Aktives Management bei ESG-Themen hat ein enormes Potenzial

Überzeugung oder Greenwashing? Aktives Management bei ESG-Themen

Die Nachfrage nach nachhaltigen Geldanlagen hat sich in den letzten Jahren dynamisch entwickelt. Begriffe wie ESG (Environmental, Social, Governance), Impact Investing oder „verantwortungsbewusstes Investieren“ sind in der Finanzwelt längst keine Randphänomene mehr. Besonders das aktive Fondsmanagement präsentiert sich gerne als Vorreiter einer neuen, ethisch fundierten Finanzkultur.

Doch mit dem Boom wächst auch die Skepsis: Wie viel Substanz steckt hinter den ESG-Versprechen aktiver Fondsanbieter? Ist ihr Engagement Ausdruck echter Überzeugung – oder nur eine Anpassung an Markttrends, getragen vom Wunsch, neue Anlegergruppen zu erschließen? Zwischen authentischem Engagement und opportunistischem Greenwashing verläuft ein schmaler Grat. 


ESG im aktiven Management: Anspruch und Wirklichkeit

Aktives Fondsmanagement hat den Anspruch, gezielt Einfluss auf die Kapitalallokation zu nehmen – also zu entscheiden, in welche Unternehmen investiert wird und in welche nicht.

Gerade im ESG-Bereich eröffnet dies die Möglichkeit, anhand von Umweltstandards, sozialen Kriterien und Unternehmensführung bewusst bestimmte Firmen auszuschließen oder gezielt zu fördern.

Im Unterschied zu passiven ESG-Strategien, die auf vorgefertigten ESG-Indizes basieren, können aktive Manager eigene Maßstäbe anlegen, tiefgreifendere Analysen durchführen und individuell auf aktuelle Entwicklungen reagieren.

So können sie beispielsweise Unternehmen bevorzugen, die ambitionierte Klimaziele verfolgen, aber in herkömmlichen ESG-Ratings noch nicht vorn liegen – oder Firmen ausschließen, die durch Skandale in Verruf geraten, obwohl sie formale ESG-Kriterien erfüllen.

Aktives ESG-Management verspricht damit ein maßgeschneidertes, wertorientiertes Anlageerlebnis – mit größerer Nähe zu den tatsächlichen Überzeugungen der Investoren.


Greenwashing: Wenn ESG zum Marketing-Etikett wird

Trotz dieses Potenzials ist das aktive ESG-Fondsmanagement nicht frei von Kritik. In vielen Fällen zeigt sich, dass Nachhaltigkeit mehr proklamiert als tatsächlich praktiziert wird. Unter dem Schlagwort „Greenwashing“ wird eine Strategie verstanden, bei der sich Finanzprodukte nachhaltiger darstellen, als sie faktisch sind.

Typische Anzeichen für Greenwashing im Fondsbereich sind:

  • Vage oder unklare ESG-Kriterien ohne belastbare Definitionen.
  • Investments in Branchen mit offensichtlichen Zielkonflikten (z. B. fossile Energie, Waffenindustrie).
  • Überbetonung einzelner ESG-Aspekte bei gleichzeitiger Vernachlässigung anderer.
  • Unzureichende Transparenz über Abstimmungsverhalten und Engagementaktivitäten.

Viele aktive Fonds greifen auf Daten externer ESG-Ratingagenturen zurück, deren Methoden jedoch häufig intransparent, uneinheitlich oder widersprüchlich sind. So kann es vorkommen, dass ein Unternehmen von einer Agentur als ESG-Vorreiter gelobt, von einer anderen hingegen als Risiko eingestuft wird.


Engagement und Stimmrechtsausübung: Der eigentliche Prüfstein

Ein zentrales Unterscheidungsmerkmal zwischen glaubwürdiger ESG-Strategie und Greenwashing ist das tatsächliche Engagement eines Fondsmanagers. Engagement bedeutet, dass Fondsanbieter aktiv mit den Unternehmen im Portfolio in Dialog treten, um nachhaltige Veränderungen zu bewirken – etwa durch Gespräche mit dem Management, die Einreichung von Aktionärsanträgen oder durch gezielte Abstimmungen auf Hauptversammlungen.

