Serie Zur Person: Ein kluger Kopf geht in Rente: Prof. Hans-Werner Sinn
Prof. Sinn gehört zweifelsohne zu den profiliertesten Ökonomen in unserem Land. Wenn er als Präsident des renommierten Ifo-Instituts im März nächsten Jahres in den Ruhestand geht, wird das eine Lücke reißen.
Mit seinen zahlreichen populärwissenschaftlichen Veröffentlichungen, einer quasi multimedialen Präsenz und markanten Positionen zu wirtschaftspolitischen Themen ist der gebürtige Westfale und heutige Wahl-Münchner auch einem breiteren Publikum bekannt. Dem ifo-Institut für Wirtschaftsforschung in der bayerischen Landeshauptstadt steht Hans Werner Sinn bereits seit 1999 vor.
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Von links bis neo-liberal
Noch länger - seit 1984 - ist er Professor für Finanzwissenschaft an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Begonnen hat seine wissenschaftliche Laufbahn aber mit dem Volkswirtschafts-Studium in Münster. Danach folgten Promotion und Habilitation in Mannheim. Prof. Sinn lehrte zwei Jahre an der University of Western Ontario in Kanada und war Gastprofessor an mehreren bedeutenden Universitäten im Ausland, darunter der bekannten London School of Economics. Er hatte also genug Gelegenheit, "über den Tellerrand" zu blicken.
Dabei bewies er durchaus Wandlungsfähigkeit. Am Beginn seiner wissenschaftlichen Laufbahn stand er eher linken Positionen nahe, heute gilt Prof. Sinn oft als "rechts" oder "neo-liberal" - wobei dahingestellt ist, ob solche pauschalen Einordnungen überhaupt geeignet sind. Es sind vielmehr Einsicht und Erkenntnis, die den Wissenschaftler dazu veranlasst haben, gelegentlich eigene Standpunkte zu revidieren - zum Beispiel beim Euro.
Immer klar Stellung bezogen
Anfang der 1990er Jahre - bei der Euro-Einführung - war er es, der seinen Kollegen, die den Maastricht-Vertrag und den Währungsunion kritisch sahen, eine uneuropäische Haltung vorwarf. Er sah die vielen Vorteile, die eine ökonomisch "richtige" Umsetzung der europäischen Idee hätte bringen können. Mittlerweile gibt er den Kritikern weitgehend Recht. Seine Befürchtungen zur Euro-Entwicklung hat er in den Büchern "Die Target-Falle" und "Der Euro" auch für Laien verständlich dargelegt. In der Griechenland-Krise war und ist er einer der Befürworter eines Euro-Austritts des Landes und trifft sich hier mit dem ehemaligen Finanzminister Varoufakis, obwohl beide sonst nicht der Übereinstimmung verdächtig sind.
Klar Stellung bezogen hat Prof. Sinn oft. Sein Buch "Kaltstart" brachte ihm 1991 den Durchbruch in der öffentlichen Wahrnehmung. Darin zog er eine verheerende Bilanz der ökonomischen Umsetzung der Deutschen Einheit. In der schnellen Angleichung der Löhne und den ungelösten Eigentumsfragen sah er Hauptursachen für den industriellen Kollaps in den neuen Ländern.
In der Griechenland-Krise ist er einer der Befürworter eines Euro-Austritts des Landes."
Viele weitere Veröffentlichungen folgten. "Die Basar-Ökonomie", "Das grüne Paradoxon", "Der Kasino-Kapitalismus" sind nur einige Beispiele. Meist bezogen und beziehen sich seine Publikationen auf aktuelle wirtschaftliche Krisen und Herausforderungen - was für Aufmerksamkeit garantiert.
Es bleibt zu hoffen, das Prof. Sinn auch nach seinem Abschied weiter publizistisch und auch darüber hinaus präsent bleibt. Eine profunde wissenschaftliche Stimme würde sonst fehlen.