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Finanzlexikon Trend: Momentum-Strategie

Die Momentum-Strategie zählt zu den am besten erforschten und zugleich am kontroversesten diskutierten Anlagestrategien am Aktienmarkt. Ihr Grundprinzip ist einfach: Was gut läuft, wird wahrscheinlich weiter gut laufen. Diese Idee widerspricht auf den ersten Blick dem gesunden Menschenverstand und den klassischen Regeln antizyklischen Investierens. Doch sie beruht auf handfesten empirischen Erkenntnissen und kann – richtig angewendet – ein wirksames Mittel zur Renditesteigerung sein.

Momentum bedeutet, auf Aktien oder Märkte zu setzen, die bereits eine überdurchschnittliche Kursentwicklung gezeigt haben, weil sie von Investoren zunehmend nachgefragt werden. Die Strategie verlässt sich dabei weniger auf fundamentale Daten als auf die Kraft bestehender Trends, gestützt durch Marktverhalten, Psychologie und Kapitalflüsse.


Die Logik des Momentums

Die Grundannahme hinter der Momentum-Strategie ist, dass sich Kurstrends über gewisse Zeiträume hinweg selbst verstärken.

Wenn eine Aktie steigt, wird sie sichtbarer, erhält positive Analystenbewertungen, wird von Anlegern gekauft – was wiederum den Kurs steigen lässt. Dieser Kreislauf kann Wochen oder Monate andauern.

Entscheidend ist dabei nicht, warum eine Aktie steigt, sondern dass sie steigt.

Die Gründe können vielfältig sein – gute Zahlen, neue Produkte, strategische Allianzen, mediale Aufmerksamkeit – doch für Momentum-Investoren zählt vor allem der beobachtbare Trend.

Diese Denkweise lässt sich auch auf Märkte, Branchen oder ganze Anlagestile übertragen.

Auch hier lassen sich Gewinner identifizieren, die eine überdurchschnittliche relative Stärke aufweisen – und damit potenziell weitere Kursgewinne ermöglichen.


Wissenschaftliche Basis und historische Belege

Die Momentum-Strategie wurde bereits in den 1990er-Jahren durch Studien von Narasimhan Jegadeesh und Sheridan Titman empirisch untermauert. Sie zeigten, dass Aktien mit starker Performance in den vorangegangenen 3 bis 12 Monaten in der Regel auch in den darauffolgenden Monaten besser abschneiden als der Durchschnitt.

Seither wurde dieses Phänomen in vielen internationalen Märkten nachgewiesen – und in zahlreiche Faktor-Modelle aufgenommen. Auch institutionelle Investoren, Hedgefonds und ETF-Anbieter nutzen Momentum-Signale als strategischen Baustein in ihren Portfolios.

Der Vorteil: Momentum funktioniert marktunabhängig – also sowohl in Hausse- als auch in Baissephasen. Entscheidend ist nicht das absolute Kursniveau, sondern die relative Entwicklung gegenüber Vergleichstiteln.


Psychologie als Triebfeder

Ein wesentlicher Treiber der Momentum-Strategie liegt in der Psychologie der Anleger. Menschen neigen dazu, Trends zu verstärken: Sie kaufen, was steigt, und verkaufen, was fällt. Positive Nachrichten werden stärker wahrgenommen, wenn der Kurs ohnehin aufwärts zeigt. Und wer bereits investiert ist, fühlt sich durch weiter steigende Kurse bestätigt – was zu einer Art Herdentrieb führt.

Diese kognitiven Verzerrungen – etwa Selbstüberschätzung, Herdenverhalten oder Angst, etwas zu verpassen (FOMO) – führen dazu, dass Trends oft länger anhalten, als es fundamentale Daten nahelegen würden. Momentum-Investoren machen sich dieses Verhalten zunutze, indem sie systematisch auf Kursstärke setzen – nicht blind, sondern auf Basis messbarer Signale.


Umsetzung in der Praxis

Momentum-Investing ist kein Allheilmittel – aber eine wertvolle Ergänzung im Werkzeugkasten moderner Anleger. Es funktioniert nicht immer, aber oft genug, um es strategisch zu berücksichtigen. Seine Stärke liegt in der Nutzung realer Marktkräfte – nicht auf Basis von Prognosen, sondern auf Basis beobachteter Dynamik."

Die Momentum-Strategie kann auf unterschiedliche Weise umgesetzt werden – entweder über Einzelaktien oder über ganze Marktsegmente. Viele Investoren nutzen technische Indikatoren wie die 12-Monats-Performance, gleitende Durchschnitte oder relative Stärke-Indizes, um geeignete Titel zu identifizieren.

Ein typisches Vorgehen wäre:

  • Auswahl der Titel mit der besten Performance über einen definierten Zeitraum.
  • Regelmäßiges Rebalancing, um neue Trends zu integrieren.
  • Konsequenter Ausstieg bei Trendbruch oder Schwächephase.

Dabei ist Disziplin entscheidend. Momentum-Strategien funktionieren nur bei konsequenter Regelanwendung. Emotionale Eingriffe oder Bauchentscheidungen konterkarieren den systematischen Ansatz.


Risiken und Kritik

Trotz ihrer belegten Wirksamkeit ist die Momentum-Strategie nicht ohne Risiken. Einer der größten Schwachpunkte ist die Anfälligkeit für Trendwechsel. Wenn sich Marktbedingungen schnell ändern – etwa durch überraschende Zinssignale, geopolitische Ereignisse oder Unternehmensmeldungen – können Momentum-Investoren auf dem falschen Fuß erwischt werden.

Zudem kann Momentum zu „Blasenbildung“ beitragen: Wenn immer mehr Anleger dem Trend folgen, werden Bewertungen überzogen – bis es zum plötzlichen Einbruch kommt. Besonders in stark gehebelten Märkten oder bei illiquiden Titeln kann das zu überproportionalen Verlusten führen.

Ein weiteres Risiko ist die hohe Umschlaghäufigkeit: Momentum-Portfolios müssen regelmäßig angepasst werden, was Transaktionskosten, steuerliche Belastungen und Verwaltungsaufwand erhöht. Auch die psychologische Belastung ist nicht zu unterschätzen – wer einer Trendstrategie folgt, erlebt zwangsläufig Phasen extremer Volatilität.


Fazit: Eine Strategie für die Disziplinierten

Momentum-Investing ist kein Allheilmittel – aber eine wertvolle Ergänzung im Werkzeugkasten moderner Anleger. Es funktioniert nicht immer, aber oft genug, um es strategisch zu berücksichtigen. Seine Stärke liegt in der Nutzung realer Marktkräfte – nicht auf Basis von Prognosen, sondern auf Basis beobachteter Dynamik.

Wer die Momentum-Strategie ernsthaft verfolgt, braucht nicht nur ein klares Regelwerk, sondern auch Konsequenz, Risikobewusstsein und ein gutes Verständnis für Marktpsychologie. Dann kann Momentum mehr sein als ein kurzfristiger Trend – nämlich ein belastbares Gerüst für langfristige Outperformance.

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