Austrittswelle Kirchenaustritte durch Abgeltungssteuer
Seit Jahresbeginn wird bei steuerpflichtigen Kapitalerträgen automatisch die Kirchensteuer zusätzlich zur Abgeltungssteuer einbehalten. Dieses neue Verfahren hat offenbar manchen in Deutschland im vergangenen Jahr zum Kirchenaustritt motiviert.
Denn die ersten statistischen Daten lassen beim ohnehin bereits seit Langem existierenden Trend zum Kirchenaustritt für 2014 einen neuen Schub erkennen. Dabei mögen sicher auch Skandale wie der umstrittene Bau des Bischofs von Limburg ein Motiv gewesen sein. Das neue Verfahren zum Einzug der Kirchensteuer bei Kapitalerträgen hat aber offenbar noch nachhaltiger gewirkt, denn auch im Bereich der evangelischen Kirche haben Kirchenaustritte deutlich zugenommen.
Autor
Neue Welle beim Kirchenaustritt 2014
Rund 200.000 evangelische Christen sollen im vergangenen Jahr ihre jeweiligen Landeskirchen verlassen haben - ein neuer Rekord. Einzelne Landeskirchen stellen eine Zunahme beim Kirchenaustritt bis zu 50 Prozent fest. Für die katholische Kirche liegen noch keine Zahlen vor, hier geht man aber von einer ähnlichen Entwicklung aus. Für viele Bürger dürfte der Steuerabzug bei Kapitalerträgen der letzte Anstoß für ihre Austrittserklärung gewesen sein.
Verfahren wie bei der Abgeltungssteuer
Die Kirchen selbst wurden durch die Auswirkungen des neuen Verfahrens völlig überrascht. Tatsächlich sind bei den Reaktionen der Gläubigen viele Emotionen im Spiel. Der Unmut über die Steuererhebung ist dabei wahrscheinlich größer als die tatsächliche finanzielle Belastung. Die müsste nämlich eigentlich bei Null liegen. Denn an der Steuerpflicht an sich hat sich nichts geändert, lediglich das Erhebungsverfahren wurde modifiziert.
Bisher hatten Steuerpflichtige die Wahl, ob sie die Kirchensteuer von der Bank zusammen mit der Abgeltungssteuer einziehen lassen oder nicht. Beim Verzicht wurde die Kirchensteuer im Rahmen der Deklarierung der Kapitaleinkünfte bei der Einkommensteuer-Erklärung erhoben. Durch die Mitteilungen der Banken im vergangenen Jahr an ihre Kunden über die Einführung des automatischen Einzugs wurde vielen Steuerpflichtigen überhaupt erst bewusst, dass auch bei Kapitalerträgen Kirchensteuer anfällt.
Steuern sparen, der Lieblingssport der Deutschen."
Nur Minderheit ist betroffen
Tatsächlich ist aber nur eine Minderheit der Sparer betroffen. Denn wie bei der Abgeltungssteuer fällt die Kirchensteuer erst bei Überschreiten des Sparer-Pauschbetrags an. Der liegt bei Einzelpersonen bei 801 Euro pro Jahr, bei zusammen veranlagten Eheleuten bei 1602 Euro. Erst wenn mehr Kapitalerträge vorliegen, kommt der automatisierte Einzug zum Einsatz. Angesichts der anhaltenden Niedrigzinsen müssen aber schon ansehnliche Sparbeträge vorhanden sein, damit das der Fall ist. Bei einer unterstellten Verzinsung von 2 Prozent sind bei Ehepaaren zum Beispiel mehr als 80.100 Euro Kapital notwendig.
Ob die Belastung von Kapitalerträgen mit Kirchensteuer überhaupt gerechtfertigt ist, ist eine andere Frage, die sich generell im Zusammenhang mit dem deutschen Kirchensteuer-System stellt.