Wissenswertes zu aktuellen Finanzthemen

Finanzlexikon Reicht hellgrün? Artikel-8-Fonds

Mit der ESG-Offenlegungsverordnung (SFDR) hat die Europäische Union ein neues Transparenzregime geschaffen.

Eine zentrale Kategorie innerhalb dieses Regelwerks ist der sogenannte „Artikel-8-Fonds“. Diese Produkte sollen ökologische oder soziale Merkmale fördern – doch sie müssen kein konkretes Nachhaltigkeitsziel verfolgen. Das Resultat: Der Markt für Artikel-8-Produkte wächst rasant, doch zugleich wächst auch die Verwirrung. Was bedeutet „hellgrün“ eigentlich konkret? Wie grün sind diese Fonds wirklich – und wo liegen die Grauzonen?


Was Artikel 8 verlangt – und was nicht

Artikel 8 der SFDR verpflichtet Finanzmarktakteure dazu, transparent zu machen, ob und wie ein Produkt ESG-Merkmale berücksichtigt. Dabei kann es sich um verschiedenste Ansätze handeln:

  • Ausschluss bestimmter Branchen oder Unternehmen (z. B. Tabak, Kohle, Waffen).
  • Integration von ESG-Risiken in die Investmentanalyse.
  • Anwendung von Best-in-Class-Strategien.
  • Förderung von Unternehmen mit hoher ESG-Bewertung.

Was jedoch nicht verlangt wird: Ein klar definiertes, messbares Nachhaltigkeitsziel. Anders als Artikel-9-Fonds („dunkelgrün“) müssen Artikel-8-Produkte nicht nachweisen, dass sie tatsächlich nachhaltige Wirkungen erzielen. Das öffnet Tür und Tor für Interpretationsspielräume.


Der Boom der hellgrünen Fonds

Seit Inkrafttreten der SFDR hat sich die Zahl der als Artikel-8 klassifizierten Fonds explosionsartig erhöht. Laut Daten von Morningstar fielen bereits im ersten Jahr der Verordnung über 40 % des europäischen Fondsvolumens in diese Kategorie – Tendenz weiter steigend. Der Grund ist einfach: Artikel 8 bietet Asset Managern eine attraktive Möglichkeit, sich im ESG-Markt zu positionieren, ohne den strengen Anforderungen eines Artikel-9-Fonds unterliegen zu müssen.

Dabei zeigt sich: Viele Fonds wurden nicht substanziell umgestellt, sondern lediglich umetikettiert. Oft genügt ein einfaches ESG-Screening, um als Artikel-8-Produkt zu gelten. Das führt zu einer kritischen Frage: Ist der „hellgrüne“ Stempel mehr Marketing als Substanz?


ESG-Inhalte – zwischen Breite und Beliebigkeit

Artikel-8-Fonds sind ein Kind der Regulierung – aber nicht zwangsläufig ein Beleg für echtes ESG-Engagement. Die Spannbreite reicht von ambitionierten Nachhaltigkeitsfonds bis hin zu konventionellen Produkten mit ESG-Kosmetik. Für Anleger bedeutet das: Wachsamkeit ist gefragt. Der grüne Anstrich allein reicht nicht – entscheidend ist, wie tief die ESG-Prinzipien wirklich ins Portfolio hineinwirken."

Ein zentrales Problem bei Artikel-8-Fonds ist die enorme Bandbreite möglicher ESG-Strategien. Die SFDR definiert nicht, wie tiefgreifend oder ambitioniert die ESG-Integration sein muss. Entsprechend finden sich unter den Artikel-8-Produkten sowohl Fonds mit sehr weitgehenden Nachhaltigkeitsansätzen als auch solche mit minimalen ESG-Beimischungen.

Hinzu kommt: Es gibt keine einheitlichen Ausschlusskriterien. So kann ein Fonds mit Beteiligungen an fossilen Energien, Rüstungsunternehmen oder Fast-Fashion-Konzernen dennoch als Artikel 8 eingestuft sein – sofern er ESG-Merkmale fördert. Die Offenlegungspflicht besteht zwar, doch die Vergleichbarkeit bleibt eingeschränkt.


Greenwashing-Gefahr und regulatorische Nachschärfung

Die Unschärfe des Artikel-8-Rahmens hat in der Vergangenheit immer wieder Kritik auf sich gezogen. Verbraucherschützer, Aufsichtsbehörden und NGOs monieren, dass viele dieser Fonds nicht halten, was sie implizit versprechen. Die Folge ist eine zunehmende Sensibilisierung der Finanzaufsicht.

Die BaFin etwa hat Fondsanbieter zuletzt explizit aufgefordert, ihre ESG-Ausrichtung nachvollziehbar zu dokumentieren – insbesondere dann, wenn Rüstungs- oder fossile Titel im Portfolio enthalten sind. Auch auf EU-Ebene wird über eine Nachschärfung der SFDR diskutiert. Ziel ist es, Kriterien für Artikel-8-Produkte klarer zu definieren und Greenwashing-Risiken einzudämmen.


Was bedeutet das für Anleger?

Für Privatanleger entsteht dadurch eine schwierige Lage. Der Artikel-8-Stempel ist kein Gütesiegel, sondern ein Transparenzmerkmal. Wer wirklich nachhaltig investieren will, muss tiefer blicken:

  • Welche ESG-Strategie wird konkret verfolgt?
  • Welche Titel sind enthalten – und welche ausgeschlossen?
  • Wie ambitioniert ist das ESG-Engagement des Fondsmanagements?

Häufig lohnt sich der Blick in das sogenannte „Pre-contractual Disclosure Template“, das die SFDR vorschreibt. Es enthält detaillierte Angaben über ESG-Ansätze, Ausschlüsse und Nachhaltigkeitsindikatoren.


Fazit: Hellgrün ist nicht gleich nachhaltig

Artikel-8-Fonds sind ein Kind der Regulierung – aber nicht zwangsläufig ein Beleg für echtes ESG-Engagement. Die Spannbreite reicht von ambitionierten Nachhaltigkeitsfonds bis hin zu konventionellen Produkten mit ESG-Kosmetik. Für Anleger bedeutet das: Wachsamkeit ist gefragt. Der grüne Anstrich allein reicht nicht – entscheidend ist, wie tief die ESG-Prinzipien wirklich ins Portfolio hineinwirken.

In Zeiten zunehmender Nachfrage nach nachhaltiger Geldanlage ist die genaue Prüfung der Produktinhalte daher wichtiger denn je. Denn die Gretchenfrage bleibt: Fördert das Produkt wirklich Nachhaltigkeit – oder nur den Absatz?

Kontakt zu mir

Hallo!
Schön, dass Sie mich kennenlernen möchten.