Finanzlexikon Währungen in Krisenzeiten
Flucht in den Dollar, Aufwertung des Franken, Absturz des Pfunds usw.
Krisen – ob finanzieller, geopolitischer oder wirtschaftlicher Natur – verändern das Verhalten der Kapitalmärkte oft schlagartig. Aktienkurse brechen ein, Risikoprämien steigen, Liquidität versiegt. Doch was in der öffentlichen Wahrnehmung oft übersehen wird: Auch die Währungen verschieben sich massiv.
Denn in unsicheren Zeiten zeigt sich besonders deutlich, welche Währungen als sicher gelten – und welche nicht. Für Anleger, die international investiert sind, können diese Bewegungen entscheidenden Einfluss auf Wertentwicklung und Portfolio-Stabilität haben.
Der US-Dollar: Der Klassiker unter den Fluchtwährungen
Währungen sind nicht nur Tauschmittel – sie sind Ausdruck von Vertrauen, Stabilität und Systemzugehörigkeit. In ruhigen Zeiten scheint der Wechselkurs nebensächlich. Doch in der Krise zeigt sich: Er entscheidet mit darüber, ob ein Portfolio resilient ist – oder zusätzlich unter Druck gerät."
Kaum eine Währung zieht in Krisenphasen so verlässlich Kapital an wie der US-Dollar. Als Leitwährung des Welthandels, Stütze der globalen Rohstoffmärkte und Basis vieler Anleiheinvestments genießt der Dollar ein strukturelles Grundvertrauen.
Bei Stress an den Märkten – etwa in der Eurokrise, während der Corona-Pandemie oder angesichts geopolitischer Eskalationen – flüchten Investoren regelmäßig in den Dollar. Die Folge: Aufwertung gegenüber nahezu allen anderen Währungen. Für Anleger mit Fremdwährungs-Assets bedeutet das je nach Position entweder Stabilität – oder zusätzliche Belastung, wenn sie nicht im Dollarraum investiert sind.
Der Schweizer Franken: Stabilität durch Neutralität
Eine zweite Währung, die immer wieder als sicherer Hafen gefragt ist, ist der Schweizer Franken. Die politische Stabilität der Schweiz, ihre außenpolitische Neutralität, das solide Finanzsystem und eine traditionell zurückhaltende Geldpolitik machen den Franken in unsicheren Zeiten attraktiv.
Das zeigte sich eindrucksvoll 2015, als die Schweizer Nationalbank überraschend den Mindestkurs zum Euro aufgab – woraufhin der Franken in kürzester Zeit massiv aufwertete. Auch in der Corona-Krise oder während der Energiekrise 2022 zeigte der Franken eine beeindruckende Widerstandskraft.
Für Anleger kann das bedeuten: Wer in Franken notierte Titel hält, kann sich bei Marktturbulenzen über eine Währungsaufwertung als Stabilitätsanker freuen. Wer allerdings Fremdwährungsschulden in Franken aufgenommen hat, erlebt das Gegenteil – einen plötzlichen Schuldenanstieg in der Heimatwährung.
Das britische Pfund: Eine ehemals starke, zunehmend volatile Währung
Das britische Pfund galt lange Zeit als robuste Währung großer Volkswirtschaften. Doch in den letzten Jahren ist es zunehmend anfällig geworden – nicht zuletzt durch politische Unsicherheit im Zuge des Brexit, wechselhafte Regierungsführung und ein komplexes Verhältnis zur Geldpolitik.
In Krisenzeiten tendiert das Pfund heute eher zur Schwäche – insbesondere, wenn die Unsicherheit aus dem eigenen Land kommt. Nach dem Brexit-Votum 2016 verlor das Pfund massiv an Wert. Auch die Marktreaktionen auf den Haushaltsentwurf der Regierung Truss im Jahr 2022 zeigten, wie schnell das Vertrauen in eine Währung auf dem Spiel stehen kann.
Emerging Markets: Hohe Risiken, geringe Fluchtbereitschaft
Währungen von Schwellenländern wie dem brasilianischen Real, der türkischen Lira oder dem südafrikanischen Rand reagieren auf Krisen besonders sensibel – häufig mit Abwertungsdruck. Kapital fließt dann aus diesen Ländern in Richtung vermeintlich sicherer Häfen, und die jeweiligen Zentralbanken geraten unter Druck.
Für Anleger in Schwellenländer-ETFs oder -Anleihen bedeutet das oft: Zusätzliche Verluste durch Währungseffekte, selbst wenn die zugrunde liegenden Assets vergleichsweise stabil bleiben. Diese Dynamik erklärt, warum viele institutionelle Investoren Währungsrisiken aus Schwellenländern konsequent absichern – oder bewusst nur in harter Währung investieren.
Was Anleger aus früheren Krisen lernen können
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Ein Rückblick auf die großen Krisen der letzten 20 Jahre – von der Finanzkrise 2008 über die Euro-Krise bis zur Pandemie – zeigt:
- Krisen verstärken bekannte Muster: Flucht in Dollar und Franken, Schwäche in peripheren und politisch instabilen Währungen.
- Währungsbewegungen wirken oft schneller als andere Anlageklassen: Während Aktienmärkte fallen und sich erholen, schlagen Währungen bereits durch.
- Wer global investiert, ist nie nur in „Aktien“, sondern auch in „Währungen“.
Daher ist es unerlässlich, dass Anleger ihre Positionen nicht nur nach Anlageklassen, sondern auch nach Währungsrisiken analysieren.
Fazit: In der Krise zeigt sich die wahre Natur einer Währung
Währungen sind nicht nur Tauschmittel – sie sind Ausdruck von Vertrauen, Stabilität und Systemzugehörigkeit. In ruhigen Zeiten scheint der Wechselkurs nebensächlich. Doch in der Krise zeigt sich: Er entscheidet mit darüber, ob ein Portfolio resilient ist – oder zusätzlich unter Druck gerät.
Wer breit international investiert, muss sich dieser Dynamik bewusst sein – und nicht nur nach Performancepotenzial, sondern auch nach Krisenfestigkeit fragen. Denn die Währung bestimmt, wie sich globale Turbulenzen auf das eigene Vermögen auswirken.
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