Ein Rücksetzer von bis zu 20 Prozent bei US-Aktien ist „absolut denkbar“

Bert Flossbach zu US-Aktienmärkten Die Euphorie ist übertrieben

Bert Flossbach ist in der Welt der Vermögensverwaltung kein Unbekannter. Der Mitgründer von Flossbach von Storch, einer der renommiertesten unabhängigen Investmenthäuser Europas, gilt als analytischer Kopf mit klarem Blick für Risiken – und Chancen. In einem aktuellen Gespräch mit dem „Spiegel“ äußert sich Flossbach ungewöhnlich deutlich zur Lage an den Kapitalmärkten, insbesondere zur US-Wirtschaft und den dortigen Aktienmärkten.

Bert Flossbachs Einschätzungen sind deutlich: Die Euphorie sei übertrieben, ein Rücksetzer von bis zu 20 Prozent bei US-Aktien „absolut denkbar“. Doch Flossbach bleibt nicht bei der Kritik stehen. Er nimmt auch den deutschen Standort ins Visier, verteidigt das aktive Fondsmanagement – und zeichnet damit ein differenziertes Bild der aktuellen Marktlage, das weder Panik noch blinde Zuversicht nährt.


Überbewertete US-Märkte? Warum Flossbach zur Vorsicht rät

Der Ausgangspunkt seiner Skepsis liegt in den Vereinigten Staaten – genauer: im US-Aktienmarkt, der aus seiner Sicht derzeit zu viel Optimismus eingepreist hat.

Insbesondere die großen Technologiewerte hätten nach dem Hype um Künstliche Intelligenz hohe Erwartungen aufgebaut, die kaum nachhaltig erfüllt werden könnten.

Laut Flossbach sei ein Rückgang der Kurse von bis zu 20 Prozent in einzelnen Marktsegmenten realistisch, vor allem wenn sich das makroökonomische Umfeld weiter eintrübe. Seine Hauptargumente:

  • Zu hohe Bewertungen: Viele US-Aktien seien selbst bei optimistischen Gewinnprognosen teuer.
  • Verbraucher unter Druck: Die Konsumkraft der US-Haushalte schwindet – nicht zuletzt wegen hoher Zinsen und nachlassender Corona-Ersparnisse.
  • Zinspolitische Unsicherheit: Die Fed bleibt vorsichtig, das Risiko einer wirtschaftlichen Abkühlung ist nicht vom Tisch.
  • Konzentration im Index: Der S&P 500 werde von wenigen „Mega Caps“ dominiert, die anfällig für Stimmungsschwankungen seien.

Flossbach betont, dass er keineswegs das Ende der US-Wirtschaft sehe – wohl aber eine Phase der Normalisierung, die von Anlegern nicht unterschätzt werden sollte.


Deutschland – ein Standort in der Frustrationsfalle

Während er die US-Märkte nüchtern analysiert, spricht Flossbach über Deutschland mit einem gewissen Ärger. Die Diskussion um Standortschwäche, hohe Bürokratie und Investitionsstau sei aus seiner Sicht mehr als berechtigt. Das Land verliere an Dynamik, nicht nur im Vergleich zu den USA, sondern auch im europäischen Kontext.

Was ihn besonders stört:

  • Regulatorische Überfrachtung: Unternehmen würden durch Vorschriften ausgebremst.
  • Innovationsfeindliches Klima: Der Mut zum Risiko fehle, der Unternehmergeist werde systematisch entmutigt.
  • Kapitalmarktferne: In Deutschland sei die Aktienkultur immer noch unterentwickelt – was langfristig Vermögensaufbau und Innovation bremse.

Flossbach wünscht sich ein offeneres, zukunftsgerichtetes Denken – sowohl in der Politik als auch bei vielen Anlegern.


Aktive Fondsmanager: Rückkehr zur Relevanz

Bert Flossbachs Stimme hat Gewicht. Seine Analyse ist keine Angstmache, sondern ein Plädoyer für Besonnenheit und aktives Nachdenken über das eigene Portfolio. Er warnt nicht vor der Weltwirtschaft, sondern vor einer zu sorglosen Haltung gegenüber Bewertungen und Markterwartungen – insbesondere in den USA."

Ein weiterer Punkt, den Flossbach im Interview hervorhebt, betrifft sein ureigenes Geschäft: das aktive Fondsmanagement. Lange Zeit stand es im Schatten von ETFs und Indexfonds, die mit niedrigen Kosten und transparenter Struktur punkteten. Doch Flossbach sieht die Zeitenwende gekommen.

Sein Credo: In einer Welt mit geopolitischer Unsicherheit, differenzierten Inflationsentwicklungen und divergierender Unternehmensqualität bieten aktive Strategien einen echten Mehrwert.

Er glaubt, dass gut geführte, aktiv gemanagte Fonds in den kommenden Jahren wieder verstärkt die Benchmark schlagen könnten – etwa den beliebten MSCI World. Dafür brauche es:

  • Unabhängiges Denken jenseits von Indexzwängen.
  • Konsequente Qualitätsselektion von Unternehmen.
  • Langfristigen Anlagehorizont, statt kurzfristiger Taktik.
  • Geduld und Disziplin, auch in volatilen Phasen.

Flossbach spricht sich damit nicht gegen ETFs aus – aber für eine Wiederbelebung des aktiven Investierens, besonders in herausfordernden Zeiten.


Was bedeutet das für Anleger? Zwischen Abkühlung und Neuausrichtung

Das Interview mit Bert Flossbach ist kein Alarmruf, aber eine nachdrückliche Mahnung zur realistischen Erwartungshaltung. Wer sich ausschließlich von der jüngsten Performance von US-Aktien oder KI-Hoffnungen leiten lässt, könnte bald enttäuscht werden.

Gleichzeitig plädiert er dafür, das Augenmerk wieder stärker auf Fundamentaldaten zu richten – und nicht blind Indizes zu folgen. Das spricht für:

  • Mehr Diversifikation – auch über Regionen hinweg.
  • Qualitätsfokus – Unternehmen mit robusten Geschäftsmodellen und starker Bilanz.
  • Langfristige Perspektiven, statt schneller Gewinne.
  • Selektive Risikobereitschaft, gepaart mit kritischem Denken.

Fazit: Flossbachs Zwischenruf als Impuls zur Reflexion

Bert Flossbachs Stimme hat Gewicht. Seine Analyse ist keine Angstmache, sondern ein Plädoyer für Besonnenheit und aktives Nachdenken über das eigene Portfolio. Er warnt nicht vor der Weltwirtschaft, sondern vor einer zu sorglosen Haltung gegenüber Bewertungen und Markterwartungen – insbesondere in den USA.

Zugleich fordert er mehr Mut, mehr Eigenverantwortung und mehr Weitsicht in Deutschland – in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Wer diese Botschaften ernst nimmt, erkennt: Es ist kein schlechter Zeitpunkt für Anleger, die Dinge neu zu justieren. Und es ist eine gute Zeit für aktives Denken – auch jenseits des Mainstreams.

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