Tatsächlich zeigen Untersuchungen, dass viele Fondsanbieter in der Vergangenheit selten oder zögerlich ihre Stimmrechte im Sinne von ESG-Zielen genutzt haben. In vielen Fällen stimmen sie konform mit dem Unternehmensmanagement, selbst wenn es um kritische Themen wie CO₂-Emissionen, Menschenrechte oder Geschlechterdiversität geht.

Glaubwürdige Fondsanbieter dokumentieren ihre Stimmrechtsentscheidungen öffentlich, erklären ihre Engagementstrategie und zeigen auf, welche konkreten Veränderungen sie angestoßen haben. Hier trennt sich das Feld der Anbieter deutlich: Zwischen denen, die ESG als aktives Veränderungsinstrument verstehen – und jenen, die sich im Nebel allgemeiner Wohlfühlversprechen verlieren.


ESG und die aktive Rolle des Fondsmanagements in der Realität

Aktives Management bei ESG-Themen hat ein enormes Potenzial: Es kann Kapitalströme lenken, Unternehmen zur Veränderung bewegen und dabei helfen, gesellschaftliche Herausforderungen mit marktwirtschaftlichen Mitteln zu adressieren."

Aktives ESG-Management steht in einem Spannungsfeld: Einerseits will man glaubwürdig nachhaltige Kriterien umsetzen. Andererseits müssen auch Renditeziele erfüllt, Benchmarks eingehalten und Risiken begrenzt werden.

Das führt zu typischen Zielkonflikten. So ist beispielsweise die Tech-Branche in vielen ESG-Fonds übergewichtet – nicht unbedingt, weil sie besonders nachhaltig ist, sondern weil sie eine attraktive Kombination aus Wachstum und vergleichsweise niedrigem CO₂-Ausstoß bietet. Gleichzeitig bleiben kontroverse, aber wirtschaftlich dominante Unternehmen oft im Portfolio – etwa wegen fehlender gleichwertiger Alternativen.

Diese Realität macht deutlich: Aktives ESG-Management ist kein moralisches Reinheitsversprechen, sondern ein Balanceakt. Entscheidend ist, ob dieser Balanceakt offen kommuniziert, transparent gesteuert und strategisch begründet wird – oder ob ESG lediglich als Etikett dient.


Regulierung, Labels und die Rolle der Anleger

Die EU hat mit ihrer Offenlegungsverordnung (SFDR) und der Taxonomie-Verordnung versucht, für mehr Klarheit und Vergleichbarkeit zu sorgen. Fonds müssen mittlerweile deklarieren, ob und wie sie Nachhaltigkeitskriterien berücksichtigen – etwa als Artikel-6-, Artikel-8- oder Artikel-9-Produkt. Doch auch diese Regelungen sind kein Garant für Qualität, sondern lediglich ein Rahmen zur Selbstklassifizierung, der sich noch in der Entwicklung befindet.

Für Anleger bedeutet das: Sie müssen kritisch hinterfragen, was ihnen angeboten wird. Entscheidend sind nicht nur ESG-Labels, sondern:

  • Welche konkreten Ausschlusskriterien gelten?
  • Wie wird Engagement praktiziert und dokumentiert?
  • Welche Rolle spielen ESG-Kriterien in der Titelauswahl – primär oder sekundär?
  • Gibt es messbare Ziele und Fortschritte im Portfolio?

Nur wer diese Fragen stellt – und Antworten erhält – kann zwischen echter Überzeugung und bloßem Greenwashing unterscheiden.


Fazit: ESG ist kein Selbstzweck – sondern Haltung in Aktion

Aktives Management bei ESG-Themen hat ein enormes Potenzial: Es kann Kapitalströme lenken, Unternehmen zur Veränderung bewegen und dabei helfen, gesellschaftliche Herausforderungen mit marktwirtschaftlichen Mitteln zu adressieren.

Doch dieses Potenzial entfaltet sich nur, wenn Überzeugung auf Konsequenz trifft. Ein ESG-Fonds ist nur dann glaubwürdig, wenn er transparent, strategisch kohärent und nachhaltig wirksam ist – nicht nur im Prospekt, sondern im Portfolio.

Für Fondsanbieter bedeutet das: Wer ESG verspricht, muss handeln – und messen lassen. Für Anleger heißt es: Wer ESG will, muss hinter die Kulissen schauen. Dann kann aktives Management mehr sein als eine Stilrichtung – nämlich ein Instrument für echte Veränderung.

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