Der globale Zahlungsverkehr ist eine der zentralen Infrastrukturen der Weltwirtschaft

Technologischer Wettbewerb im globalen Zahlungsverkehr CIPS vs. SWIFT

Der globale Zahlungsverkehr ist eine der zentralen Infrastrukturen der Weltwirtschaft. Er verbindet Banken, Unternehmen und Staaten in einem dicht verwobenen Netz elektronischer Transaktionen – effizient, stabil und grenzüberschreitend. Jahrzehntelang wurde diese Infrastruktur nahezu ausschließlich durch SWIFT, ein in Belgien ansässiges Finanzkommunikationsnetzwerk, geprägt.

Doch in einer zunehmend multipolaren Welt gewinnt ein neues System an Bedeutung: das chinesische CIPS – das „Cross-Border Interbank Payment System“. Was zunächst als technischer Zwilling zu SWIFT erschien, entwickelt sich zunehmend zu einem strategischen Instrument Chinas, um geopolitische Abhängigkeiten zu verringern und eigene Einflusszonen im internationalen Zahlungsverkehr aufzubauen.

Der Wettbewerb zwischen SWIFT und CIPS ist mehr als ein Infrastrukturstreit. Er ist ein indirektes Ringen um digitale Souveränität, finanzielle Unabhängigkeit und politische Einflussnahme im 21. Jahrhundert.


SWIFT: Der globale Standard mit westlicher Verankerung

Das 1973 gegründete Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication (SWIFT) ist kein Zahlungssystem im engeren Sinne, sondern ein Kommunikationsnetzwerk, das standardisierte Nachrichten zwischen Finanzinstituten übermittelt – etwa für Überweisungen, Akkreditive oder Wertpapiertransaktionen.

Es umfasst rund 11.000 Banken in über 200 Ländern und verarbeitet täglich Millionen Transaktionen.

SWIFT hat keine eigene Geldhaltungs- oder Clearingfunktion.

Es ermöglicht lediglich die sichere und zuverlässige Übermittlung von Zahlungsanweisungen, die dann über Korrespondenzbanken oder Zentralbanken ausgeführt werden.

Obwohl formal neutral und unabhängig, wird SWIFT als westlich dominiert wahrgenommen. Die USA und die EU haben wiederholt über SWIFT wirtschaftspolitische Sanktionen durchgesetzt – etwa gegen den Iran, Russland oder Nordkorea.

Wer von SWIFT ausgeschlossen wird, ist faktisch vom internationalen Finanzsystem abgeschnitten – ein machtvolles Instrument, das nicht zuletzt China zu eigenen Alternativen motiviert hat.


CIPS: Chinas Antwort auf westliche Dominanz

Das Cross-Border Interbank Payment System (CIPS) wurde 2015 von der People’s Bank of China gestartet, um den grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr in Renminbi (RMB) zu vereinfachen und zu beschleunigen. Anders als SWIFT umfasst CIPS nicht nur Nachrichtendienstleistungen, sondern auch Clearing- und Abrechnungsfunktionen, wodurch es eine höhere Integrationstiefe aufweist.

CIPS soll dazu beitragen, den RMB international wettbewerbsfähiger zu machen, vor allem in Ländern der Belt and Road Initiative, in Teilen Afrikas, Asiens und Südamerikas. Die Zahl der angeschlossenen Banken steigt kontinuierlich – sowohl in China als auch im Ausland.

Ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal: CIPS ist unter direkter staatlicher Kontrolle. Während SWIFT sich auf einen neutralen, marktbasierten Betrieb stützt, ist CIPS Teil der strategischen Finanzarchitektur der chinesischen Regierung. Diese Einbindung in staatliche Politik kann einerseits Vertrauen im chinesischen Einflussraum erzeugen – andererseits auch internationale Zurückhaltung hervorrufen.


Technologische und funktionale Unterschiede

Obwohl beide Systeme zur Abwicklung internationaler Zahlungen dienen, unterscheiden sich CIPS und SWIFT in mehreren grundlegenden Punkten:

  • Zielwährung: SWIFT ist währungsagnostisch, während CIPS stark auf Renminbi-Transaktionen fokussiert ist.
  • Funktionstiefe: SWIFT ist ein Nachrichtensystem, CIPS übernimmt zusätzlich Clearing-Funktionen.
  • Steuerung: SWIFT agiert unabhängig von Staaten, CIPS ist direkt der chinesischen Zentralbank unterstellt.
  • Sanktionssicherheit: SWIFT unterliegt westlicher Regulierung, CIPS positioniert sich als „sanktionsresistenter“ Kanal – zumindest innerhalb verbündeter Staaten.

