Europa braucht Autonomes Zahlungsverkehrssystem
Warum Zahlungssouveränität zur wirtschaftlichen Notwendigkeit wird.
Die politische und wirtschaftliche Weltordnung hat sich in den vergangenen Jahren grundlegend verändert. Abhängigkeiten, die lange als stabil galten, werden heute kritisch hinterfragt. Besonders deutlich zeigt sich das im Zahlungsverkehr: Ein Bereich, der im Alltag unsichtbar bleibt, aber strategisch zentrale Bedeutung besitzt. Große Teile der europäischen Zahlungsabwicklung laufen über Systeme und Anbieter aus den USA. Angesichts globaler Spannungen und der zunehmenden Bedeutung digitaler Infrastrukturen gewinnt die Forderung nach europäischer Zahlungssouveränität an Gewicht.
Ein kritisches Fundament in externer Hand
Zahlungsverkehrssysteme sind eine der Kerninfrastrukturen moderner Volkswirtschaften. Sie entscheiden darüber, wie schnell, sicher und zuverlässig Geld fließt. In der Euro-Zone werden laut Daten der Europäischen Zentralbank mehr als 60 Prozent aller Kartenzahlungen über US-Anbieter abgewickelt. Für den täglichen Konsum mag diese Zahl abstrakt wirken, doch sie beschreibt eine strukturelle Realität: Europa nutzt kritische Infrastrukturen, die außerhalb seiner politischen und regulatorischen Kontrolle liegen.
Diese Abhängigkeit ist über Jahre gewachsen. Europäische Länder haben lokale Zahlungssysteme zugunsten globaler Anbieter aufgegeben, oft weil diese effizienter und kostengünstiger waren. Die Folge ist eine Konzentration, die wirtschaftlich bequem, aber geopolitisch sensibel ist.
Souveränität in einer veränderten Welt
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Zahlungssouveränität bedeutet nicht Autarkie, sondern Handlungsfähigkeit. Sie ermöglicht es, unabhängig von externen politischen Entscheidungen und technologischen Abhängigkeiten zu agieren.
Die internationale Lage zeigt, wie schnell wirtschaftliche Systeme unter Druck geraten können, wenn kritische Infrastruktur nicht mehr zuverlässig verfügbar ist oder geopolitische Ziele mit wirtschaftlichen Instrumenten verknüpft werden.
Drei Entwicklungen verstärken diesen Bedarf:
- Geopolitische Spannungen zwischen großen Wirtschaftsräumen,
- die zunehmende Bedeutung digitaler Plattformen als Infrastruktur,
- die Erkenntnis, dass Abhängigkeiten in Krisen schneller sichtbar werden.
Zahlungssysteme sind Teil dieser Dynamik.
Wer Kontrolle über seine Finanzflüsse hat, reduziert Risiken, die sonst schwer einzuhegen sind.
Strukturprobleme statt Technikfragen
Die Debatte über ein europäisches Zahlungsverkehrssystem wird oft technisch geführt – Kartensysteme, Standards, digitale Wallets. Doch das eigentliche Thema ist struktureller Natur. Es betrifft Governance, Regulierungsrahmen und ökonomische Unabhängigkeit. Ein europäisches System müsste in der Lage sein, Transaktionen ohne externe Abhängigkeiten zu verarbeiten und gleichzeitig kompatibel, sicher und wettbewerbsfähig zu bleiben.
Viele europäische Unternehmen und Banken sehen diese Notwendigkeit, aber der Aufbau eigener Systeme ist aufwendig und erfordert Koordination. Der europäische Markt ist fragmentiert, nationale Standards und Präferenzen unterscheiden sich, und Konkurrenzstrukturen erschweren gemeinsame Initiativen. Dennoch zeigt sich, dass die Alternative – fortgesetzte Abhängigkeit – langfristig größere Risiken birgt.
Zahlungsverkehr als strategische Infrastruktur
Zahlungsverkehr ist unsichtbar, aber entscheidend. Die Abhängigkeit Europas von nicht-europäischen Systemen birgt strategische Risiken, die in einer veränderten geopolitischen Lage stärker in den Vordergrund treten."
Der Zahlungsverkehr ist nicht nur ein wirtschaftliches Werkzeug. Er ist eine Infrastruktur, auf der Handel, Produktion und Konsum basieren. Ein autonomes System stärkt die Fähigkeit Europas, in Krisensituationen stabil zu bleiben. Es schafft nicht nur wirtschaftliche Unabhängigkeit, sondern auch Gestaltungsspielräume in Regulierung, Datenschutz und technologischer Entwicklung.
Zwei Aspekte stehen dabei im Mittelpunkt:
- Sicherheit: Ein eigenes System kann auf europäische Datenschutz- und Sicherheitsstandards abgestimmt werden.
- Wettbewerbsfähigkeit: Strategische Unabhängigkeit verhindert, dass externe Anbieter Regeln setzen, die für den europäischen Markt nicht optimal sind.
Ein europäisches System würde nicht die Notwendigkeit globaler Kooperationen ersetzen, aber es würde die Grundlage für selbstbestimmte Entscheidungen schaffen.
Die Rolle der Politik und der Finanzwirtschaft
Der Aufbau eines autonomen Zahlungsverkehrssystems ist ein langfristiges Projekt. Es erfordert politische Priorisierung, wirtschaftliche Zusammenarbeit und Investitionen. Die Warnung der EZB-Präsidentin Christine Lagarde deutet auf die wachsende Dringlichkeit hin. Sie zeigt, dass Zahlungssouveränität kein technisches Spezialthema mehr ist, sondern Teil einer strategischen Wirtschaftsagenda.
Politik, Banken und Technologieunternehmen stehen vor der Aufgabe, gemeinsame Strukturen zu schaffen, die leistungsfähig und international konkurrenzfähig sind. Ein europäisches System muss nicht isoliert sein, aber es muss eigenständig funktionieren können.
Fazit
Zahlungsverkehr ist unsichtbar, aber entscheidend. Die Abhängigkeit Europas von nicht-europäischen Systemen birgt strategische Risiken, die in einer veränderten geopolitischen Lage stärker in den Vordergrund treten. Ein autonomes europäisches Zahlungsverkehrssystem würde Stabilität, Handlungsspielräume und wirtschaftliche Souveränität stärken. Die Frage ist nicht, ob Europa ein solches System braucht, sondern wie schnell es aufgebaut wird.
Ich glaube, dass die Zusammenarbeit mit motivierten Menschen auf beiden Seiten zusätzliche Energie freisetzt










