Der Umgang mit Nachhaltigkeitsversprechen im Finanzsektor ist anspruchsvoll geworden

Greenwashing-Vorwürfe DWS zahlt Millionenstrafe

Es ist ein Paukenschlag für die deutsche Fondsbranche – und ein Lehrstück darüber, wie anspruchsvoll der Umgang mit Nachhaltigkeitsversprechen im Finanzsektor geworden ist: Die Deutsche-Bank-Tochter DWS muss wegen irreführender Angaben zu nachhaltigen Investments ein Bußgeld in Höhe von 25 Millionen Euro zahlen. Die Zahlung erfolgt im Rahmen eines sogenannten „Diversionsverfahrens“, bei dem die Frankfurter Staatsanwaltschaft ihre Ermittlungen einstellt – gegen Auflagen.

Im Raum stand der Anfangsverdacht des Kapitalanlagebetrugs. Hintergrund sind Aussagen der DWS über die Nachhaltigkeit zahlreicher Fondsprodukte, die nach Einschätzung der Ermittler nicht durch ausreichende interne Prüfprozesse gedeckt waren. Der Vorwurf: Greenwashing. Also das bewusste oder fahrlässige Schönfärben von Finanzprodukten, um Anlegern ein ökologisches oder soziales Profil zu suggerieren, das de facto so nicht existiert.


Was ist Greenwashing im Finanzbereich?

Im Kontext der Kapitalanlage versteht man unter Greenwashing die Praxis, Produkte als nachhaltig oder ESG-konform zu bewerben, obwohl sie diese Kriterien in Wahrheit nur unzureichend erfüllen. ESG steht für Environmental, Social, Governance – also Umwelt-, Sozial- und Unternehmensführungsaspekte.

In Zeiten wachsender Nachfrage nach nachhaltigen Geldanlagen versuchen viele Finanzhäuser, ihre Produkte in ein „grünes“ Licht zu rücken. Doch die Kriterien, nach denen Fonds oder ETFs als „nachhaltig“ gelten, sind nicht einheitlich geregelt. Genau hier setzt die Kritik an: Wenn die internen Auswahlprozesse unscharf, inkonsequent oder irreführend dargestellt werden, können Anleger systematisch in die Irre geführt werden.

Im Fall der DWS ging es um Aussagen, dass ein großer Teil der verwalteten Assets nach ESG-Kriterien gemanagt werde – Aussagen, die später nicht mit den tatsächlichen Prüfverfahren in Einklang standen, wie es in Ermittlerkreisen hieß.


Ermittlungen mit Signalwirkung: Der Fall DWS

Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Frankfurt, die in enger Abstimmung mit der US-amerikanischen Börsenaufsicht SEC geführt wurden, liefen über mehrere Monate.

Auslöser waren Hinweise einer ehemaligen Nachhaltigkeitsbeauftragten der DWS, die intern auf Defizite in den ESG-Kriterien und deren Anwendung hingewiesen hatte.

Diese Whistleblowerin hatte auch internationale Aufmerksamkeit auf den Fall gelenkt.

Die Behörden untersuchten unter anderem:

  • Ob Fondsprodukte als „nachhaltig“ deklariert wurden, obwohl keine systematische ESG-Analyse durchgeführt wurde.
  • Ob der Vertriebsprozess Anleger vorsätzlich oder fahrlässig in die Irre geführt hat.
  • Inwieweit die DWS-Managementebene über die Problematik informiert war.

Die nun getroffene Einigung auf ein Bußgeld stellt keine Schuldfeststellung dar – sie dient vielmehr dazu, das Verfahren gegen Auflagen beizulegen.

Neben der Zahlung in Millionenhöhe verpflichtet sich die DWS zu internen Reformen und organisatorischen Maßnahmen, um Wiederholungen zu vermeiden.


