Führung neu denken: Vertrauenskultur statt Präsenzpflicht

Was sagt die Forschung? Hybrides Arbeiten

Seit der Corona-Pandemie hat sich die Arbeitswelt grundlegend verändert – auch in der traditionell konservativen Bankenbranche. Während viele Unternehmen zunächst aus der Not heraus auf Homeoffice-Lösungen umstellten, ist aus dem Krisenmodus längst ein Strukturwandel geworden.

Hybrides Arbeiten, also die Kombination aus Präsenzzeit im Büro und Arbeiten von zu Hause oder unterwegs, hat sich als neues Normal etabliert – auch bei Banken, Versicherungen und Finanzdienstleistern. Doch was bedeutet das für Produktivität, Führung, Kultur und Innovation in einer Branche, die lange stark auf physische Präsenz, formale Hierarchien und persönliche Kundenkontakte gesetzt hat? Die Forschung gibt inzwischen einige fundierte Antworten.


Flexibilität mit Grenzen: Die neue Realität in Banken

Banken haben – gemessen an ihrem Ruf als konservative Arbeitgeber – vergleichsweise schnell auf hybrides Arbeiten umgestellt.

Studien zeigen, dass etwa in Deutschland Beschäftigte im Bank- und Versicherungswesen durchschnittlich zwei Tage pro Woche im Homeoffice arbeiten – mehr als in vielen anderen Branchen.

Diese Flexibilität hat sich aus Sicht vieler Beschäftigter als Gewinn erwiesen: höhere Autonomie, bessere Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben, Wegfall von Pendelzeiten.

Gleichzeitig zeigen interne Erhebungen großer Finanzhäuser wie Deutsche Bank, UBS oder BNP Paribas, dass auch Führungskräfte dem Modell zunehmend offen gegenüberstehen, wenn gewisse Strukturen eingehalten werden.


Forschungsergebnisse zu Produktivität und Performance

Ein zentrales Forschungsinteresse gilt der Frage, wie sich hybrides Arbeiten auf die Produktivität auswirkt. Hier lautet die Antwort vieler Studien: Es kommt darauf an. Eine Metastudie der Harvard Business School aus dem Jahr 2023 ergab, dass moderate Homeoffice-Anteile – also zwei bis drei Tage pro Woche – tendenziell zu höheren Outputraten führen, insbesondere bei analytischen Tätigkeiten.

In Banken, wo viele Aufgaben standardisiert und digital abbildbar sind, profitieren etwa IT-Abteilungen, Compliance-Teams oder Produktentwickler von der Möglichkeit, konzentriert und ohne Ablenkung zu Hause zu arbeiten. Umgekehrt lassen sich vertriebsnahe Rollen oder Führungsaufgaben nicht in gleichem Maß virtualisieren, da hier Interaktion, Coaching und situative Präsenz wichtig bleiben.


Der Preis der Distanz: Kultur, Innovation und Bindung

So klar die Effizienzvorteile hybriden Arbeitens sind, so eindeutig benennen Forscher auch dessen Schwächen: Die emotionale Bindung ans Unternehmen nimmt bei reiner Bildschirmarbeit ab. Dies betrifft besonders junge Mitarbeitende oder neue Teammitglieder, denen informelle Lernprozesse, soziale Einbettung und Mentoring fehlen.

Zudem warnen Arbeitspsychologen davor, dass Innovationskraft leidet, wenn Teams sich zu selten spontan begegnen. Kreative Ideen entstehen oft nicht in geplanten Videomeetings, sondern in zufälligen Gesprächen auf dem Flur, in der Kaffeeküche oder im Projektteam vor Ort.

Ein weiteres Risiko: die Zweiklassengesellschaft zwischen sichtbaren Büroanwesenden und "unsichtbaren" Remote-Mitarbeitenden. Wer selten präsent ist, läuft Gefahr, bei Beförderungen oder informellen Netzwerken unterrepräsentiert zu sein – ein bekanntes Phänomen in hybriden Organisationen.


Führung neu denken: Vertrauenskultur statt Präsenzpflicht

Die Forschung zeigt klar: Hybrides Arbeiten ist weder Heilsversprechen noch Risiko per se, sondern ein Werkzeug. Es kann Effizienz steigern, Motivation erhöhen und Unternehmen attraktiver machen – wenn es klug gestaltet wird."

Die Forschung ist sich einig: In hybriden Arbeitsmodellen verändert sich die Rolle der Führungskraft grundlegend. Anstelle von Kontrolle und Sichtbarkeit tritt Vertrauen, Ergebnisorientierung und digitale Kommunikationskompetenz.

Führungskräfte müssen lernen, Leistung nicht an Anwesenheit, sondern an Output zu messen – und gleichzeitig soziale Nähe trotz physischer Distanz zu schaffen. Das bedeutet unter anderem:

  • Regelmäßige, klar strukturierte virtuelle Teamrunden
  • Digitale Tools für Feedback und Anerkennung
  • Präsenzzeiten als bewusste Ankerpunkte für soziale Interaktion

Gleichzeitig betonen HR-Experten, dass hybride Führung nicht improvisiert, sondern gezielt entwickelt werden muss – etwa durch Schulungen, Coaching und neue Karrierepfade.


Büroflächen, Infrastruktur und Standortstrategie im Wandel

Mit dem hybriden Arbeiten verändern sich auch Raumkonzepte. Immer mehr Banken investieren in flexible Flächen, Desk-Sharing, Begegnungszonen und Technikinfrastruktur. Statt individueller Schreibtische rücken modulare Räume, Projektarbeitsplätze und Rückzugsorte in den Vordergrund.

Einige Institute, etwa die Helaba oder Commerzbank, testen sogenannte „New Work“-Etagen – bewusst gestaltet als Räume für Austausch, Projektarbeit und Innovation. Gleichzeitig wird Bürofläche eingespart, was nicht nur Kosten senkt, sondern auch Nachhaltigkeitszielen dient.


Fazit: Hybrides Arbeiten bleibt – aber verlangt aktives Gestalten

Die Forschung zeigt klar: Hybrides Arbeiten ist weder Heilsversprechen noch Risiko per se, sondern ein Werkzeug. Es kann Effizienz steigern, Motivation erhöhen und Unternehmen attraktiver machen – wenn es klug gestaltet wird.

Für Banken heißt das: Sie müssen ihre Arbeitskultur, Führungspraxis, technische Infrastruktur und Personalentwicklung strategisch anpassen. Wer hybride Arbeit auf freiwilliger Basis, mit klaren Leitplanken und Vertrauen umsetzt, wird langfristig profitieren – auch im Wettbewerb um Talente.

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