Ökonomen von Goldman Sachs Wachstumsschub in Deutschland
Deutschland steht vor einer Zeitenwende in der Finanz- und Verteidigungspolitik. Seit Jahrzehnten galt das Land als fiskalisch konservativ, hielt an der Schuldenbremse fest und investierte vergleichsweise wenig in die eigene Rüstung. Doch der geopolitische Wandel und die sicherheitspolitischen Herausforderungen haben diese Haltung grundlegend verändert.
Mit der geplanten Lockerung der Schuldenbremse sollen Hunderte von Milliarden Euro für strategische Investitionen freigesetzt werden – ein großer Teil davon für die Modernisierung und Stärkung der Bundeswehr. Ökonomen von Goldman Sachs erwarten, dass diese Entwicklung nicht nur die deutsche Wirtschaft ankurbeln, sondern auch positive Impulse für die gesamte Eurozone setzen wird.
Die neue Realität der Verteidigungsausgaben
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Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine im Jahr 2022 ist die Sicherheitslage in Europa fragiler denn je.
Länder, die jahrzehntelang auf Diplomatie und wirtschaftliche Verflechtung als Mittel der Konfliktvermeidung setzten, schwenken nun auf militärische Abschreckung um.
Deutschland, das über Jahre hinweg unter dem NATO-Ziel von zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) für Verteidigungsausgaben blieb, hat diesen Kurswechsel bereits angekündigt.
Das Sondervermögen von 100 Milliarden Euro, das nach Kriegsbeginn beschlossen wurde, war ein erster Schritt.
Doch mittlerweile ist klar, dass diese Summe nicht ausreicht, um die jahrzehntelangen Versäumnisse in der Ausrüstung der Bundeswehr auszugleichen.
Daher plant die Bundesregierung eine Lockerung der Schuldenbremse, um weitere Milliardeninvestitionen in Verteidigung, Infrastruktur und Technologie zu ermöglichen.
Warum Goldman Sachs einen Wachstumsschub erwartet
Die Ökonomen von Goldman Sachs sehen in dieser Entwicklung einen bedeutenden wirtschaftlichen Impuls. Investitionen in Rüstung und Sicherheit sind nicht nur reine Staatsausgaben, sondern haben weitreichende Multiplikatoreffekte für die gesamte Wirtschaft.
- Stärkung der deutschen Industrie: Die Rüstungsindustrie umfasst nicht nur Waffenhersteller, sondern auch zahlreiche Zulieferer, Ingenieurbüros und Hochtechnologie-Unternehmen. Mit den zusätzlichen Investitionen könnten Arbeitsplätze geschaffen und ganze Produktionsketten ausgebaut werden.
- Technologische Innovationen: Verteidigungsausgaben haben oft positive Nebeneffekte für andere Branchen. Viele zivile Innovationen – von der Luftfahrt bis zur Medizintechnik – haben ihren Ursprung in militärischer Forschung. Deutschland könnte durch neue staatliche Investitionen langfristig seine technologische Wettbewerbsfähigkeit stärken.
- Impulse für den europäischen Wirtschaftsraum: Da viele der geplanten Aufträge auch in Kooperation mit europäischen Partnern vergeben werden, könnte der wirtschaftliche Schub, den Deutschland erlebt, auf andere Länder in der Eurozone ausstrahlen. Besonders Frankreich, das eine starke Rüstungsindustrie besitzt, könnte davon profitieren.
Laut Goldman Sachs könnte die gesteigerte Investitionstätigkeit das deutsche Wirtschaftswachstum um bis zu 0,5 Prozentpunkte jährlich anheben – eine erhebliche Verbesserung in einem Umfeld, das bisher von Konjunkturschwäche und Investitionszurückhaltung geprägt war.
Die Bedeutung der Schuldenbremse für die Finanzierung
Die größte politische Hürde auf dem Weg zu diesen neuen Investitionen bleibt die Schuldenbremse. Diese im Grundgesetz verankerte Regelung begrenzt die Nettokreditaufnahme des Bundes auf 0,35 Prozent des BIP. Während die Schuldenbremse in Krisenzeiten – etwa während der Corona-Pandemie – vorübergehend ausgesetzt wurde, gibt es nun wachsenden politischen Druck, sie dauerhaft zu reformieren oder zumindest gezielt zu lockern.
Die Argumente für eine Lockerung der Schuldenbremse im Kontext der Verteidigungsausgaben sind vielfältig:
- Sicherheit als öffentliche Investition: Kritiker der Schuldenbremse argumentieren, dass Investitionen in die Landesverteidigung ähnlich wie Infrastrukturprojekte behandelt werden sollten – als langfristige Investitionen in die Stabilität und Zukunft des Landes.
