzkrise 2008 zu beobachten war.
  5. Marktverzerrung: Systemrelevante Banken haben durch ihre Größe und staatliche Unterstützung oft Wettbewerbsvorteile gegenüber kleineren Instituten, was den freien Marktmechanismus beeinträchtigt.

Regulierung systemrelevanter Banken

Die Erfahrungen aus der Vergangenheit, insbesondere der Finanzkrise 2008, haben gezeigt, dass eine effektive Regulierung und Überwachung essenziell sind, um systemische Risiken zu minimieren. Ein Balanceakt zwischen Stabilität und Effizienz bleibt dabei eine der größten Herausforderungen für Aufsichtsbehörden und politische Entscheidungsträger weltweit."

Um die Risiken systemrelevanter Banken zu minimieren und ihre Stabilität zu gewährleisten, wurden weltweit umfassende regulatorische Maßnahmen ergriffen:

  1. Kapitalanforderungen: Systemrelevante Banken müssen höhere Eigenkapitalquoten vorweisen, um Verluste besser abfedern zu können.
  2. Stresstests: Regelmäßige Stresstests überprüfen die Widerstandsfähigkeit von Banken gegen wirtschaftliche Schocks und Krisen.
  3. Sanierungs- und Abwicklungspläne („Living Wills“): Systemrelevante Banken müssen detaillierte Pläne vorlegen, wie sie im Krisenfall saniert oder abgewickelt werden können, ohne das Finanzsystem zu destabilisieren.
  4. Enhanced Supervision: Die Aufsicht über systemrelevante Banken ist intensiver und erfolgt durch nationale sowie internationale Behörden wie die Europäische Zentralbank (EZB) oder die US-amerikanische Federal Reserve.
  5. Finanzstabilitätsabgabe: Einige Länder erheben Abgaben von systemrelevanten Banken, um einen Fonds zur Stabilisierung des Finanzsystems zu finanzieren.

Systemrelevante Banken und die Finanzkrise 2008

Die globale Finanzkrise 2008 machte die Gefahren von systemrelevanten Banken deutlich. Banken wie Lehman Brothers, deren Insolvenz das Finanzsystem weltweit erschütterte, oder die Rettung von Instituten wie der Royal Bank of Scotland und der Citigroup führten zu einem massiven Vertrauensverlust und zeigten die Notwendigkeit strengerer Regulierung. Infolge der Krise wurden Institutionen wie der Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht gestärkt, und neue Regelwerke wie Basel III wurden eingeführt.


Bedeutung systemrelevanter Banken für die Wirtschaft

Trotz ihrer Risiken sind systemrelevante Banken ein integraler Bestandteil des Finanzsystems. Sie stellen die Infrastruktur für den internationalen Handel, Kapitalflüsse und Investitionen bereit. Ihre Stabilität ist entscheidend für das Vertrauen in das globale Finanzsystem.


Fazit

Systemrelevante Banken sind aufgrund ihrer Größe und Bedeutung unverzichtbar für die moderne Wirtschaft. Gleichzeitig stellen sie durch ihre Risiken eine potenzielle Gefahr für die Stabilität des Finanzsystems dar.

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