Professor Sinn über den Euro Wie lange hält Italien noch durch?
Neben Star-Investor George Soros und Wirtschafts-Nobelpreisträger Joseph E. Stiglitz reiht sich nun auch Professor Werner Sinn, der ehemalige Chef des ifo-Instituts, ein und sieht den Euro als Gemeinschaftswährung gescheitert.
Die Prognosen sind nicht neu, die Verwerfungen in der europäischen Gemeinschaftswährung offensichtlich. Mit Professor Werner Sinn ergreift ein weiterer Kritiker zu drastischen Worten, indem er dem Euro ein vernichtendes Zeugnis ausstellt: Er sei als Friedensprojekt gedacht gewesen und würde nun die EU-Mitglieder gegeneinander aufbringen. Allerdings bleibt er in seiner Analyse in bekannter Manier an der Oberfläche, da gehen andere kritische Stimmen deutlich weiter.
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Die Gemeinschaftswährung - eine Frage der Wettbewerbsfähigkeit?
Wenn Professor Sinn den mahnenden Finger in Richtung Südeuropa erhebt und die dortige Kreditblase beklagt, die die Volkswirtschaften in Schieflage gebracht hätte, hat er natürlich auch Italien im Blick. Dem Land am Mittelmeer unterstellt er fehlenden Reformwillen, die Wettbewerbsfähigkeit ließe zu wünschen übrig: Im Vergleich zu Deutschland sei Italien als Produktionsstandort seit 1995 um 42 Prozent teurer geworden. Hier zieht Professor Sinn den aus seiner Sicht logischen Schluss: Italien muss billiger produzieren, um seine Wirtschaft zu beleben.
Dieses altbekannte Denkmuster findet sich in den Argumentationen vieler Ökonomen, aber auch der Politik wieder - und wird dadurch nicht pragmatischer: Das Sparen in eine Rezession hinein hat sich noch nie als probates Mittel für einen Wirtschaftsaufschwung erwiesen, wie die deutsche Geschichte hinlänglich belegt. Der Vergleich der Produktionskosten ist aber durchaus ein interessanter Ansatz, wenn die Perspektive geändert wird: Deutschland hat nämlich nicht zuletzt mit seiner Lohnzurückhaltung für einen Wettbewerbsvorteil gesorgt, der maßgeblich für die vielfältig kritisierten Exportüberschüsse verantwortlich ist.
Im Vergleich zu Deutschland ist Italien als Produktionsstandort seit 1995 um 42 Prozent teurer geworden."
Gemeinsame Regeln als Fundament für gemeinsame Währung
So geht auch Professor Sinn mit seiner treffenden Einschätzung zur Gemeinschaftswährung nicht darauf ein, dass die deutschen Exportüberschüsse logischerweise in anderen Ländern zu Defiziten führen müssen - das ist buchhalterisches Grundwissen. Wenn Deutschland seine Überschüsse also wegen seiner besseren Wettbewerbsfähigkeit erzielt, weil die anderen Euro-Länder schlechter aufgestellt sind, stellt sich eine logische Frage: Was passiert mit den deutschen Exporten, wenn Italien & Co. nun austreten, eine eigene Währung abwerten und wettbewerbsfähiger werden?
Zu entgehen wäre einer solchen Entwicklung nur, wenn die Missverhältnisse in puncto Lohnstückkosten innerhalb der EU ausgeglichen würden, nämlich durch Lohnanhebungen in Deutschland. Es ist doch Deutschland, das sich nicht an die Regeln hält, die auch auf einer nahezu ausgeglichenen Leistungsbilanz beruhen. Wir sonnen uns in Überschüssen - wohlwissend, dass dazu die Schulden anderer Volkswirtschaften zwingend notwendig sind. Nur in einem Punkt stimmen die Kritiker überein: Der Euro kann so nicht überleben.