Finanzlexikon Nominaldenken in der Inflationsberatung
Eine unterschätzte Verzerrung.
Nominaldenken beschreibt die Neigung von Menschen, sich bei finanziellen Entscheidungen an absoluten Geldbeträgen zu orientieren, ohne deren reale Kaufkraft zu berücksichtigen. In der psychologischen Literatur spricht man hier auch von der Geldillusion. Anleger, Sparer und selbst erfahrene Investoren unterliegen häufig der Wahrnehmungsverzerrung, dass ein wachsender Kontostand oder eine nominal höhere Auszahlung automatisch auch ein wachsender Wohlstand sei – was in inflationären Zeiten gefährlich irreführend sein kann.
Diese Form der kognitiven Verzerrung ist nicht nur theoretischer Natur. Sie begegnet Beratern regelmäßig in der Praxis, wenn Kundinnen und Kunden über Erträge, Renten, Mieten oder Dividenden sprechen – stets in absoluten Eurobeträgen, selten in inflationsbereinigten Zahlen.
Warum Nominaldenken in der Beratung problematisch ist
Der zentrale Irrtum des Nominaldenkens besteht darin, dass Geldbeträge als konstant werthaltig wahrgenommen werden – unabhängig von der Preisentwicklung. Das führt zu einer dramatischen Fehleinschätzung der realen finanziellen Lage, insbesondere bei langfristigen Planungen. Wer etwa eine spätere Rente von 2.000 Euro als ausreichend empfindet, übersieht, dass deren Kaufkraft in 20 Jahren real deutlich geringer ausfallen wird, selbst wenn die Inflation nur moderat bleiben sollte (bei 2 % Inflation läge die Kaufkraft dann nur noch bei 1.346 €).
Gerade im Beratungsgespräch entsteht hier eine kommunikative Schieflage: Während die Finanzberaterin von realer Wertentwicklung spricht, denkt der Kunde in Nominalgrößen. Dieser Unterschied ist schwer zu überbrücken, wenn er nicht explizit benannt wird.
Typische Auswirkungen von Nominaldenken
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- Unrealistische Erwartungen an Sparziele: Eine vermeintlich ausreichende monatliche Sparrate kann unter realen Bedingungen deutlich zu niedrig sein.
- Fehlbewertung von „sicheren“ Anlageformen: Nominal stabile Erträge aus Tagesgeld oder Anleihen wirken beruhigend – obwohl sie real Verluste bedeuten können.
- Fehlgeleitete Anlageentscheidungen: Nominal hohe Dividenden oder Mieterträge erscheinen attraktiv, selbst wenn ihre reale Kaufkraft langfristig sinkt.
- Verzerrte Wahrnehmung von Risiken: Nominaldenker unterschätzen das Inflationsrisiko und überschätzen stattdessen etwaige Schwankungen bei Aktien oder Fonds.
Beraterische Gegenstrategien: Bewusstsein schaffen
Nominaldenken ist kein dummer Denkfehler, sondern ein menschlich nachvollziehbares Muster. In der Inflationsberatung wird es aber schnell zum Risikofaktor, wenn es unreflektiert bleibt. Die Aufgabe von Finanzberaterinnen und Beratern besteht deshalb nicht nur in der Auswahl geeigneter Produkte, sondern auch im Aufbau eines realistischen Anlagebewusstseins."
Ein zentrales Ziel der Inflationsberatung sollte sein, Kundinnen und Kunden aus dem Nominaldenken herauszuführen – allerdings ohne belehrend zu wirken. Dies gelingt am ehesten durch eine geschickte Visualisierung von Zeitreihen, durch gezielte Fragen oder durch das gemeinsame Nachrechnen realer Kaufkraftentwicklungen.
Dabei sollten Berater:
- Konkrete Lebenshaltungskosten in heutigen und zukünftigen Werten thematisieren.
- Reale statt nominale Renditen als Maßstab nehmen.
- Beispiele zeigen, wie Kaufkraftverluste schleichend Wohlstand aushöhlen können.
Ein starker Hebel liegt in der Frageform: Statt zu fragen „Wie viel Euro brauchen Sie monatlich im Ruhestand?“, sollte man lieber fragen „Wie viel Kaufkraft möchten Sie sich sichern – und was bedeutet das in Euro von heute?“
Warum die kognitive Verzerrung so robust ist
Nominaldenken ist tief verankert, weil unsere Wahrnehmung von Geld durch konkrete Beträge geprägt ist. Preise im Alltag, Gehaltsangaben, Vertragszahlen – alles wird nominal kommuniziert. Selbst die staatliche Kommunikation über Inflationsraten bleibt oft abstrakt. Hinzu kommt: Reales Denken erfordert kognitive Anstrengung. Kaufkraftrechnen verlangt mentale Umstellung und Zukunftsdenken – zwei Dinge, die vielen Menschen schwerfallen. Die Folge: Selbst gut ausgebildete Anleger unterliegen der Geldillusion, wenn sie nicht bewusst gegengesteuert haben.
Fazit: Nominaldenken erkennen und gezielt bearbeiten
Nominaldenken ist kein dummer Denkfehler, sondern ein menschlich nachvollziehbares Muster. In der Inflationsberatung wird es aber schnell zum Risikofaktor, wenn es unreflektiert bleibt. Die Aufgabe von Finanzberaterinnen und Beratern besteht deshalb nicht nur in der Auswahl geeigneter Produkte, sondern auch im Aufbau eines realistischen Anlagebewusstseins. Wer Nominaldenken erkennt, benennt und auflöst, schafft langfristig fundiertere und nachhaltigere Finanzentscheidungen – besonders in Zeiten hoher Teuerung.

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