Internationale Vergleiche über Alternativen Grundrente in der Praxis
Zwischen Anerkennung von Lebensleistung und globalen Reformideen.
Mit der Einführung der Grundrente zum 1. Januar 2021 wollte die Bundesregierung ein klares Signal setzen: Wer jahrzehntelang gearbeitet, Kinder erzogen oder Angehörige gepflegt hat, soll im Alter besser dastehen – auch wenn das Einkommen während des Erwerbslebens gering war. Die Idee: Anerkennung von Lebensleistung ohne Bedürftigkeitsprüfung, aber mit klaren Zugangskriterien.
In der Praxis ist die Grundrente ein Zuschlag zur gesetzlichen Altersrente. Anspruchsberechtigt sind Rentnerinnen und Rentner, die mindestens 33 Versicherungsjahre vorweisen können, deren durchschnittliche Entgeltpunkte aber unterhalb eines bestimmten Schwellenwerts liegen. Maximal ausgeschöpft wird die Grundrente bei 35 Jahren, die Auszahlung erfolgt automatisch, ohne separaten Antrag.
Doch viele Empfänger erleben Ernüchterung: Die durchschnittliche monatliche Aufstockung beträgt nur rund 80 bis 100 Euro – je nach Erwerbsbiografie und Region. Zudem zeigt sich in der Praxis:
- Der bürokratische Aufwand bei der Umsetzung ist erheblich, u. a. wegen des Datenaustauschs mit den Finanzämtern.
- Viele Rentner wissen nicht, ob sie Anspruch haben, oder sind enttäuscht vom Betrag.
- Die politische Wirkung bleibt ambivalent: Das Vertrauen in das Rentensystem wird gestützt, aber nicht grundlegend gestärkt.
Die Grundrente ist damit eher ein symbolischer Schritt – kein Systemwandel, sondern eine sozialpolitische Korrektur im bestehenden Rahmen.
Armutsvermeidung vs. Lebensleistungsprinzip – ein europäisches Spannungsfeld
Ein Blick über die Grenzen zeigt: Der Umgang mit niedrigen Rentenansprüchen ist international höchst unterschiedlich. Während Deutschland versucht, Bedürftigkeit zu vermeiden, ohne eine Grundsicherung einzuführen, verfolgen andere Länder sehr verschiedene Wege, um Altersarmut vorzubeugen.
In der Rentenpolitik stoßen zwei Prinzipien aufeinander:
- Versicherungslogik – Rentenhöhe richtet sich nach Beitragszahlung und Arbeitsleistung.
- Solidaritätslogik – Renten werden auch an Menschen gezahlt, die nie oder nur wenig eingezahlt haben, um Armut zu verhindern.
Die Grundrente versucht, zwischen beiden Prinzipien zu vermitteln – mit einem Schwerpunkt auf dem Lebensleistungsprinzip. Doch viele andere Länder wählen klarere, manchmal auch radikalere Ansätze.
Internationale Modelle im Vergleich – fünf Länder, fünf Antworten
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- Niederlande: Das niederländische Rentensystem basiert auf einer steuerfinanzierten Grundrente (AOW), die alle Bürger ab dem Rentenalter erhalten – unabhängig von ihrer Erwerbsbiografie. Zusätzlich gibt es eine kapitalgedeckte Betriebsrente. Die Kombination führt zu relativ hohen Nettorenten bei zugleich hoher Planbarkeit. Die Grundrente ist pauschal und einkommensunabhängig.
- Schweden: Schweden setzt auf ein Punktesystem, bei dem alle Einkommensjahre zählen – ergänzt durch eine einkommensabhängige garantierte Mindestrente. Zudem existiert ein obligatorisches kapitalgedecktes Element („Premium Pension“). Transparenz und Nachhaltigkeit stehen im Vordergrund, Altersarmut ist relativ selten.
- Großbritannien: Das Vereinigte Königreich hat ein zweistufiges System: eine staatliche „New State Pension“ als Grundabsicherung und zusätzliche betriebliche oder private Vorsorge. Die Grundrente ist steuerfinanziert und relativ niedrig, dafür existieren ergänzende Sozialleistungen. Das System ist einfach, aber unter dem Strich oft lückenhaft.
- Frankreich: In Frankreich besteht ein beitragsorientiertes System mit starkem Umlagecharakter, ergänzt durch Zusatzsysteme für bestimmte Berufsgruppen. Es gibt zwar keine „Grundrente“, aber Mindestrenten („minimum contributif“) für langjährig Versicherte mit niedrigen Einkünften. Das System steht jedoch unter massivem Reformdruck.
- Schweiz: Die Schweiz arbeitet mit einem Drei-Säulen-Modell: staatliche Grundsicherung (AHV), obligatorische berufliche Vorsorge (Pensionskasse) und private Säule. Die AHV ist stark umverteilend, aber stabil. Altersarmut ist selten – insbesondere bei Menschen, die in mehreren Säulen angespart haben.
Was lässt sich daraus für Deutschland ableiten?
Die Grundrente in ihrer jetzigen Form ist politisch gut gemeint, sozial korrektiv und organisatorisch anspruchsvoll. Doch ihre Wirkung bleibt begrenzt – vor allem in Anbetracht wachsender Altersarmutsrisiken durch atypische Erwerbsbiografien, Teilzeit, Solo-Selbstständigkeit und niedrige Löhne."
Keines der internationalen Systeme ist ohne Schwächen, aber sie zeigen: Die Kombination aus einfacher Grundabsicherung und ergänzender Pflichtvorsorge kann Altersarmut wirksam verhindern. Besonders auffällig sind:
- Länder mit pauschalen Grundrenten (wie die Niederlande) sichern eine breite Basis – unabhängig von Erwerbsbiografie.
- Systeme mit klaren Mindeststandards (wie in Schweden) schaffen Transparenz und Vertrauen.
- Die Dreiteilung der Vorsorge (z. B. Schweiz) ermöglicht eine Mischung aus Solidarität und individueller Verantwortung.
Deutschland dagegen bleibt bei einem beitragsbasierten System mit begrenzter Korrektur – weder einheitlich solidarisch noch vollständig versicherungslogisch. Die Grundrente schafft dabei punktuelle Entlastung, aber keine strukturelle Neuausrichtung.
Fazit: Kleine Lösung – große Erwartungen
Die Grundrente in ihrer jetzigen Form ist politisch gut gemeint, sozial korrektiv und organisatorisch anspruchsvoll. Doch ihre Wirkung bleibt begrenzt – vor allem in Anbetracht wachsender Altersarmutsrisiken durch atypische Erwerbsbiografien, Teilzeit, Solo-Selbstständigkeit und niedrige Löhne.
Internationale Vergleiche legen nahe: Wer Altersarmut systematisch bekämpfen will, muss mutiger sein. Eine auskömmliche Grundsicherung, klar definierte Mindestrenten oder ein obligatorisches Mehrsäulenmodell bieten langfristig mehr Stabilität und Gerechtigkeit als punktuelle Zuschläge.
Was bleibt, ist eine Debatte – darüber, was ein Sozialstaat denen schuldet, die jahrzehntelang gearbeitet haben. Und wie viel Eigenverantwortung Menschen zumuten kann, die auf ein System vertraut haben, das ihnen heute oft zu wenig zurückgibt.

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