Während Vermieter sich auf ihre Eigentumsrechte berufen können, geraten Mieter durch Eigenbedarfskündigungen immer häufiger in akute Notlagen

Der verhängnisvolle Brief vom Vermieter Eigenbedarfskündigung und Wohnungsnot

Schätzungsweise rund 80.000 Mal pro Jahr kündigen Vermieter wegen Eigenbedarf.

Für viele Mieter beginnt das Drama mit einem schlichten Brief. Oft höflich formuliert, meist formell korrekt – und doch mit existenziellen Folgen: die Kündigung wegen Eigenbedarfs. In Deutschland geschieht dies laut Schätzungen jährlich rund 80.000 Mal. Und in einem ohnehin angespannten Wohnungsmarkt kann ein solcher Schritt für die Betroffenen zum Albtraum werden. Der gesetzlich zulässige Eigenbedarf wird so für viele zur Quelle von Angst, Unsicherheit und einem unfreiwilligen Neuanfang unter schwierigen Bedingungen.


Was rechtlich erlaubt ist – und was nicht

Der Eigenbedarf ist in § 573 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) geregelt. Danach darf ein Vermieter das Mietverhältnis kündigen, wenn er die Wohnung für sich selbst, nahe Angehörige oder Mitglieder seines Haushalts benötigt. Es reicht nicht, dass der Vermieter einen besseren Mieter sucht oder eine Mieterhöhung durchsetzen will – der Eigenbedarf muss konkret, nachvollziehbar und ernsthaft beabsichtigt sein.

Doch gerade bei wiederholtem Kauf und Verkauf von Mietwohnungen oder bei Investorenwechseln wird der Eigenbedarf nicht selten strategisch genutzt. Zwar haben Gerichte mehrfach sogenannte „Vorratskündigungen“ untersagt – also Kündigungen ohne konkreten Bedarf –, doch die Beweislage liegt in der Regel beim Mieter. Der Schutz besteht auf dem Papier, in der Praxis sind die Möglichkeiten zur Gegenwehr oft begrenzt.


Die soziale Schieflage im Wohnungsmarkt

Während Vermieter sich auf ihre Eigentumsrechte berufen können, geraten Mieter durch Eigenbedarfskündigungen immer häufiger in akute Notlagen. Besonders betroffen sind:

  • Ältere Menschen, die seit Jahrzehnten in ihrer Wohnung leben,
  • Alleinerziehende und Familien mit Kindern,
  • Menschen mit geringem Einkommen oder gesundheitlichen Einschränkungen.

Die Suche nach Ersatzwohnraum gestaltet sich angesichts steigender Mieten, knapper Angebote und oft diskriminierender Auswahlprozesse als zunehmend aussichtslos.

Der Verlust des gewohnten Wohnumfelds, sozialer Kontakte und Vertrautheit wiegt dabei schwerer als der reine Ortswechsel.


Missbrauch ist schwer zu belegen

Nicht jeder Eigenbedarf ist vorgeschoben – doch der Verdacht liegt oft nahe, wenn sich nach dem Auszug eines Mieters plötzlich Feriengäste, Büroeinrichtungen oder neue, solventere Mieter in der Wohnung wiederfinden. In solchen Fällen bleibt Mietern meist nur der mühsame Gang vor Gericht – mit ungewissem Ausgang. Auch wenn sich der Eigenbedarf nachträglich als unbegründet herausstellt, ist die Wohnung meist längst verloren.

Problematisch ist zudem die Grauzone zwischen legitimen Eigenbedarf und wirtschaftlichem Kalkül. Gerade institutionelle Eigentümer und private Investoren mit größeren Portfolios nutzen Eigenbedarfskündigungen gezielt, um Bestandsmieten zu erhöhen oder Umwandlungen in Eigentumswohnungen durchzusetzen.


Was Mieter tun können – und was sie oft nicht schaffen

Der Brief mit der Eigenbedarfskündigung ist mehr als ein juristisches Dokument. Für viele Menschen bedeutet er einen tiefen Einschnitt in ihr Leben. Er offenbart die Machtasymmetrie auf dem Wohnungsmarkt und stellt die Frage nach dem gesellschaftlichen Stellenwert des Wohnens. Eigentum bleibt ein hohes Gut – doch ohne funktionierenden Mieterschutz droht die soziale Spaltung weiter zuzunehmen."

Zwar sieht das Mietrecht Schutzmaßnahmen vor, darunter Widerspruchsrechte aus Härtegründen oder die Möglichkeit, eine Räumung zeitlich zu strecken. Doch viele Mieter scheuen den juristischen Weg – aus Angst vor Kosten, Komplexität oder Repressalien. Hinzu kommt: Selbst bei erfolgreicher Anfechtung bleibt oft ein belastetes Verhältnis zwischen Mieter und Vermieter zurück.

Beratungsstellen und Mieterschutzvereine raten dazu, bei Erhalt einer Eigenbedarfskündigung umgehend juristischen Beistand zu suchen. Denn Fristen laufen schnell, und ohne fundierte Einschätzung drohen folgenschwere Fehler.


Zwischen Eigentumsschutz und Wohnraumsicherung

Der Konflikt um Eigenbedarfskündigungen berührt ein zentrales Spannungsfeld: das Recht auf Eigentum versus das Recht auf Wohnen. In Zeiten zunehmender Wohnraumknappheit, Urbanisierung und sozialer Ungleichheit rückt diese Debatte wieder in den Fokus der politischen Diskussion.

Einige Vorschläge, die derzeit diskutiert werden:

  • Strengere Beweispflichten für Vermieter bei Eigenbedarf,
  • längere Kündigungsfristen für langjährige Mietverhältnisse,
  • bessere finanzielle Unterstützung für gekündigte Mieter beim Umzug.

Fazit: Wenn Wohnen zum Risiko wird

Der Brief mit der Eigenbedarfskündigung ist mehr als ein juristisches Dokument. Für viele Menschen bedeutet er einen tiefen Einschnitt in ihr Leben. Er offenbart die Machtasymmetrie auf dem Wohnungsmarkt und stellt die Frage nach dem gesellschaftlichen Stellenwert des Wohnens. Eigentum bleibt ein hohes Gut – doch ohne funktionierenden Mieterschutz droht die soziale Spaltung weiter zuzunehmen.

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