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Finanzlexikon Momentum: Logik des Laufens

Mit Menschen, die Marktbewegungen fühlten, bevor sie messbar waren: Richard Driehaus, Jesse Livermore.

Momentum-Investing gehört zu den faszinierendsten Strategien der Märkte, weil es die kollektive Psychologie sichtbarer macht als jede andere Methode. Während Value auf Substanz und Growth auf Zukunft setzt, basiert Momentum auf dem Verhalten großer Gruppen: Menschen sehen steigende Kurse, reagieren darauf, verstärken die Bewegung – und erzeugen so Trends, die durch ihre eigene Dynamik bestehen.

Menschen wie Richard Driehaus oder der legendäre Jesse Livermore verstanden diese Muster intuitiv. Sie erkannten, dass Märkte nicht nur aus Zahlen bestehen, sondern aus Erwartungen, Emotionen und der Kraft von Geschichten. Momentum ist deshalb keine rein technische Strategie, sondern ein Blick auf Märkte als soziale Systeme.

Richard Driehaus: Stärke als Signal, nicht als Gefahr

Gute Momentum-Investoren beobachten präzise, denken flexibel und reagieren klar. Die Strategie ist kein Ausdruck von Geschwindigkeit, sondern von Disziplin."

Driehaus wandte sich bewusst vom klassischen Value-Denken ab. Statt günstig zu kaufen, suchte er nach Stärke. Seine Überzeugung war, dass Erfolg weitere Aufmerksamkeit erzeugt – und diese Aufmerksamkeit zusätzliche Nachfrage.

Sein bekanntester Grundsatz lautete: „Why wait for the turnaround? Buy what's working.“
Er sah Trends als Energieformen. Nicht zufällig, sondern getragen von Menschen, die auf dieselben Signale reagieren. Driehaus investierte in das, was sich bereits durchgesetzt hatte – in Ideen, die Momentum hatten, bevor sie Mainstream wurden.

Jesse Livermore: Märkte als Erzählungen der Masse

Livermore war ein Pionier des Trendfolgens. Für ihn waren Märkte Geschichten, die sich durch das Verhalten vieler Menschen formen. Angst, Gier, Hoffnung – diese Gefühle trieben Bewegungen, die weit über fundamentale Werte hinausgingen. Livermore erkannte, dass die Masse immer zu spät reagiert: Sie kauft zu spät, verkauft zu spät und verstärkt dadurch Trends.

Sein Ansatz war radikal realistisch: Er vertraute nicht auf Meinungen, sondern auf das, was sich tatsächlich bewegt. Momentum bedeutete für ihn, dem Fluss der Emotionen zu folgen – nicht blind, sondern beobachtend.

Warum Momentum entsteht – eine menschliche Perspektive

Trendverhalten ist tief im Menschen verankert. Momentum funktioniert, weil viele Anleger ähnlich reagieren:

  • Sicherheit in der Mehrheit: Menschen fühlen sich wohler, wenn sie handeln wie andere.
  • Erkennung erst im Rückspiegel: Trends werden meistens erst sichtbar, wenn sie weit fortgeschritten sind.
  • Verstärkung durch Aufmerksamkeit: Je mehr Menschen hinschauen, desto stärker wird die Bewegung.
  • Unwilligkeit zur Trendwende: Das Ende eines Trends wird selten rechtzeitig erkannt.

Diese Mechanismen sind psychologisch, nicht technisch.

Deshalb bleibt Momentum trotz algorithmischer Märkte ein dauerhaft wirksames Muster.

Momentum verlangt Disziplin – nicht Intuition

Guter Momentum-Stil bedeutet nicht, jeder Bewegung hinterherzulaufen. Er verlangt klare Regeln:

  • Einstieg nur in bestätigte Trends
  • Ausstieg, sobald die Bewegung bricht
  • Keine Rechtfertigung gegen den Trend
  • Konsequenz statt Hoffnung

Momentum belohnt jene, die Trends akzeptieren – und bestraft jene, die sich gegen sie stellen, obwohl die Signale klar sind. Diese Klarheit ist emotional schwer, denn sie verlangt Distanz zu eigenen Meinungen.

Die menschliche Herausforderung der Trendfolge

Momentum wirkt einfach, doch seine Umsetzung ist anspruchsvoll. Menschen kämpfen mit typischen Mustern:

  • Zu frühes Zweifeln: „Der Trend hält nicht mehr lange.“
  • Zu spätes Reagieren: „Es läuft so gut, es muss weitergehen.“
  • Überidentifikation mit Positionen: „Ich will recht behalten.“

Livermore selbst scheiterte trotz seines Verständnisses mehrmals an emotionalen Faktoren. Das zeigt, wie eng Momentum mit innerer Disziplin verknüpft ist.

Fazit

Momentum-Investing ist eine Strategie über Märkte – aber in erster Linie eine Strategie über Menschen. Driehaus und Livermore machten sichtbar, dass Trends nicht zufällig entstehen, sondern aus kollektiven Verhaltensmustern heraus. Momentum zeigt, wie Erwartungen, Aufmerksamkeit und Emotionen Bewegungen erzeugen, die sich selbst verstärken.

Gute Momentum-Investoren beobachten präzise, denken flexibel und reagieren klar. Die Strategie ist kein Ausdruck von Geschwindigkeit, sondern von Disziplin: dem Mut, dem Markt zu folgen, statt ihm vorauszueilen. Momentum schärft das Verständnis dafür, wie Menschen in Gruppen handeln – und wie aus diesen Bewegungen Trends entstehen, die genutzt werden können, solange man ihre Grenzen erkennt.

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