Einfacher als in Deutschland Privatinsolvenz in England

Die Privatinsolvenz ist für überschuldete Privatpersonen die Ultima Ratio, um einen finanziellen Neustart anzugehen. In Deutschland ist das Verfahren mit vielen Auflagen verbunden und zieht sich über Jahre hin. Wesentlich schneller und einfacher geht es in England - ein Weg, der unter bestimmten Bedingungen auch Bundesbürgern offensteht.

Warum wird die Privatinsolvenz in beiden Ländern so anders gehandhabt? Das hat vermutlich mit unterschiedlichen "Rechtsphilosophien" zu tun. Im deutschen Recht besitzt der Gläubigerschutz Priorität, deshalb wird bei Überschuldung darauf geachtet, dass offene Forderungen möglichst bedient werden. Bei der Privatinsolvenz in England steht dagegen mehr der Gedanke einer zweiten Chance im Vordergrund - sie ist schuldnerfreundlicher.

12 Monate statt sechs Jahre bis zur Restschuldbefreiung

Doch ein "Spaziergang" ist die Privatinsolvenz auch in England nicht. Und als Schuldner muss man schon einige Hebel in Bewegung setzen, um in den Genuss des englischen Verfahrens zu kommen. Dessen größter Vorteil ist die Kürze. Jenseits des Ärmelkanals dauert es nach Eröffnung des Verfahrens nur 12 Monate bis zur Restschuldbefreiung. In Deutschland braucht es dafür sechs Jahre, manchmal sogar länger - eine Zeit, in der finanzielle Freiheit sehr stark eingeschränkt ist.

Auflagen und Verpflichtungen gibt es zwar auch beim englischen Verfahren, sie sind aber durchweg weniger streng als bei uns und alleine durch die Kürze erträglicher. So ist eine Erwerbstätigkeit während des Insolvenzverfahrens nicht verpflichtend. Bezüglich des pfändbaren Einkommens gibt es keine festen Sätze, sondern eine Einzelfallprüfung. Die festgelegten Pfändungsbeträge sind häufig niedriger als bei uns. Ergo bleibt dem Schuldner mehr "finanzielle Luft zum Atmen". Eventuell noch vorhandenes Vermögen hindert die Restschuldbefreiung nicht. Allerdings sind Schuldner nach Verfahrenseröffnung noch drei Jahre lang verpflichtet, Ratenzahlungen entsprechend ihren finanziellen Möglichkeiten zu leisten.

Insolvenztourismus wird nicht akzeptiert

Nach EU-Recht und deutscher Rechtsprechung ist die Privatinsolvenz in England auch bei uns anerkannt. Wie sich das künftig gestalten wird - Stichwort Brexit -, darüber besteht noch keine endgültige Klarheit. Schnelles Handeln kann zumindest nicht schaden, um noch in den Genuss der englischen Regelungen zu kommen. Um in England ein Verfahren eröffnen zu können, muss man einiges tun: der Lebensmittelpunkt muss sich tatsächlich in England befinden und es muss mindestens sechs Monate ein Wohnsitz auf der Insel bestehen, ehe ein Verfahren eröffnet werden kann.

Auch nach der Restschuldbefreiung empfiehlt sich keine unverzügliche Rückkehr nach Deutschland. Denn ein reiner Insolvenztourismus wird weder von englischer, noch von deutscher Seite akzeptiert. Eine Privatinsolvenz in England will gut geplant und vorbereitet sein - am besten mit fachkundiger Unterstützung.