Diese Unterschiede machen CIPS zu einem potenziell attraktiven System für Staaten und Banken, die sich von westlicher Kontrolle emanzipieren wollen. Gleichwohl bleibt die technologische Reife und internationale Verbreitung von SWIFT unerreicht.


Der politische Kontext: Finanzinfrastruktur als geopolitische Waffe

CIPS und SWIFT stehen nicht zwangsläufig in direkter Konkurrenz. Beide Systeme könnten parallel bestehen, sofern der globale Handel nicht vollständig entlang geopolitischer Blöcke reorganisiert wird. Doch die zunehmende Politisierung von Zahlungswegen und der technologische Fortschritt in Bereichen wie digitalen Währungen oder Blockchain könnten diese Balance in Zukunft verschieben."

Die Bedeutung von Zahlungsinfrastrukturen ist spätestens seit dem Ausschluss Russlands aus SWIFT im Jahr 2022 ins Zentrum der geopolitischen Diskussion gerückt. Sanktionen über das Zahlungssystem sind effektiv, weil sie ohne militärisches Eingreifen nationale Volkswirtschaften lähmen können.

China hat diesen Mechanismus analysiert und begonnen, seine eigene Finanzinfrastruktur aufzubauen, um strategische Verwundbarkeit zu reduzieren. CIPS ist Teil dieses Plans – ebenso wie die Entwicklung eines digitalen Yuan, der in Kombination mit CIPS langfristig einen vollständig souveränen chinesischen Zahlungsraum ermöglichen könnte.

Der Westen wiederum sieht in CIPS eine potenzielle Erosionsgefahr für die Durchsetzbarkeit von Finanzsanktionen und ein Zeichen für die mögliche Fragmentierung der globalen Finanzordnung. Der Wettbewerb ist also nicht nur technologisch, sondern fundamental politisch geprägt.


Internationale Rezeption und Nutzung in der Praxis

Während SWIFT als globaler Standard nahezu universell genutzt wird, ist CIPS derzeit noch vergleichsweise klein. Schätzungen zufolge laufen weniger als 2 % der internationalen Zahlungen über CIPS. Die Systemarchitektur wird aber konsequent erweitert, und Kooperationen mit Banken aus Russland, dem Nahen Osten und Südamerika deuten auf wachsende Nutzungsmöglichkeiten hin – gerade in geopolitisch sensiblen Regionen.

Zahlreiche internationale Banken, auch aus Europa, sind inzwischen über sogenannte „indirekte Teilnehmer“ an CIPS angebunden. Dabei dienen chinesische Banken als Schnittstelle. Die Motivation ist meist praktischer Natur – die Abwicklung von Geschäften in Renminbi wird einfacher und günstiger.

Doch ein echter Systemwechsel ist bislang ausgeblieben. Vertrauen, Standardisierung und Rechtssicherheit sind nach wie vor die Stärken von SWIFT – und die Achillesferse von CIPS.


Fazit: Koexistenz oder Konfrontation?

CIPS und SWIFT stehen nicht zwangsläufig in direkter Konkurrenz. Beide Systeme könnten parallel bestehen, sofern der globale Handel nicht vollständig entlang geopolitischer Blöcke reorganisiert wird. Doch die zunehmende Politisierung von Zahlungswegen und der technologische Fortschritt in Bereichen wie digitalen Währungen oder Blockchain könnten diese Balance in Zukunft verschieben.

Chinas Ambitionen mit CIPS sind langfristig angelegt: Die Kontrolle über eigene Zahlungswege, die Emanzipation vom Dollar-Dominat, die Stärkung des Renminbi im Weltmarkt. SWIFT steht dem als bewährtes System mit globaler Akzeptanz und hoher Sicherheit gegenüber – aber auch als Instrument westlicher Finanzmacht.

Der Wettbewerb zwischen CIPS und SWIFT ist daher ein Fenster in eine neue Weltordnung, in der nicht nur wirtschaftliche Effizienz, sondern Souveränität, Einfluss und Widerstandsfähigkeit gegenüber externem Druck entscheidende Faktoren sind.

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