Finanzlexikon Rückblick mit Erkenntnis
Was historische Aktienrenditen (nicht) verraten.
Wer sich mit Aktien beschäftigt, kommt an einem Vergleich nicht vorbei: den historischen Durchschnittsrenditen. Ob 7 % beim MSCI World, 10 % beim S&P 500 oder 5 % beim DAX – immer wieder wird mit langfristigen Durchschnittswerten argumentiert. Sie dienen zur Orientierung, geben Vertrauen und sollen das Potenzial von Aktieninvestments belegen.
Doch so hilfreich solche Rückblicke auch sind, sie bergen eine Gefahr: Sie suggerieren eine Sicherheit, die es in der Realität nicht gibt. Denn die Vergangenheit ist eine wertvolle Lehrmeisterin – aber keine verlässliche Zukunftsarchitektin.
Was historische Renditen zeigen können
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Richtig interpretiert, liefern langfristige Renditedaten wertvolle Erkenntnisse:
- Aktien schlagen andere Anlageklassen auf lange Sicht – und zwar mit bemerkenswerter Konstanz über Jahrzehnte hinweg.
- Krisen wurden immer wieder überwunden. Weltkriege, Inflation, Finanzkrisen – langfristig ging es dennoch weiter aufwärts.
- Geduld wird belohnt. Je länger der Anlagehorizont, desto höher die Wahrscheinlichkeit, eine positive Rendite zu erzielen.
Diese Erkenntnisse stützen die Grundidee der Aktienanlage: Teilnahme an wirtschaftlicher Wertschöpfung zahlt sich langfristig aus.
Was historische Renditen verschweigen
So beeindruckend viele Vergangenheitsdaten sind – sie beantworten nicht die entscheidenden Fragen künftiger Anleger:
- Wie werden sich Klimarisiken, geopolitische Spannungen oder Schuldenberge auswirken?
- Welche Technologien brechen bestehende Geschäftsmodelle auf – und welche schaffen neue Monopole?
- Wie stabil bleiben die institutionellen Rahmenbedingungen, die historisch für Wachstum sorgten?
Kurz: Die Welt, in der wir investieren, verändert sich schneller und vielschichtiger als je zuvor. Vergangenheitsrenditen kennen keine Klimaziele, keine Handelskonflikte, keine Künstliche Intelligenz.
Der Mittelwert als Trugschluss
Die Welt ist im Wandel, und auch Aktienmärkte entwickeln sich in neuen Bahnen. Vergangenheitsdaten helfen, Fehler der Vergangenheit zu vermeiden – aber sie entbinden nicht davon, neue Risiken, neue Chancen und neue Realitäten in die eigene Anlagestrategie einzubeziehen."
Ein weiterer Denkfehler ist die Gleichsetzung von „Durchschnitt“ mit „Regel“. Wer hört, dass Aktien historisch 7 % pro Jahr gebracht haben, stellt sich oft lineares Wachstum vor – doch das gibt es nicht.
Tatsächlich schwanken Jahresrenditen stark: Mal plus 30 %, mal minus 20 %, zwischendurch jahrelange Seitwärtsphasen. Der Durchschnitt ist ein mathematisches Ergebnis – kein Erfahrungswert.
Ein Beispiel: Wer 30 Jahre lang investiert, kann im Mittel 6–8 % erwarten – aber nicht jedes Jahr, und nie garantiert.
Historie als Rahmung, nicht als Richtschnur
Was bleibt also vom Blick zurück? Historische Aktienrenditen liefern eine Erwartungsspanne, keinen Zinseszins-Versprechensplan. Sie zeigen, was möglich war – nicht, was sicher kommt.
Für Anleger heißt das:
- Die Vergangenheit hilft beim Setzen realistischer Erwartungen,
- aber sie darf nicht als Prognoseinstrument missverstanden werden.
- Sie ist ein guter Ausgangspunkt für Strategie, aber kein Ersatz für Anpassungsfähigkeit.
Fazit: Rückblick als Anker, nicht als Autopilot
Historische Renditen machen Mut – und das zurecht. Wer langfristig investiert, hat gute Chancen auf reale Wertzuwächse. Doch der Rückspiegel ersetzt keinen Blick nach vorn.
Die Welt ist im Wandel, und auch Aktienmärkte entwickeln sich in neuen Bahnen. Vergangenheitsdaten helfen, Fehler der Vergangenheit zu vermeiden – aber sie entbinden nicht davon, neue Risiken, neue Chancen und neue Realitäten in die eigene Anlagestrategie einzubeziehen.
Erst der Mensch, dann das Geschäft