BofA-Stratege Michael Hartnett Schwellenländer im Aufbruch
Die internationalen Finanzmärkte sind geprägt von einer immer engeren globalen Verflechtung, aber auch von zyklischen Trends und geopolitischen Verschiebungen. Inmitten einer Vielzahl von makroökonomischen Unsicherheiten lenkt nun ein prominenter Marktstratege die Aufmerksamkeit auf eine Anlageklasse, die in den letzten Jahren zwar oft übersehen, aber nie vollständig aus dem Fokus geraten ist: Aktien aus den Schwellenländern.
Michael Hartnett, Chefstratege der Bank of America (BofA), hat sich mit einer klaren Prognose an die Öffentlichkeit gewandt: Emerging Markets könnten der „nächste Bullenmarkt“ sein. In einem Umfeld, das bisher stark von US-Technologiewerten, dem Dollar und geopolitischen Spannungen dominiert war, klingt diese Aussage nicht nur ambitioniert – sie wirkt für viele Marktteilnehmer geradezu konträr zur jüngsten Performance dieser Anlageklasse.
Doch was steckt hinter dieser Einschätzung? Welche strukturellen Argumente, politischen Entwicklungen und marktpsychologischen Faktoren sprechen dafür, dass Aktien aus Ländern wie Brasilien, Indien, Indonesien, Mexiko oder China bald wieder in den Fokus der Anleger rücken?
Schwacher US-Dollar als Katalysator
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Ein zentrales Argument Hartnetts ist die erwartete Abschwächung des US-Dollars. In den letzten Jahren war der Greenback durch eine aggressive Zinspolitik der US-Notenbank und seine Rolle als sicherer Hafen in Krisenzeiten deutlich gestärkt worden. Doch mit nachlassendem Inflationsdruck, Anzeichen einer geldpolitischen Wende und einer potenziellen Rotation der Kapitalflüsse könnte sich dieser Trend umkehren.
Für Schwellenländer bedeutet ein schwächerer Dollar meist eine zweifache Entlastung: Erstens werden Schulden, die in US-Dollar denominiert sind, günstiger zu bedienen. Zweitens wird der Export eigener Waren wettbewerbsfähiger, da der Dollar als globale Leitwährung zentrale Handelsverbindungen beeinflusst.
Die Kombination aus stabilisierenden Wechselkursen und verbesserten Finanzierungsbedingungen kann dazu führen, dass sich Unternehmen in Schwellenländern wieder verstärkt refinanzieren und investieren – eine entscheidende Voraussetzung für steigende Unternehmensgewinne und damit höhere Aktienbewertungen.
China als Hoffnungsträger in der Region
Ein weiterer wichtiger Pfeiler in Hartnetts Argumentation ist die Rolle Chinas als Taktgeber für den gesamten Schwellenländerkomplex. Zwar hatte das Land in den letzten Jahren mit den Auswirkungen der Null-Covid-Politik, regulatorischen Eingriffen in Tech-Konzerne und einem schleppenden Immobiliensektor zu kämpfen. Doch allmählich mehren sich die Zeichen einer Erholung.
Die chinesische Führung hat signalisiert, wieder stärker auf Wachstum setzen zu wollen. Dazu zählen geldpolitische Lockerungen, gezielte Infrastrukturinvestitionen und ein verstärkter Fokus auf Binnenkonsum. Auch geopolitisch scheint es einen gewissen Pragmatismus zu geben, der sich in vorsichtigerer Rhetorik gegenüber westlichen Handelspartnern niederschlägt.
Für viele Anleger gilt: Wenn China sich stabilisiert, profitieren die übrigen Schwellenländer mit, sei es durch Rohstoffnachfrage, Handelsverflechtungen oder Kapitalströme. Die relative Schwäche der chinesischen Märkte in den letzten Jahren hat deren Bewertungen auf ein historisch niedriges Niveau gedrückt – eine klassische Konstellation für antizyklische Investoren.
Bewertungsniveaus als Argument für Einstieg
Für Anleger, die global denken und langfristig orientiert sind, könnte ein Engagement in Emerging Markets eine attraktive Beimischung im Portfolio darstellen – insbesondere wenn sie bereit sind, antizyklisch zu investieren und konjunkturelle Wendepunkte zu nutzen."
Ein weiteres starkes Argument zugunsten von Schwellenländeraktien ist deren günstige Bewertung im Vergleich zu entwickelten Märkten – insbesondere zu US-amerikanischen Aktien. Während große US-Indizes wie der S&P 500 oder der Nasdaq-100 teils hohe Kurs-Gewinn-Verhältnisse (KGVs) aufweisen, notieren viele Emerging-Markets-Indizes deutlich darunter.
Diese Diskrepanz eröffnet Chancen: Wenn die fundamentalen Bedingungen – Wachstum, Währungsstabilität, Kapitalzuflüsse – sich verbessern, kann es zu einer Neubewertung der Märkte kommen. Das bedeutet nicht nur steigende Kurse auf breiter Front, sondern auch ein verstärktes Interesse institutioneller Investoren, die ihre Allokationen zunehmend global diversifizieren wollen.
Die Geschichte der Finanzmärkte zeigt: Große Bullenmärkte entstehen oft aus Phasen der Vernachlässigung. Wenn Kapitalflüsse zurückkehren und Stimmungen drehen, kommt es häufig zu dynamischen Kursbewegungen – gerade in Märkten, die zuvor als untergewichtet galten.
Risiken und Unsicherheiten bleiben bestehen
Natürlich ist jede optimistische Marktprognose mit Vorsicht zu genießen. Auch Hartnetts Einschätzung stellt keine Garantie dar. Schwellenländer bleiben volatil und oft von externen Schocks abhängig – sei es durch politische Instabilität, Rohstoffpreisschwankungen, Handelskonflikte oder Naturkatastrophen.
Zudem ist die geopolitische Lage weiterhin angespannt. Ein erneutes Aufflammen von Handelskonflikten, etwa zwischen den USA und China, könnte die Entwicklung rasch dämpfen. Auch die Anfälligkeit vieler Länder für Kapitalabflüsse in Stressphasen bleibt ein strukturelles Risiko.
Für Investoren bedeutet das: Ein Engagement in Schwellenländeraktien erfordert eine bewusste Risikobereitschaft, Diversifikation und gegebenenfalls Absicherung. Wer hier investiert, setzt auf langfristige Trends und strukturelle Aufholbewegungen – nicht auf kurzfristige Spekulation.
Fazit: Der „nächste Bullenmarkt“? Eine Chance mit Bedacht
Die These von Michael Hartnett, dass Schwellenländeraktien den nächsten Bullenmarkt markieren könnten, ist gut begründet – aber kein Selbstläufer. Sie basiert auf einer Kombination aus günstigen Bewertungen, makroökonomischen Entlastungsfaktoren und geopolitischen Entspannungstendenzen.
Für Anleger, die global denken und langfristig orientiert sind, könnte ein Engagement in Emerging Markets eine attraktive Beimischung im Portfolio darstellen – insbesondere wenn sie bereit sind, antizyklisch zu investieren und konjunkturelle Wendepunkte zu nutzen.
Ob Hartnett am Ende recht behält, wird sich zeigen. Sicher ist jedoch: Wer auf strukturelle Wachstumsregionen setzt, braucht Geduld – aber wird in vielen Fällen mit einem überdurchschnittlichen Renditeprofil belohnt. Schwellenländer bleiben ein anspruchsvolles, aber spannendes Feld für Anleger mit Weitblick.

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