Finanzlexikon Wachstumstitel: Growth Investing
Growth Investing ist eine Anlagestrategie, die auf den ersten Blick gegen das traditionelle Anlegerinstinktgefühl zu verstoßen scheint. Während Value-Investoren gezielt nach unterbewerteten Unternehmen suchen, fokussieren sich Growth-Investoren auf Aktien, die oft als teuer gelten – aber ein überdurchschnittliches Potenzial für zukünftiges Wachstum mitbringen.
Der Kern dieser Strategie liegt in der Überzeugung, dass Unternehmen mit starken strukturellen Wachstumstreibern, innovativen Geschäftsmodellen und dynamischen Märkten künftige Gewinner sein können, auch wenn sie heute hohe Bewertungsmultiplikatoren aufweisen. Growth Investing verlangt also weniger den Blick auf das, was ist – und mehr auf das, was sein könnte.
Der Kern von Growth Investing: Zukunft schlägt Gegenwart
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Die Philosophie des Growth Investing beruht auf einer klaren Annahme: Das langfristige Wachstum eines Unternehmens ist der wichtigste Treiber seiner Bewertung. Deshalb sind kurzfristige Gewinne oder klassische Bewertungskennzahlen wie Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) oder Kurs-Buchwert-Verhältnis (KBV oft zweitrangig.
Im Zentrum stehen Fragen wie:
- Wie groß ist der adressierbare Markt eines Unternehmens?
- Wie stark ist das Umsatz- oder Nutzerwachstum?
- Verfügt das Unternehmen über einen strukturellen Wettbewerbsvorteil?
- Ist das Geschäftsmodell skalierbar?
Ein Unternehmen mit starkem organischem Wachstum, hohen Margen und einer Vision für die nächsten Jahre kann in dieser Logik auch bei hohem Einstiegskurs ein gutes Investment sein – vorausgesetzt, es gelingt ihm, das prognostizierte Wachstum auch tatsächlich zu realisieren.
Wachstumsmärkte und innovative Geschäftsmodelle
Typische Growth-Unternehmen sind in Märkten aktiv, die sich im Umbruch oder im Aufbau befinden. Dazu gehören Branchen wie Informationstechnologie, E-Commerce, Biotechnologie, erneuerbare Energien, künstliche Intelligenz oder digitale Plattformökonomie. Oft profitieren diese Unternehmen von Megatrends, die bestehende Branchen herausfordern oder neue schaffen.
Was sie kennzeichnet, ist ein hoher Investitionsbedarf in Produktentwicklung, Personal und Expansion. Das erklärt, warum viele dieser Firmen in der frühen Phase noch keine nennenswerten Gewinne erwirtschaften – ihr Fokus liegt auf Wachstum, nicht auf kurzfristiger Profitabilität.
Gerade in der Start- und Skalierungsphase zählen Marktanteile, Kundenbindung und Innovationsgeschwindigkeit mehr als klassische Ertragszahlen. Growth-Investoren sind bereit, dafür temporäre Verluste in Kauf zu nehmen.
Psychologie des Wachstumsinvestors
Growth Investing ist nicht nur eine Strategie, sondern auch ein Mindset. Es erfordert Mut, in Phasen hoher Unsicherheit zu investieren, und die Bereitschaft, von der Zukunft mehr zu erwarten als von der Vergangenheit.
Zudem verlangt es emotionale Stabilität: Wachstumstitel sind oft sehr volatil, reagieren empfindlich auf Zinssignale, Analystenmeinungen oder regulatorische Veränderungen. Wer diese Schwankungen nicht aushält, wird geneigt sein, gute Unternehmen zu früh zu verkaufen – und damit das langfristige Potenzial nicht auszuschöpfen.
Gleichzeitig ist ein gesundes Maß an Skepsis notwendig. Nicht jedes Unternehmen, das hohes Wachstum verspricht, wird auch langfristig erfolgreich sein. Es gilt, Hype von realer Substanz zu unterscheiden, Geschäftsmodelle zu hinterfragen und Managementkompetenz kritisch zu beurteilen.
Risiken und kritische Punkte
Growth Investing ist nicht nur der Kauf „teurer Aktien“, sondern eine fundierte Wette auf Zukunft. Es verlangt Weitblick, selektive Analyse und emotionale Disziplin. Wer es richtig betreibt, kann sich an der Entstehung großer, einflussreicher Unternehmen beteiligen – von den frühen Tagen bis zur Marktreife."
Growth Investing ist kein Selbstläufer. Die Strategie bringt spezifische Risiken mit sich, die Investoren kennen und bewusst eingehen müssen:
- Bewertungsrisiko: Hohe Erwartungen sind in den Kursen oft eingepreist. Werden sie nicht erfüllt, drohen starke Kursverluste.
- Zinsrisiko: Steigende Zinsen belasten Wachstumstitel stärker, da künftige Gewinne bei höherem Diskontierungszins weniger wert sind.
- Marktverdrängung: Der Wettbewerb in Wachstumsbranchen ist hart. Nicht alle Pioniere überleben – viele Marktführer von heute sind morgen Geschichte.
- Narrativrisiko: Manche Geschäftsmodelle sind mehr Vision als Realität. Anleger können in Geschichten investieren, die sich später als Illusion herausstellen.
Deshalb gilt: Auch Growth Investing braucht Analyse, jedoch mit einem anderen Fokus. Es geht weniger um statische Kennzahlen als um dynamische Unternehmensentwicklung.
Wachstum trifft Qualität: Moderne Ansätze im Wandel
In der Praxis haben sich Mischformen herausgebildet, etwa das sogenannte Growth-at-a-Reasonable-Price (GARP). Diese Strategie sucht nach Unternehmen, die zwar wachsen, aber nicht zu extrem hohen Bewertungen gehandelt werden. Der Versuch: Das Beste aus beiden Welten zu vereinen – Wachstumspotenzial mit einem gewissen Maß an Risikobegrenzung durch angemessene Bewertung.
Auch ESG-Kriterien gewinnen im Growth Investing an Bedeutung. Viele Investoren setzen verstärkt auf Unternehmen, die nicht nur wirtschaftlich, sondern auch ökologisch und sozial zukunftsfähig sind. Gerade im Bereich erneuerbare Energien, nachhaltiger Technologien und Kreislaufwirtschaft entstehen neue Wachstumspotenziale, die sowohl finanzielle als auch gesellschaftliche Rendite versprechen.
Fazit: Growth Investing ist Wagnis mit Methode
Growth Investing ist nicht nur der Kauf „teurer Aktien“, sondern eine fundierte Wette auf Zukunft. Es verlangt Weitblick, selektive Analyse und emotionale Disziplin. Wer es richtig betreibt, kann sich an der Entstehung großer, einflussreicher Unternehmen beteiligen – von den frühen Tagen bis zur Marktreife.
Doch es ist keine Strategie für Ungeduldige. Wer auf Wachstum setzt, muss auch Rückschläge aushalten und lernen, Visionen nüchtern zu bewerten. Growth Investing funktioniert dann am besten, wenn es nicht vom Markttrend getrieben wird, sondern von einer klaren Analyse dessen, was wachsen kann – und warum.

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