Reputationsschaden und Folgen für die Branche

Die Zahlung von 25 Millionen Euro durch die DWS ist mehr als ein einzelner Fall. Sie ist ein Symbol für die wachsende Sensibilität im Umgang mit ESG-Versprechen. Was einst als freiwillige Imagepflege begann, entwickelt sich zu einem klar regulierten Bereich mit hohen Erwartungen und klaren Pflichten."

Unabhängig von der rechtlichen Bewertung ist der Schaden für die DWS beträchtlich – insbesondere in Bezug auf Reputation und Anlegervertrauen. Als börsennotierter Asset Manager mit Milliardenvolumen im Fondsbereich steht die DWS unter besonderer Beobachtung.

Der Vorwurf, Anleger in einem der sensibelsten Bereiche der Geldanlage – der Nachhaltigkeit – getäuscht zu haben, trifft den Kern des Geschäftsmodells. Der Imageschaden lässt sich nicht allein mit Geld wiedergutmachen, zumal nachhaltige Investments gerade für eine junge, kritische Anlegerschicht ein zentrales Auswahlkriterium darstellen.

Auch für andere Anbieter ist der Fall ein Warnsignal: Greenwashing ist längst kein bloßes Reputationsrisiko mehr, sondern ein aufsichts- und strafrechtlich relevantes Verhalten, das mit empfindlichen Konsequenzen verbunden sein kann. Behörden weltweit verschärfen ihren Blick auf ESG-Versprechen, nicht zuletzt im Zuge wachsender Regulierung wie der EU-Offenlegungsverordnung (SFDR) oder der Taxonomie-Verordnung.


Was sich ändern muss: Glaubwürdigkeit durch klare Standards

Der Fall DWS zeigt, wie dringend die Branche verbindliche, überprüfbare und einheitliche ESG-Kriterien benötigt. Bislang ist es vielen Anbietern möglich, unter dem Label „nachhaltig“ nahezu beliebig zu argumentieren – solange keine unabhängige Kontrolle erfolgt. Die Folgen sind nicht nur rechtlicher, sondern auch wirtschaftlicher Natur: Anleger, die sich betrogen fühlen, könnten ihr Kapital abziehen oder Schadenersatz verlangen.

Was jetzt notwendig ist:

  • Mehr Transparenz darüber, wie ESG-Kriterien konkret in die Investmententscheidungen einfließen.
  • Striktere Offenlegungspflichten bei Fondsprospekten und Marketingmaterialien.
  • Interne Kontrollsysteme, die ESG-Angaben regelmäßig überprüfen und dokumentieren.
  • Unabhängige Nachhaltigkeitsratings, die Orientierung geben.
  • Klarere Abgrenzung zwischen Fonds mit ESG-Integration und reinen Impact-Produkten.

Die Branche muss erkennen: Glaubwürdigkeit ist kein Marketingbegriff, sondern eine Voraussetzung für Vertrauen und Wachstum. Wer Nachhaltigkeit ernst nimmt, muss bereit sein, sie zu messen, zu dokumentieren – und sich auch daran messen zu lassen.


Fazit: DWS-Fall als Wendepunkt in der ESG-Debatte

Die Zahlung von 25 Millionen Euro durch die DWS ist mehr als ein einzelner Fall. Sie ist ein Symbol für die wachsende Sensibilität im Umgang mit ESG-Versprechen. Was einst als freiwillige Imagepflege begann, entwickelt sich zu einem klar regulierten Bereich mit hohen Erwartungen und klaren Pflichten.

Für Anleger bedeutet das: Sie sollten ESG-Angaben nicht blind vertrauen, sondern kritisch hinterfragen, welche Standards wirklich hinter einem Fonds stehen. Für Anbieter heißt es: Wer Nachhaltigkeit glaubwürdig leben will, muss über klare Prozesse, transparente Kommunikation und überprüfbare Kriterien verfügen.

Der Fall DWS mag rechtlich abgeschlossen sein – politisch, moralisch und wirtschaftlich aber beginnt die Auseinandersetzung mit Greenwashing und ESG-Glaubwürdigkeit erst jetzt wirklich.

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