Norwegischer Ökonom Vermögensteuer: Kein Abwanderungsgrund
Wanderungsbewegungen und ihre Ursachen.
In Deutschland flammt die Diskussion um die Einführung einer Vermögensteuer regelmäßig auf. Gegner warnen vor Kapitalflucht, wachsender Standortunsicherheit und dem Abzug vermögender Unternehmer, die lieber in Länder mit niedrigeren Steuerlasten ausweichen würden. Befürworter hingegen verweisen auf internationale Beispiele und argumentieren, dass ein solcher Schritt die soziale Gerechtigkeit fördern und die Finanzierung öffentlicher Aufgaben sichern könnte. Besonders häufig wird dabei auf Norwegen verwiesen – ein Land, das seit Jahrzehnten eine Vermögensteuer kennt.
Das norwegische Modell
Die Worte des norwegischen Ökonomen Guttorm Schjelderup relativieren die gängigen Befürchtungen: Eine Vermögensteuer allein treibt Reiche nicht in Scharen ins Ausland. Vielmehr entscheidet das Gesamtpaket eines Landes über dessen Attraktivität – Steuern sind dabei nur ein Faktor unter vielen. Für Deutschland bedeutet das: Wer eine Vermögensteuer erwägt, muss sie in ein breites Konzept einbetten, das Standortattraktivität, Fairness und Stabilität miteinander verbindet. Nur so könnte sie zu einem wirksamen und akzeptierten Instrument der Steuerpolitik werden."
In Norwegen wird die Vermögensteuer seit langem erhoben, und zwar auf Nettovermögen oberhalb bestimmter Freibeträge. Sie ist nicht alleinige Einnahmequelle des Staates, sondern Teil eines breiten Steuergefüges, das auch Einkommens- und Unternehmenssteuern umfasst. Kritisch wird dabei oft angemerkt, dass diese Steuer gerade unternehmerisches Kapital belastet und daher wachstumshemmend wirken könne. Doch die norwegische Erfahrung zeichnet ein differenzierteres Bild.
Der Ökonom Guttorm Schjelderup, Professor an der Norwegian School of Economics, betont, dass die Steuer zwar diskutiert wird, aber in ihrer Wirkung häufig überschätzt wird. Die Vorstellung, dass ganze Vermögensschichten aus Norwegen in die Schweiz oder andere Steueroasen abwandern, sei bisher nicht Realität geworden.
Wanderungsbewegungen und ihre Ursachen
Natürlich gibt es in Norwegen Beispiele von Einzelpersonen, die ihren Wohnsitz in die Schweiz verlegt haben. Diese Fälle erhalten oft große mediale Aufmerksamkeit und verstärken den Eindruck einer regelrechten Abwanderungswelle. Doch die empirischen Daten deuten auf eine andere Realität hin: Die Zahl der wirklich Abgewanderten ist überschaubar, und in vielen Fällen spielen neben steuerlichen Motiven auch persönliche, familiäre oder geschäftliche Gründe eine Rolle.
Schjelderup weist darauf hin, dass die Vermögensteuer allein selten ausschlaggebend sei. Wesentlicher seien Faktoren wie Lebensqualität, gesellschaftliche Stabilität, funktionierende Institutionen und eine starke soziale Absicherung. In dieser Hinsicht schneidet Norwegen im internationalen Vergleich gut ab – und das bindet viele Wohlhabende trotz zusätzlicher Steuerlast ans Land.
Deutschland im Spiegel Norwegens
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Die deutsche Debatte um die Vermögensteuer ist stark von Sorgen geprägt. Unternehmerverbände warnen vor einer Schwächung des Wirtschaftsstandorts und verweisen auf drohende Kapitalflucht.
Doch die norwegische Erfahrung zeigt: Eine solche Steuer muss nicht automatisch zu einer systematischen Abwanderung führen. Entscheidend ist die konkrete Ausgestaltung.
- Höhe und Freibeträge: Ein maßvoller Ansatz mit klaren Freigrenzen kann verhindern, dass breite Mittelschichten betroffen sind.
- Anrechnung auf Unternehmensvermögen: Besonders wichtig ist es, Liquiditätsengpässe für Unternehmer zu vermeiden, damit Investitionen nicht gefährdet werden.
- Kombination mit Standortvorteilen: Wer wie Norwegen ein stabiles, gut funktionierendes Gemeinwesen bietet, schafft Rahmenbedingungen, die über rein steuerliche Erwägungen hinaus attraktiv sind.
Signalwirkung und gesellschaftlicher Konsens
In Norwegen ist die Vermögensteuer eingebettet in eine Gesellschaft, die Umverteilung grundsätzlich akzeptiert. Der Gedanke, dass Wohlhabende einen zusätzlichen Beitrag leisten, wird als Teil des sozialen Vertrags verstanden. Dieser Konsens schwächt die Polarisierung, die in Deutschland häufig auftritt. Während hierzulande die Debatte schnell ideologisch aufgeladen ist, wird in Norwegen stärker pragmatisch über Anpassungen und Details diskutiert.
Ausblick für Deutschland
Was bedeutet dies für die deutsche Diskussion? Zum einen zeigt der Blick nach Norwegen, dass die pauschale Drohung mit Kapitalflucht nicht zwingend ein Argument gegen die Einführung einer Vermögensteuer ist. Zum anderen macht er aber auch deutlich, dass eine solche Steuer politisch und gesellschaftlich akzeptiert sein muss, um ihre Wirkung entfalten zu können.
Deutschland müsste daher nicht nur eine rechtliche und ökonomische Lösung finden, sondern auch einen gesellschaftlichen Diskurs führen, der die Legitimität einer Vermögensteuer klärt. Ohne diesen Konsens bliebe das Risiko hoch, dass sie mehr Misstrauen als Stabilität schafft.
Fazit
Die Worte des norwegischen Ökonomen Guttorm Schjelderup relativieren die gängigen Befürchtungen: Eine Vermögensteuer allein treibt Reiche nicht in Scharen ins Ausland. Vielmehr entscheidet das Gesamtpaket eines Landes über dessen Attraktivität – Steuern sind dabei nur ein Faktor unter vielen. Für Deutschland bedeutet das: Wer eine Vermögensteuer erwägt, muss sie in ein breites Konzept einbetten, das Standortattraktivität, Fairness und Stabilität miteinander verbindet. Nur so könnte sie zu einem wirksamen und akzeptierten Instrument der Steuerpolitik werden.
Freiräume schaffen für ein gutes Leben.