- Finanzielle Flexibilität für geopolitische Herausforderungen: Die derzeitige Regelung schränkt die finanzielle Handlungsfähigkeit des Staates ein, wenn es um schnell notwendige strategische Entscheidungen geht. Eine Reform könnte mehr Spielraum für unerwartete Entwicklungen schaffen.
- Internationale Wettbewerbsfähigkeit: Andere Länder wie die USA oder Frankreich haben keine vergleichbare Schuldenregelung und können ihre Verteidigungsausgaben entsprechend flexibler gestalten. Deutschland könnte durch eine Reform wettbewerbsfähiger werden.
Sollte es tatsächlich zu einer Lockerung kommen, erwartet Goldman Sachs einen starken Investitionsschub, der nicht nur der Rüstungsbranche, sondern auch der Gesamtwirtschaft zugutekommen könnte.
Welche Unternehmen profitieren?
Ob Deutschland tatsächlich den erwarteten Wachstumsschub erlebt oder ob die politischen Hürden größer sind als gedacht, wird sich in den kommenden Jahren zeigen. Sicher ist jedoch, dass die Finanzmärkte und Investoren diese Entwicklungen genau beobachten – und dass der geopolitische Wandel auch wirtschaftliche Gewinner und Verlierer hervorbringen wird."
Die steigenden Verteidigungsausgaben werden nicht nur staatliche Institutionen betreffen, sondern auch eine Vielzahl von Unternehmen. Besonders profitieren dürften:
- Rüstungsunternehmen: Hersteller wie Rheinmetall, Hensoldt oder Airbus Defence & Space werden direkt von neuen Aufträgen profitieren.
- Technologieunternehmen: Anbieter von Cyber-Sicherheit, Satellitenkommunikation und Künstlicher Intelligenz (KI) werden zunehmend in militärische Anwendungen integriert.
- Zulieferbetriebe: Kleine und mittelständische Unternehmen, die Komponenten, Materialien oder Software für die Verteidigungsindustrie liefern, könnten von einer langfristig höheren Nachfrage profitieren.
- Infrastruktur- und Bauunternehmen: Da viele Investitionen in militärische Infrastruktur (Kasernen, Logistikzentren, Fabriken) fließen, könnten auch Baukonzerne von den staatlichen Ausgaben profitieren.
Diese Entwicklung dürfte auch Auswirkungen auf die Finanzmärkte haben. Goldman Sachs geht davon aus, dass europäische Rüstungs- und Technologieaktien überdurchschnittlich vom neuen Investitionszyklus profitieren werden.
Kritik und Risiken der neuen Rüstungspolitik
Trotz der erwarteten wirtschaftlichen Impulse gibt es auch kritische Stimmen. Besonders aus der Opposition, aber auch aus Teilen der Gesellschaft kommen Bedenken über eine zunehmende Militarisierung der Politik und die langfristigen Folgen hoher Rüstungsausgaben.
- Belastung der Staatsfinanzen: Auch wenn eine Lockerung der Schuldenbremse kurzfristig Investitionen ermöglicht, bleibt die Frage, wie diese langfristig finanziert werden sollen. Kritiker warnen davor, dass spätere Generationen eine hohe Schuldenlast tragen müssen.
- Soziale Prioritäten: In der politischen Debatte wird zunehmend gefragt, ob Milliarden für Rüstung nicht besser in Bildung, Gesundheitsversorgung oder Klimaschutz investiert werden sollten.
- Abhängigkeit von Rüstungsunternehmen: Eine enge Verzahnung zwischen Staat und Verteidigungsindustrie könnte langfristig politische Risiken mit sich bringen, wenn sich eine Abhängigkeit von bestimmten Konzernen entwickelt.
Diese Debatten werden entscheidend dafür sein, wie sich die Rüstungsausgaben in den kommenden Jahren entwickeln – und ob der von Goldman Sachs erwartete Wachstumsschub tatsächlich in vollem Umfang eintritt.
Fazit
Deutschland steht vor einer neuen Ära der Verteidigungsausgaben. Die geplante Lockerung der Schuldenbremse und die massiven Investitionen in Sicherheit und Infrastruktur könnten die Wirtschaft nachhaltig stimulieren. Ökonomen von Goldman Sachs sehen darin eine große Chance für Wachstum, sowohl für Deutschland als auch für die gesamte Eurozone.
Während Unternehmen aus der Rüstungs- und Technologiebranche von den steigenden Ausgaben profitieren dürften, bleiben Fragen zur langfristigen Finanzierbarkeit und zu den gesellschaftlichen Prioritäten offen.

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